Bischof Reinelt zum Osterfest: "Vom Nullpunkt zum strahlenden Plus"


Beitrag für das Liborius-Blatt

Noch klingt manchem von uns die Dramatik der Passion im Ohr, die Worte Jesu am Kreuz, in den ergreifenden Melodien eines Schütz, Bach oder Haydn. Der Herr der Welt aber ist am Ende. Sein Tod schien wie eine "sang- und klanglose" Annullierung seiner Großtaten zu sein. Jener, der dem Guten Schächer gerade noch hoffnungsvoll zusprach, bricht selbst kurz darauf zusammen: "Mein Gott, mein Gott, warum hast Du mich verlassen?" Hilflos, leer, ausgebrannt übergibt er seinen Geist in die Hände des Vaters. Der tote Sohn bleibt im Schoß der Mutter zurück. Ist damit das Kommen Gottes in diese Welt zuende, das Wunder der Geburt und Inkarnation ausgestrichen, sein Wert auf Null herabgesunken? Einen düsteren Karsamstag lang schien es so zu sein. "Und wir hatten gehofft..." hören wir die Emmausjünger seufzen.

Nein! "Mußte nicht alles so kommen?", fragt eine noch fremde Stimme, löst ein noch Unbekannter nach göttlicher Logik die schier unlösbare Aufgabe. Jesu Leben mußte durch diesen Nullpunkt hindurch. Null selbst ist die Lösung. Aber sie bedeutet nicht Nichts. Das Nichts Gottes ist das schöpferische Nichts, es ist das "ex nihilo", es ist er selbst!

Die Logik dreifaltigen Lebens ist ständige Hingabe des Vaters an den Sohn, des Sohnes im Gehorsam an den Vater und die sich verströmende und damit verbindende Liebe des Geistes, der gerade dann da ist, wenn er "ausgehaucht" ist. Jede göttliche Person "ist" gerade dann, wenn sie in der Hingabe "nicht ist".

Weil der sündige Mensch diese Logik nicht akzeptiert, entsprach ihr Jesus bis zur letzten Konsequenz: "Denn so sehr hat Gott die Welt geliebt, dass er seinen einzigen Sohn dafür hingab" (vgl. Joh 3,16).

Mit dem Ostersonntag aber wird alles neu. Eine neue Rechnung wird aufgemacht, die schon mit einem großen Vorschuß beginnt, mit einem "strahlenden Plus", wie es sich jeder von seiner eigenen Bilanz wünscht. Dieser Vorschuß ist kein rückzahlungspflichtiger Kredit, kein trügerischer Leasingvertrag mit kleingedruckten Klauseln. Der Auferstandene Christus ist bei uns "alle Tage dieses Lebens", geht uns voraus "bis ans Ende der Welt".

Die Auferstehung unseres Gottes läßt Null als Ergebnis nicht mehr zu, weder als Kältetod des gesamten Kosmos, wie ihn manche prophezeien, noch als ein Chaos von Krieg und Vernichtung, noch als unseren eigenen Tod.

Aus Tod wurde Leben, aus Ende wurde Anfang, eine neue Anfangsbilanz Gottes mit einem überschuß an Liebe für uns Menschen. Aus dem einsamen Tod am Kreuz entströmte der Auferstehungsgeist der Gemeinschaft. Aus verängstigten und fliehenden Jüngern wurde die pfingstliche Kirche. Sie will Zeugnis der Gegenwart Gottes unter den Menschen dieser Zeit sein.

In ein solches Unternehmen, wo die Bilanz positiv ist, sollten auch wir uns einbringen, sollten auch wir mit ganzem Einsatz investieren - der strahlende Sieger steht dafür ein. So werden mit und nach Ostern die Bücher neu eröffnet. Die Evangelien enthalten die ganze "Firmenphilosophie". Weg und Ziel sind festgehalten, ein faszinierendes Abenteuer für einen jeden von uns: "Das ist mein Gebot: Liebt einander, so wie ich euch geliebt habe," (Joh 15,12) und "Einer trage des anderen Last; so werdet ihr das Gesetz Christi erfüllen" (Gal 6,2), "Denn wo zwei oder drei in meinem Namen versammelt sind, da bin ich mitten unter ihnen" (Mt 18,20)...

In diesen wenigen Worten offenbart sich das Wesen Gottes, seine dreifaltige Liebe, aus diesen Worten läßt sich ein neues Leben gestalten: Der andere ist geschaffen als Geschenk für mich, als Möglichkeit die Liebe Gottes weiterzugeben. Mein Kreuz gilt es nicht mit zusammengebissenen Zähnen zu tragen, sondern im Blick auf die Last des andern wird es mir genommen. "Werft alle eure Sorge auf ihn, denn er kümmert sich um euch" (1 Petr 5,7). Im Auferstandenen ist der Tod überwunden, ist das Leben neu geschaffen, wie wir es voll Freude in diesen Tagen singen.

Der auferstandene Herr in der Mitte seiner Gemeinde, in der familären Gemeinschaft, im Blickfeld von Politik und Gesellschaft, im Kalkül von Geld- und Warenwirtschaft - das ist die Vision von Ostern. Auferstehung ist überall möglich und soll überall geschehen. Wir können und dürfen den Auferstandenen nicht aussperren nicht aus der Schule, nicht aus den Parteien, nicht aus unseren Gremien und Sakristeien. Sein österliches Strahlen soll alles erfüllen: unsere Herzen, unser Miteinander, die Atmosphäre jeder Begegnung und an jedem Arbeitsplatz.

Wie das Osterlachen, so gibt es auch einen Osterblick, der die Verklärung im andern schon sieht, es gibt einen Ostervirus, der anstecken soll. Haben wir keine Angst davor, dass wir uns zuviel begeistern könnten, wissen wir doch, wie schnell immer wieder "die Luft raus" ist. Ostern darf es von nun an immer wieder werden, täglich, wenn wir wollen und den Mut aufbringen, uns an Ostern zu erinnern: "Auf! Mut!" Jedes Lächeln, das wir dem Mitmenschen schenken, ist vom Auferstandenen gedeckt, er steht dafür ein, auch wenn wir uns dieses Recht selbst dann und wann absprechen wollten.

Als österliche Menschen zeigen wir der Welt, wie erlöst die Christen sind!



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