Ein Leuchtturm des Glaubens

Einzige im Bistum gegründete Ordensgemeinschaft feiert 75-jähriges Bestehen


Die Gründerin des Ordens, Mutter Maria Augustina
Dresden, 12.06.03 (KPI): Insgesamt 26 Ordensgemeinschaften gibt es im Bistum Dresden-Meißen, darunter Dominikaner und Jesuiten, Missions-Benediktinerinnen, Zisterzienserinnen, Kapuziner und viele andere mehr. Es gibt Orden, die mit Dutzenden Mönchen oder Nonnen vertreten sind, und andere, von denen nur eine kleine Gruppen hier lebt und wirkt. Dass eine Gemeinschaft aber sogar im Bistum Dresden-Meißen gegründet wurde und auch ihr Mutterhaus hier hat, ist bis heute einzigartig: Es sind die Nazarethschwestern vom heiligen Franziskus in Goppeln. Am 28. Juni können die 46 Schwestern des Ordens ihr 75-jähriges Jubiläum feiern.

Um 10 Uhr zelebriert Bischof Joachim Reinelt an diesem Tag einen Festgottesdienst mit den Schwestern, um 16 Uhr ist ein Festvortrag mit Prof. Dr. Albert Franz vorgesehen. Um 18 Uhr findet eine feierliche Vesper mit den Schwestern statt.

Interessierte Journalisten sind am 20. Juni um 10.30 Uhr herzlich zu einem Rundgang durch das Haus der Nazarethschwestern in Goppeln eingeladen.

Die Anfänge der Gemeinschaft

Die Ordensgemeinschaft kann auf eine bewegte Geschichte zurückblicken. Maria Katharina Clara Schumacher, die spätere Gründerin des Ordens, wird am 23. April 1887 in Pfaffendorf bei Koblenz als Ältestes von acht Kindern geboren. Mit 22 Jahren schließt sie sich der Gemeinschaft der Schwestern vom Heiligen Geist in Koblenz an, einer Frauenkongregation mit dem Ziel, die harten sozialen Nöte der Zeit zu lindern. Nach einer schweren Lungenerkrankung verlässt sie 1913 auf Anraten ihrer Vorgesetzten die Gemeinschaft.

Sie tritt schließlich in den Dritten Orden des hl. Franziskus ein. Hier erhält sie den Namen Schwester Maria Augustina und leistet in ihrer rheinländischen Heimat wertvolle Arbeit bei der Errichtung einer Hauspflege für Kranke und bei der Familienbetreuung.

Als sie in einer Predigt 1923 von der schwierigen Situation der Kirche im Diasporabistum Meißen hört, das erst zwei Jahre zuvor wiedererrichtet worden war, fühlt sie sich persönlich gefordert. Mit einer Mitschwester reist sie nach Dresden, wo die beiden am 23. August 1923 ankommen. In der Elbestadt helfen sie zunächst bei der Bewirtschaftung des Kolping-Gesellenhauses. Hier lernt Schwester Augustina bei einer Festveranstaltung auch den Bischof des Bistums, Dr. Christian Schreiber, kennen und berichtet ihm erstmals von ihrer Idee, einen Orden zu gründen. Der Bischof berät und fördert die Schwester bei ihrem Vorhaben.

Am 1. Dezember 1923 erhält Schwester Augustina von Bischof Schreiber die Erlaubnis, eine Ordensgemeinschaft zu gründen. Sie und ihre Mitschwester verlassen daraufhin das Kolpinghaus, beziehen eine kleine Wohnung im Sidonienheim in der Portikusstraße, wo sie eine Woche später die Schwesterngemeinschaft “Nazarethschwestern von der Familiencaritas� ins Leben rufen. Hauptsächlich betreuen die Nonnen nun Familien, wenn die Mutter erkrankt ist oder nicht zu Hause sein kann, und pflegen und betreuen Sterbende. Die Schwesterngemeinschaft wächst und mit ihr die Aufgaben. Eine Zeit lang führen sie eine Suppenküche, geben kostenlos Mittagessen an Bedürftige aus, ziehen schließlich in die Ferdinandstraße um, bieten hier Unterkünfte für alleinstehende, erwerbstätige Frauen, betreuen Kleinkinder – und ihre Hilfe richtet sich stets an Menschen aller Konfessionen.

