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Bistum Dresden Meissen
02. Juni 2020

Im Gespräch mit Bischof Heinrich Timmerevers und Dorthe Beemelmans: Pfarreien bekommen Kirchenvorstände

Mehr Mitbestimmung, Transparenz und Beteiligung

Am 1. April 2021 werden neu gewählte Kirchenvorstände ihre Arbeit in den Pfarreien des Bistums Dresden-Meißen aufnehmen – und damit die bisherigen Kirchenräte ablösen. Das dafür erarbeitete Gesetz hat die Zustimmung der Staatsregierungen Sachsens und Thüringens im Mai erhalten. Im Interview sprechen Bischof Heinrich Timmerevers und Dorthe Beemelmans aus dem Vermögensverwaltungsrat des Bistums über Reformpläne, die Entlastung von Pfarrern und die Mitbestimmung von Gemeindemitgliedern.

bischof heinrich timmerevers querSehr geehrter Herr Bischof, seit zweieinhalb Jahren werden im Bistum Dresden-Meißen Pfarreien zusammengeführt und neue Pfarreien gegründet. Diese Neuordnung des pastoralen Raums ist eine große Herausforderung für alle Beteiligten: für die Gläubigen, für die in der Seelsorge tätigen Priester, Diakone, Gemeindereferentinnen und Gemeindereferenten sowie für alle Frauen und Männer im ehrenamtlichen Dienst der Gemeinden. Welche Beobachtungen machen Sie in diesem Prozess?

Ich erlebe gerade viele Gemeindemitglieder, die engagiert und konstruktiv an dieser Neuordnung mitwirken, das Gemeindeleben stützen und unsere Pfarreien in eine gute Zukunft weiterführen wollen. Das freut mich sehr. Gleichzeitig beobachte ich jedoch auch, dass die aktuellen Veränderungen viele Fragezeichen und Verunsicherung hervorrufen – weil wir Vertrautes aufgeben und das Neue noch nicht fassbar ist. Daraus erwachsen Unsicherheit, Skepsis und manchmal auch Widerstand. Als Bischof nehme ich mir diese Sorgen und Vorbehalte sehr zu Herzen – vor allem in Zeiten, in denen das Coronavirus viele Menschen vor zusätzliche Herausforderungen stellt. Gleichwohl ist es wichtig, dass wir den eingeschlagenen Weg der Neuerungen weitergehen. Denn wir werden uns in Zukunft weitaus stärker mit der Frage befassen müssen, wofür wir als Kirche da sind – und wie wir unsere „Systemrelevanz“ inmitten der Gesellschaft stärker erlebbar machen können. Die Botschaft aus dem Evangelium lautet hierzu: Gott ist eine Quelle des Lebens, Gott gibt Halt und Orientierung, Gott ist immer an der Seite des Menschen, das wollen wir inmitten unserer Welt leben und bezeugen. Das ist eine große Aufgabe für uns, die Pfarreien, für unser Bistum, für alle Getauften und Gefirmten und für alle in unserer Kirche, die mit einem Dienst beauftragt sind. Die Neuordnung des pastoralen Raums – und damit auch das neue „Gesetz für die Verwaltung der Pfarreien im Bistum Dresden-Meißen“ – ist hier ein erster wichtiger Schritt, mit dem wir diese große Zukunftsaufgabe angehen.

 

Was sind die wichtigsten Neuerungen in den Pfarreien, die mit dem neuen Diözesangesetz einhergehen, Herr Bischof?

Künftig werden Frauen und Männer gemeinsam mit dem Pfarrer die Verantwortung für den Haushalt, das Vermögen und die Immobilien einer Pfarrei tragen. Bisher wurden die Pfarrer lediglich von den Kirchenräten beraten, ihre Entscheidungen fällten sie jedoch in den meisten Fällen allein. Auch die Vertretung der Pfarrei nach außen oblag bisher allein dem Pfarrer. Mit dem neuen Regelwerk legen wir nun den Grundstein für eine neue Leitungskultur in unseren Pfarreien: Getaufte und Gefirmte bekommen erstmals die Möglichkeit, sich an den Leitungsaufgaben der Pfarrei zu beteiligen und damit Verantwortung zu übernehmen. Das Miteinander von geistlichen und verantwortungsbewussten, fachkompetenten Laien bekommt damit schließlich auch ein rechtliches Fundament.vermögensverwaltungsrat bistum dd m

 

Sehr geehrte Frau Beemelmans, Sie sind seit 2016 im Vermögensverwaltungsrat des Bistums Dresden-Meißen und befassen sich dort mit wirtschaftlichen und vermögensrechtlichen Fragen. Warum ist eine Reform der pfarrlichen Vermögensverwaltung notwendig und sinnvoll?

