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Bistum Dresden Meissen
01. September 2020

Wie ein „Elefant im Zimmer“

30. Podcast-Folge „Mit Herz und Haltung“ widmet sich dem Thema Machtmissbrauch

Dresden. Der Podcast der Katholischen Akademie des Bistums Dresden-Meißen greift in seiner nunmehr 30. Folge das komplexe und mit leidvollen Erfahrungen verbundene Thema Macht und Missbrauch innerhalb der katholischen Kirche auf.

Anlass für dieses Gespräch ist das Erscheinen des neuen Buches „Der Elefant im Zimmer – Über Machtmissbrauch und Widerstand“ der Schriftstellerin Dr. Petra Morsbach.

Morsbach diskutiert in der 30. Podcast-Folge mit Prof. em. Dr. Erich Garhammer, ehemaliger Pastoraltheologieprofessor an der Universität Würzburg. Moderiert wird das Gespräch von Joachim Frank, Journalist des „Kölner Stadt-Anzeiger“ und unter anderem Mitglied des Synodalforums „Macht und Gewaltenteilung in der Kirche“.

Machtmissbrauch in Kirche, im Politik- und Kunstbetrieb

Morsbachs Buch analysiert anhand konkreter Fälle faktenbasiert, wie mit den Mechanismen von Macht in der katholischen Kirche, im Politikbetrieb sowie in der Kunstszene umgegangen wurde. Zunächst greift ihr Essay den Fall Dr. Hans Hermann Groër auf. Dieser war promovierter Theologe und als Religionslehrer tätig, wurde später Erzbischof von Wien sowie Vorsitzender der Österreichischen Bischofskonferenz und zum Kardinal ernannt. Er hat sich spätestens ab den 1960er Jahren an Schülern und Novizen pädosexuell vergangen.

„Elefant im Zimmer“ als treffende Metapher für Machtmissbrauch

Morsbachs Überzeugung ist, dass ein Elefant eine treffende Metapher für Machtmissbrauch sei, weil dieses allein durch seine Größe „beherrschende Wesen“ in einem Zimmer wohl kaum unbeabsichtigt übersehen werden kann. Sie spielt bewusst mit diesem Bild: Menschen täten so, als gäbe es Macht und Machtmissbrauch gar nicht. Morsbach: „Warum sieht man nicht das Wichtigste? Man sieht es deswegen nicht, weil es peinlich ist.“ Stattdessen würde „versteckte Gewalt ausgeübt und hingenommen“.

Fall Groër als „Fundgrube“ für eine Analyse der Mechanismen von Macht in der Kirche

Morsbach fragt, weshalb eine Kirchenbehörde einen Kardinal deckte, von dem intern seit Jahrzehnten bekannt war, dass er Schüler und Novizen sexuell missbrauchte. Garhammer äußert hierzu seine Vermutung: Man habe sich von der „charismatischen Außenseite von Groër“ blenden lassen und habe in ihm ein „Lösungsmoment“ in der Sorge um zu wenig geistlichen Nachwuchs gesehen.

Morsbach ergänzt, dass sich die Vorgänge hinsichtlich der Causa des „Hochstaplers“ Groër geradezu als reiche „Fundgrube“ für ihre Analyse der Mechanismen von Macht angeboten hätten. Die entscheidende Erkenntnis laute aber: „Jeder Betrüger kann nur so weit gehen, wie man ihn gehen lässt.“ Die Bischöfe hätten damals laviert, Bekanntes verschwiegen und die Meinung forciert: „Wer Groër anklagt, ist ein Feind der Kirche.“ Als Schriftstellerin interessiere Morsbach vor allem die Analyse des Gesagten oder eben des Nichtgesagten angesichts von Überforderungen und Angst infolge von Machtmissbrauch: „Die Sprache weiß immer mehr als der Mensch.“

Mehr Sensibilität im Umgang mit Machtmissbrauch

Morsbach bemängelt, dass zwar alle Menschen lernten, „wie man sich anpasst“, aber niemand lerne, „wie man sich widersetzt“. Hierin sieht sie ein entscheidendes Verbesserungspotenzial. Sie wünscht der katholischen Kirche die notwendige „Offenheit“, das Problem Machtmissbrauch in ihren Gremien transparent zu behandeln. Viel zu oft habe die Kirche die Aufdeckung von Missständen im Umgang mit missbräuchlicher Macht den „Unmächtigen“ zu verdanken.