Das Geld ist knapp, doch die Aufgaben der Schwestern verlangen nach mehr Platz für ihre Arbeit. Schwester Augustina entschließt sich zum Kauf eines Anwesens in Goppeln, südlich von Dresden. Dorthin ziehen die Schwestern am 18. Oktober 1925 mit ihren Schützlingen, 23 Säuglingen und Kleinkindern. Nun beginnt Schwester Augustina, unter Mithilfe von Patres aus dem Jesuitenorden, Regeln und Konstitutionen für das Leben der Schwestern-Gemeinschaft aufzustellen: die Voraussetzung, um einen kirchenrechtlichen Status für die Kongregation zu erhalten. Der Apostolische Stuhl billigt die Regeln; Bischof Dr. Schreiber kann am 15. Juni 1928 die Bistumsordensgemeinschaft der Nazarethschwestern vom hl. Franziskus gründen, die bis heute einzige Diözesankongregation des Bistums Dresden-Meißen.

Mutter Augustina wurde erste Generaloberin der Gemeinschaft, der zu diesem Zeitpunkt 33 Schwestern und 13 Postulantinnen (Anwärterinnen) angehörten. Im November des gleichen Jahres wird die neuerrichtete Gemeinschaft in die franziskanische Ordensfamilie aufgenommen. Die Schwestern bauten eine Scheune des Goppelner Anwesens zu einem Kinderheim um. 120 Kinder konnten nun hier untergebracht werden. 1930 erwarben die Schwestern ein weiteres, benachbartes Grundstück, auf dem in den folgenden Jahren ein Altersheim für 18 Personen entstand. 1952 wurde das Anwesen des Mutterhauses nochmals erweitert und umgebaut, im folgenden Jahr konnte ein weiteres Haus als Altersheim eröffnet werden.

Schwierigkeiten in der Zeit des Nationalsozialismus

Die Zeit des Nationalsozialismus nach 1933 und die Schrecken des Zweiten Weltkriegs brachten für die Schwestern schwere Zeiten. Die Nationalsozialisten erhoben ihren Alleinanspruch auf die Kindererziehung, eine konfessionelle Leitung des Säuglings- und Kinderheims in Goppeln sollte nicht länger erlaubt bleiben. Der sächsische Gauleiter wollte das Haus schließen lassen. Da die Nationalsozialisten für die Kinder aber weder anderweitig Unterkünfte besorgen noch eine Finanzierung des Heims unter eigener Leitung garantieren konnten, blieb das Haus schließlich doch unter der Obhut von Mutter Augustina und ihren Mitschwestern.

Die letzte Phase des Zweiten Weltkriegs schließlich trifft die Gemeinschaft besonders hart. Die Bombenangriffe auf Dresden vom 13. zum 14. Februar 1945 kosten sechs Nazareth-Schwestern das Leben; die Arbeitsstätten der Schwestern im Dresdner St. Anna-Heim, dem Sidonienheim und dem Geistlichen Haus in der Schloßstraße werden zerstört. Schließlich wird am 15. Februar 1945 auch Goppeln bombardiert. Im Haus der Schwestern befanden sich zu diesem Zeitpunkt viele Menschen, die mit den Bombardierungen aus der Elbestadt geflohen sind. Die Schwestern evakuieren daraufhin das Kinderheim nach Heidelberg bei Seiffen im Erzgebirge.

Mutter Augustina, die Gründerin des Ordens, stirbt am 8. Mai 1945. Sie sitzt an der Pforte, als ein betrunkener russischer Soldat mit Maschinenpistole an der Eingangstür auftaucht. Er betritt das Kloster, Mutter Augustina eilt, ihre Mitschwestern zu warnen. Der Betrunkene feuert auf die Ordensfrau, die Nonne bricht vor dem Eingang zum Refektorium der Schwestern blutüberströmt zusammen. Glücklicherweise hört auch ein polnischer Zwangsarbeiter, der in der Nähe ist, die Schüsse. Er läuft herbei und überwältigt den Täter. Keine weitere Schwester wird verletzt.