Lassen Sie mich drei übergeordnete Ziele nennen. Erst einmal geht es um mehr kooperatives Miteinander in der Pfarrei. Zweitens um mehr Zeit und Kraft des Pfarrers für die Gemeinden. Sein Leitungsdienst umfasste bislang, neben den Gottesdiensten und der Seelsorge, auch die Verantwortung für das Vermögen der Pfarrei und ihre Gebäude. Da stößt mancher an seine Belastungsgrenze. Und drittens geht es um mehr Transparenz. Wir verbinden die Glaubwürdigkeit der Kirche auch mit der Frage der Transparenz in finanziellen Angelegenheiten. Schon seit 2014 legt das Bistum Dresden-Meißen mit einem Jahresbericht umfassend und vollständig seine Finanz- und Vermögensverhältnisse offen. Jetzt gehen wir bei der Transparenz den nächsten Schritt. Hierfür bauen wir nun eine effizientere Organisa­tions­struktur auf.

 

Herr Bischof, warum hat das Bistum Dresden-Meißen so lange damit gewartet, ein Gesetz zur Regelung der Vermögensverwaltung in den Pfarreien auf den Weg zu bringen, das in allen anderen deutschen Bistümern bereits seit mehreren Jahrzehnten existiert?

Die Gründe sind vielschichtig: Zunächst ist da das universale Kirchenrecht mit seinen Vorgaben zu nennen. Hiernach obliegt dem Pfarrer grundsätzlich das Alleinvertretungsrecht der Pfarrei, während dem Vermögensverwaltungsrat, dem auch Laien angehören, nur ein beratendes Stimmrecht zukommt. Diese Vorgaben bildete unser bisheriges diözesanes Recht sehr gut ab. Darüber hinaus gibt es jedoch auch historische Gründe, welche die Beständigkeit der bisherigen Regelungen erklären. So bot das universale Kirchenrecht dem jungen Bistum Dresden-Meißen lange Zeit Schutz und Sicherheit, insbesondere in der Zeit zweier Diktaturen. All das bestätigte über die Jahre hinweg die allein­vertretungsberechtigte Rolle des Pfarrers im Bereich der Vermögensverwaltung, die nach 1989 – anders als in unseren ost­deutschen Nachbarbistümern – bis heute beibehalten wurde. Von dem päpstlichen Indult aus dem Jahr 1984, das die Einführung von Kirchenvorständen ausdrücklich anerkennt, hat unser Bistum bislang kein Gebrauch gemacht. Jetzt, nachdem bald alle Pfarreien in unserem Bistum neu gegründet worden sind, ist der richtige Moment, um auf dieser zeitgemäßen kirchenrechtlichen Grundlage zu einer gesetzlichen Neuregelung zu kommen. Zudem haben wir die vergangenen Jahre sinnvoll nutzen können, um zu schauen, welche Regelungen in anderen Bistümern erfolgreich waren. Davon profitieren wir jetzt in unserem neuen Gesetzestext.

 

So ein Gesetz entsteht nicht über Nacht. Welche Vorarbeiten waren notwendig, damit das Gesetz nach zwei Jahren endlich in Kraft treten kann, Herr Bischof?

Es war mir von Beginn an wichtig, dass das neue kooperative Miteinander von Pfarrern, geist­lichen Mitbrüdern und christgläubigen Laien nicht nur in dem neuen Regelwerk verankert ist. Vielmehr sollte der Grundgedanke des Miteinanders schon den Entstehungs­prozess des Gesetzes prägen, indem möglichst viele Erfahrungen und Impulse aus unseren Pfarreien in den Gesetzestext einfließen. Das ist uns gut gelungen. Gleichzeitig haben wir viel Wert darauf gelegt – neben der Diözesanverwaltung – auch renommierte, externe Kirchen­rechtler an diesem Prozess zu beteiligen: So begleiten uns seit zwei Jahren der im kirchlichen Verwaltungs­recht spezialisierte Rechtsanwalt Dr. Martin Pusch sowie der Theologe und Kirchenrechtsprofessor Dr. Rüdiger Althaus vom Lehrstuhl für Kirchen­recht der Theologischen Fakultät in Paderborn. Und nicht zuletzt hat auch der Vermögensverwaltungsrat des Bistums, der überwiegend aus fachkompetenten Laien besteht, seine Expertise in das Gesetz eingebracht. Nur so konnte am Ende eine Fassung heranreifen, die der Priesterrat im Februar 2020 mit geringfügigen Änderungen befürwortete.

 

Wie wird sich das neue Gesetz auf die Pfarreien und die Arbeit des Pfarrers auswirken, Herr Bischof?

Der Pfarrer entscheidet künftig nicht mehr allein über das Vermögen, den Haushalt und die Immobilien einer Pfarrei, sondern gemeinsam mit einem gewählten Kirchenvorstand. Natürlich wird sich hier die neue Arbeitsteilung erst einmal einspielen müssen. Doch sobald das den neuen Gremien gut gelingt, werden die Pfarrer – hoffentlich schon bald – auf Dauer entlastet und können sich mehr der Seelsorge widmen.

 

Welche Aufgaben wird ein Kirchvorstand in Zukunft konkret übernehmen? Und wie werden die Kirchenvorstände in den Pfarreien zusammengesetzt sein, Herr Bischof?

