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Bistum Dresden Meissen
18. Februar 2021

„Der Dichter und der Neonazi. Erich Fried und Michael Kühnen. Eine deutsche Freundschaft“

Thomas Wagner über sein neues Buch - im Podcast

Dresden. Die aktuelle Folge von „Mit Herz und Haltung“, dem Podcast der Katholischen Akademie des Bistum Dresden-Meißens erscheint in Kooperation mit den Städtischen Bibliotheken Dresden im digitalen Format #weiterlesen, bei dem Autor/-innen und Akteure der Dresdner Literaturszene aktuelle Publikationen vorstellen. Sie behandelt das kürzlich erschienene Buch des Soziologen und Schriftstellers Thomas Wagners „Der Dichter und der Neonazi. Erich Fried und Michael Kühnen – eine deutsche Freundschaft“. 100 Jahre nach Erich Frieds Geburtstag zeichnet Wagner in seinem Buch dessen kontroverse Brieffreundschaft zu dem Neonazi Michael Kühnen nach.

Auf der Basis von Zeitzeugenberichten, Sendungsmitschnitten und 16 Briefen, die zwischen Fried und Kühnen ausgetauscht wurden, arbeitet Wagner sowohl das Weltbild beider Protagonisten heraus als auch die zwischenmenschlichen Aspekte, die dem Tonfall der Briefe zu entnehmen sind. Den Kontakt zwischen dem linksorientierten jüdischen Schriftsteller Fried und dem Anführer der Neonazi-Szene der 80er Jahre Kühnen nimmt Wagner zum Anlass, um über unsere gegenwärtige Diskussionskultur und den Umgang mit gegenläufigen Meinungen nachzudenken.

Lernen aus einer umstrittenen Freundschaft?

Laut Wagner liegen die Motivationen für Frieds Annäherung an Kühnen u.a. in seinem Menschenbild und in seinem persönlichen ‚Verstehen-Wollen‘ begründet. In Frieds Augen sei eine der Kernaufgaben eines Schriftstellers, „alles, was den Menschen von sich selbst entfremdet, aufzudecken und dabei zu helfen, gegen diese Entfremdungstendenzen anzukämpfen“. Dies impliziere alle Formen stereotyper Denkweisen und die Berücksichtigung des Umstands, dass „jeder Mensch, auch ein Neonazi, jederzeit in sich das Potenzial hat, jemand anderes zu werden“, folgert Wagner. Er betont, dass, obgleich es zwischen den beiden im Laufe des Briefverkehrs keine politische Annäherung gab, beide in dem jeweils anderen einen „wertvollen Menschen“ sahen.

Auch mit Blick auf heute sei solch eine ideologische Grenzen übersteigende Offenheit wünschenswert, sagt Wagner. Dabei könne man sehr wohl zwischen dem privaten und öffentlichen Raum differenzieren. Während politische Unstimmigkeit Freundschaften keinen Abbruch tun sollte, sei es durchaus legitim, wenn Veranstalter im öffentlichen Raum extremistischen Positionen kein Podium bieten wollen. Von öffentlichen Institutionen erhofft sich Wagner zukünftig jedoch mehr Souveränität und kein ‚Einknicken‘ vor Empörungswellen in sozialen Medien.

Das ganze Gespräch zum Nachhören finden Sie hier: www.ka-dd.de/podcast


Bildungspodcast „Mit Herz und Haltung“

Im Bildungspodcast „Mit Herz und Haltung“ der Katholischen Akademie des Bistums Dresden-Meißen nehmen Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens sowie Expertinnen und Experten verschiedener Fachdisziplinen Stellung zu den wissenschaftlichen, gesellschaftlichen, kulturellen und kirchlichen Fragestellungen. Neue Folgen erscheinen in regelmäßigen Abständen auf Spotify, Deezer, Apple Podcasts, YouTube sowie auf den Websites der Akademie (www.lebendig-akademisch.de) und des Bistums (www.bistum-dresden-meissen.de).

Bislang sind über 70 Folgen erschienen.