Die Wirren der letzten Kriegstage schließlich verschlagen einige der Schwestern des Ordens nach Breitenbrunn und Peißenberg in Bayern. Niederlassungen, die dort gegründet werden, bestehen bis 1952 und 1959. Von 1946 bis 1950 führen die Schwestern auch ein Kriegsversehrtenheim in Mittelberg im Allgäu.

Die Arbeit der Ordensgemeinschaft

Die Nazarethschwestern waren und sind eine agile Gemeinschaft und ein Leuchtturm des Glaubens. In den 75 Jahren ihres Bestehens haben sie immer wieder neue Anforderungen und Aufgaben auf sich genommen. Es gab Schwestern, die in der Seelsorge, in der Krankenpflege, in Kindergärten, Pfarrbüros, in der Haushaltsführung tätig waren. Von 1929 bis 1975 führten die Schwestern ein Mütter- und Entbindungsheim in Dresden (bis zur Bombardierung der Stadt 1945 in der Reissigerstraße, danach in der Waldparkstraße untergebracht); 19.798 Kinder kamen hier zur Welt. Ab 1975 wurde das Haus zu einem gynäkologischen Krankenhaus. Von 1970 bis 1987 leiteten die Schwestern in Dresden eine Tagesstätte für geistig behinderte Kinder. In Noviand, Diözese Trier, betrieben die Schwestern von 1934 bis 1989 auch ein Altenheim und arbeiteten in der Familien- und Krankenpflege.

Das Kinderhaus in Goppeln führten die Schwestern bis 1991. Nach intensiven Beratungen entschieden sie zu diesem Zeitpunkt, sich künftig vorwiegend um alte Menschen zu kümmern. Das ehemalige Kinderheim wurde umgebaut, 1993 der Grundstein für ein neues Altenheim gelegt, seit 1995 können 84 Heimbewohner in 60 Einzel- und 12 Doppelzimmern ein neues Zuhause finden. Seit Mai 2001 schließlich vervollständigt eine Seniorenwohnanlage mit 23 altengerechten Wohnungen das Anwesen der Schwestern in Goppeln. Die Leitung der Gemeinschaft liegt seit 2001 bei Mutter Maria Huberta Kuttner als Generaloberin.

Der Tagesablauf bei den Nazarethschwestern

Was die Arbeit der Nazarethschwestern prägen soll, formulierte bereits deren Gründerin: Einen einfachen Lebensstil pflegen, die Verborgenheit lieben, ein schlichtes Dienen verwirklichen, offen sein für die Nöte der Menschen, helfend und betend für sie eintreten. Der Tagesablauf der Schwestern beginnt morgens um 5.30 Uhr mit Gebet und Meditation. Es folgt um 6 Uhr das Kirchliche Morgengebet, um 6.30 Uhr feiern die Schwestern Gottesdienst. Dann wird gefrühstückt, ehe um 8 Uhr die Arbeit beginnt. Um 12 Uhr stehen Mittagessen, Gebet und Fürbitten auf dem Programm. Von 14 Uhr bis 14.45 Uhr ist Arbeitszeit, anschließend eine Viertelstunde Gebet. Von 15 Uhr an wird nochmals drei Stunden gearbeitet. Es folgen das Abendessen und um 18.30 Uhr die Vesper, auch der Rosenkranz wird gebetet. Von 19.30 Uhr an haben die Schwestern Zeit, gemeinsam etwas zu unternehmen, ehe um 20.15 Uhr nach dem kirchlichen Nachtgebet, dem Komplet, der Tag beendet wird.
MB
Schwarz-Weiß-Fotos aus Geschichte und Gegenwart der Schwestern sind über die Pressestelle des Bistums erhältlich.


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