Die antiösterliche Botschaft aus den Niederlanden


Joachim Reinelt

Bischof von Dresden-Meißen


Die antiösterliche Botschaft aus den Niederlanden

Anfang und Ende des menschlichen Lebens sind das besondere Geheimnis jeder Person. In den Niederlanden ist man dabei, dieses Mysterium zu zertreten. Wer sich anmaßt, das Ende eines an schwerer Krankheit leidenden Menschen bestimmen zu können, spielt den Samariter mit verkehrter Rolle. Statt dem Mann, der hilflos daliegt, seine Schmerzen zu lindern, gibt er ihm den Rest und legt sich selbst das Mäntelchen der Barmherzigkeit um. Hinter dieser Verdrehung der Geschichte vom Barmherzigen Samariter steht eine der tragischsten Entwicklungen, die das vergangene Jahrhundert genommen hat. Die Zerstörung der Unantastbarkeit menschlichen Lebens hat den Menschen herabgewürdigt zu einem Produkt der Gesellschaft, die deshalb über Gedeih und Verderb des Menschen, über Recht auf Geburt oder Tod Gesetze erlassen kann. Das Parlament nimmt den Platz Gottes ein. Bisweilen nahm diesen Platz in der deutschen Geschichte eine Partei ein. Damit haben wir genug schreckliche Erfahrung.- Vielleicht haben einige in den Niederlanden zu schnell die Geschichte der Nachbarn aus dem Blick verloren. Hier dürfen wir nicht schweigen. Es geht nicht um Hilfsbereitschaft, es geht um Legalisierung des Tötens. Der Arzt darf töten. Damit wird der Eid des Hippokrates, der 2400 Jahre für jeden Arzt Geltung besaß, eiskalt durch einen anmaßenden Gesetzestext außer Kraft gesetzt. Der Eid lautet: "Nie werde ich, auch nicht auf Bitte hin, ein tödliches Gift verabreichen oder auch nur einen Rat dazu erteilen." Wenn das nun in den Niederlanden nicht mehr für alle Fälle gilt, gewinnt man den Eindruck, dass soeben überwunden geglaubte Ideologien des Nationalsozialismus oder des Sozialismus durch liberalistische Ideen fortgesetzt werden.

Wir bekennen: Der Mensch ist eben nicht Glied einer Produktkette, die man beliebig ankurbeln oder abschalten kann. Der Mensch ist nicht verfügbar. Niemand hat das Recht, in irgendeinem Stadium seiner irdischen Existenz Hand an ihn zu legen.

Der Arzt hat die Pflicht, einem Schwerkranken alle erdenkliche Hille, alle verfügbare Schmerzlinderung zukommen zu lassen. Die Palliativmedizin soll optimiert und durch beste seelsorgliche Begleitung gestützt werden.

Die niederländische Entscheidung gerade kurz vor Ostern ist wie eine antiösterliche Botschaft. Nicht das Leben, sondern der Tod bekommt das Gewicht. Nicht das freie Ja zum bewussten Sterben gilt als Größe, sondern der Sterbende wird auch noch in seiner letzten Stunde zum Verbraucher degradiert.

In der Kraft Jesu Christi, der den Tod besiegt hat in seinem Tod, geben wir die Hoffnung nicht auf, dass das letzte Wort das Leben hat.

Ostern 2001



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