Zum Buch: Petra Morsbach: „Der Elefant im Zimmer – Über Machtmissbrauch und Widerstand“. Penguin Verlag, München; 368 Seiten; ISBN: 978-3-328-60074-9; 22,00 EUR.

Das ganze Gespräch zum Nachhören finden Sie hier:

https://lebendig-akademisch.podigee.io/31-der-elefant-im-zimmer

 

Der Bildungspodcast „Mit Herz und Haltung“

Im Bildungspodcast „Mit Herz und Haltung“ der Katholischen Akademie des Bistums Dresden-Meißen nehmen Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens sowie Expertinnen und Experten verschiedener Fachdisziplinen Stellung zu den wissenschaftlichen, gesellschaftlichen, kulturellen und kirchlichen Fragestellungen. Neue Folgen erscheinen in regelmäßigen Abständen auf Spotify, Deezer, Apple Podcasts, YouTube sowie auf den Websites der Akademie (www.lebendig-akademisch.de) und des Bistums (www.bistum-dresden-meissen.de).

Bislang sind 29 Folgen erschienen.

Kurzbiografien

Erich Garhammer (Jg. 1951) studierte in Regensburg Theologie und Germanistik. Nach dem Staatsexamen und dem Diplom begann er seine pastorale Praxis in der Diözese Passau. 1989 promovierte er sich. Als Pastoraltheologe dozierte er ab 1991 in Paderborn sowie von 2000 bis 2017 an der Universität Würzburg. Seine Leidenschaft gilt dem Brückenschlag von der Theologie zur Poesie und der Beschäftigung mit dem Anregungspotenzial der Literatur für die Theologie. Er selbst veröffentlichte u. a. folgende Bücher: „Erzähl mir Gott“ (2018); „Zweifel im Dienst der Hoffnung“ (2011); „Brennender Dornbusch und pfingstliche Feuerzungen. Biblische Spuren in der modernen Literatur“ (2003) sowie „Am Tropf der Worte. Literarisch predigen“ (2000). Im Jahr 2019 bekam er von der Ev.-Theol. Fakultät in Bonn den Predigtpreis für sein Lebenswerk. Berühmte Vorgänger dieses Preises sind: Walter Jens, Kurt Marti oder Norbert Lammert.

Petra Morsbach (Jg. 1956) studierte in München und Leningrad/UdSSR Philologie und Theaterregie. Nach ihrer Promotion 1983 arbeitete sie zehn Jahre als Dramaturgin und Regisseurin am Theater. Seit 1993 lebt Morsbach als freie Schriftstellerin in der Nähe von München. Bisher schrieb sie mehrere Romane, u. a. „Opernroman“ (1998), „Gottesdiener“ (2004) und „Justizpalast“ (2017). Am 31.08.2020 erschien ihr neuer Essay „Der Elefant im Zimmer – Über Machtmissbrauch und Widerstand“ (Penguin Verlag). Morsbachs Werk wurde mit zahlreichen Stipendien und Preisen ausgezeichnet, u. a. dem Jean-Paul-Preis (2013). 2017 erhielt sie den Roswitha-Literaturpreis der Stadt Bad Gandersheim und den Wilhelm-Raabe-Preis.

Moderator Joachim Frank (Jg. 1965) studierte Theologie, Philosophie sowie Kunstgeschichte und absolvierte eine Ausbildung zum Journalisten. Von 2002 bis 2009 war er stv. Chefredakteur des „Kölner Stadt-Anzeiger“ und von 2009 bis 2011 Chefredakteur der „Frankfurter Rundschau“. Frank ist Chefkorrespondent der DuMont Mediengruppe und Mitglied der Chefredaktion beim „Kölner Stadt-Anzeiger“. Außerdem ist er ehrenamtlicher Vorsitzender der „Gesellschaft Katholischer Publizisten“, gewähltes Mitglied des Zentralkomitees der deutschen Katholiken (ZdK) sowie Mitglied des Synodalforums „Macht und Gewaltenteilung in der Kirche“. Für seine journalistische Arbeit wurde er vielfach ausgezeichnet.

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