Die Kirchenvorstände werden künftig eine zentrale Rolle in den Pfarreien einnehmen. Sie führen für ihre Pfarreien die Bücher nach den Regeln der kaufmännischen Buchführung. Und neben den Geschäften der laufenden Verwaltung stellen die Kirchenvorstände jährlich einen Wirtschaftsplan nach kauf­männi­schen Grundsätzen auf. Dabei setzt sich der Kirchenvorstand in der Regel aus vier bis zehn Mitgliedern zusammen, die mindestens zur Hälfte gewählt werden. Die andere Hälfte beruft der Pfarrer als Vorsitzender des neuen Gremiums – nach Anhörung der gewählten Mitglieder des Kirchenvorstands – aus dem Kreis der Pfarreiangehörigen. Darüber hinaus erhalten der Pfarreirat und auf meinen Wunsch hin auch der Kaplan einen Sitz im Kirchenvorstand.

 

Auf welche Weise unterstützt das Bistum die Pfarreien bei der stärkeren Einbindung von Laien in den Kirchvorstand? Welche Regelungen sieht das neue Gesetz hier konkret vor, Frau Beemelmans?

Solch ein Ehrenamt ist damit verbunden, pfarrliches Vermögen sorgsam zu verwalten und Entscheidungen über pfarrliche Vermögensgüter zu fällen. Das verdient Anerkennung, aber auch Schutz vor Regressansprüchen. Im Zivilrecht kennen wir Formen eines wirtschaftlichen Schutzes beispielsweise beim Geschäftsführer einer Firma oder bei unentgeltlich tätigen Mitgliedern eines Vereins. Diesen Standard haben wir in das neue Pfarrvermögens­verwal­tungs­­­gesetz übertragen und dort das Bistum auf einen weitreichenden Haftpflicht­versicherungs- und Rechtsschutz für unsere ehrenamtlichen Kirchenvorstände verpflichtet. Sollte es zu einer Schadensersatzpflicht gegenüber einem Dritten kommen, übernimmt das grundsätzlich die Pfarrei. Zudem werden die Laien-Mitglieder eines Kirchenvorstandes sorgfältig an ihre neuen Aufgaben herangeführt und erhalten dabei hilfreiche Anleitungen. Das kooperative Miteinander muss von einem fürsorglichen Zueinander flankiert sein, wenn wir die Bereitschaft zur Übernahme von Verantwor­tung im Kirchenvorstand erreichen wollen.

 

Welche Kompetenzen werden in Zukunft für die Arbeit in den Kirchenvorständen gebraucht, Frau Beemelmans?

Wer sich mit Wirtschaftsplänen, Buchführung und Rechnungswesen nach allgemeinen Standards auskennt, hat sicherlich Vorteile bei der Bewerbung. Neben fachlichen Kompetenzen sind aber auch persönliche Eigenschaften wichtig. Dazu gehört Zuverlässigkeit, breite Lebenserfahrung und nicht zuletzt Charismen. Unverzichtbar ist natürlich der Wunsch, die eigene Pfarrei und Pfarrgemeinde mitzugestalten. Die Personen müssen auch bereit sein, sich stetig fort- und weiterzubilden. Was noch fehlt, wird den neuen Mitgliedern der Kirchenvorstände im Zeitraum Januar bis Februar 2021, also noch vor Inkrafttreten des neuen Gesetzes, in weitergehenden Qualifizierungs- und Schulungsformaten angeboten. An einem guten Start ist uns allen besonders gelegen.

 

Gibt es schon einen genauen Wahltermin für die Kirchenvorstände, Herr Bischof?

Für die Wahl der Kirchenvorstände wurde mit den Dekanen bereits der 15. November 2020 als Wahltermin festgesetzt. Nur in gut begründeten Ausnahmefällen kann der 22. November 2020 als möglicher Ersatztermin herangezogen werden.

 

Was sind die nächsten Schritte und wann wird das Gesetz in Kraft treten?

Nach Veröffentlichung im Kirchlichen Amtsblatt werden wir zunächst die Anwendung der neuen Regelungen vorbereiten. Zudem werden wir alle Interessierten rechtzeitig informieren und Fragen zum neuen Gesetz beantworten. Bislang sind hierzu drei Informationsveranstaltungen in Leipzig, Chemnitz und Dresden im Juni 2020 vorgesehen – soweit das vor dem Hintergrund der aktuellen Corona-Restriktionen möglich sein wird. Diese Veranstaltungen sollen helfen, sich mit der neuen Leitungskultur vertraut zu machen, und dazu ermutigen, die Einführung des Gesetzes aktiv zu unterstützen. Das neue Gesetz wird am 1. April 2021 in Kraft treten.

 

Vielen Dank für das Gespräch!

 

Bildhinweise:

Foto 1: Bischof Heinrich Timmerevers
Foto 2: Die Mitglieder des Vermögensverwaltungsrates (v.l.n.r.): Prof. Dr. Johannes Ditges, Pfarrer Konrad Köst, Pfarrer Sebastian Eisner, Regina Klaus, Dr. Paul Panglisch, Dorthe Beemelmans, Herbert Gehring.

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