Grimma - ein Jahr nach der Flut:

Nach der finanziellen Hilfe nun verstärkt Beratung nötig


Grimma im Sommer 2003
Grimma, 14.08.03 (KPI): Wer in diesem Sommer über den Marktplatz von Grimma geht, kann sich wohlfühlen. Die Sonne lacht vom Himmel, Schaufenster locken zum Einkaufsbummel, Menschen schlendern durch die Straßen. Doch vor genau einem Jahr schwappte hier das Wasser der Mulde an die Haustüren. In der Nacht vom 12. zum 13. August war der Mulde-Pegel von 80 Zentimetern auf 8,30 Meter angeschwollen und hatte die gesamte Altstadt unter Wasser gesetzt. Und wer genau hinschaut, entdeckt hier und dort noch die Spuren der Katastrophe: Straßenpflaster wird erneuert, das Rathaus ist eingerüstet, an einigen Häusern fehlt im Erdgeschoss noch immer der Putz, Außenmauern liegen blank.

Mit 3,7 Millionen Euro hat allein die Caritas im Muldentalkreis den Menschen geholfen. Drei Viertel der Summe kamen Privatleuten zugute, etwa 700.000 Euro gingen an kleine und mittlere Betriebe. Michael Cerczewski vom Hochwasserbüro der Caritas in Grimma hat jetzt vor allem eine Sorge: “Unsere Befürchtung ist, dass mit dem Jahrestag der Flut das Thema vom Tisch ist. Dabei ist noch eine ganze Menge zu tun.� Er gehörte mit zu den Ersten, die den Betroffenen vor Ort halfen, ihr Leben neu in den Griff zu bekommen. Die Strategie der Caritas: Direkt zu den Menschen gehen und mit ihnen die Anträge auf Fluthilfe ausfüllen. Was sich bewährte, so Cerczewski – nicht nur, weil nur in den seltensten Fällen noch eine Schreibmaschine zum Antragstellen aufzutreiben war: “Wenn das ganze Haus weggerissen ist, dann gibt es ja nicht einmal mehr einen Briefkasten, in den man die Formulare einwerfen könnte.�

80 Prozent der eingesammelten Spenden hat die Caritas bis heute verteilt. Anstelle der finanziellen Hilfe für die Betroffenen rückt bei der Arbeit der Mitarbeiter inzwischen die Beratungstätigkeit in den Mittelpunkt. “Wir erleben, dass Menschen wieder in ihre Wohnungen einziehen wollten, und plötzlich feststellen mussten, dass das nicht mehr geht: weil Ölschäden bestehen, Decken und Wände verschoben sind. Andere sind mit dem Wiederaufbau fertig und fallen nun in ein richtiges Loch, werden depressiv. Da ist psychosoziale Nachsorge wichtig.“ Viele Menschen litten zudem noch immer unter den Erinnerungen an die dramatischen Ereignisse im letzten August. „Manche – und nicht nur die Älteren – bekommen Angst, wenn es zu regnen anfängt.“

In der katholischen Pfarrkirche St. Trinitatis der Muldestadt steht Pfarrer Bosco Marschner. Die Kirche ist frisch gestrichen, die Sitzbänke sind neu. Auf einer Tafel über Kopfhöhe zeigt der Seelsorger, bis wohin das Wasser im Gotteshaus gestanden hat. Sein Vorgänger musste seinerzeit mit dem Schlauchboot von der Empore gerettet werden. „Wir sind zufrieden über die Unterstützung, die wir erhalten haben“, sagt Pfarrer Marschner. „Auch wenn viel Papierkrieg hinter uns liegt und manches nur schleppend voran ging.“ 460.000 Euro Spendengelder wurden allein über seine Pfarrei verteilt. Aber neben der finanziellen Hilfe hat Pfarrer Marschner auch unmittelbare Hilfe erlebt. Kontakte wurden geknüpft, die noch heute bestehen. „Die Pfarreien aus Borna und Leipzig-Gohlis waren mit die Ersten, die uns zu Hilfe kamen“, erzählt er. „Die Klappstühle, die wir von dort geborgt bekommen haben, hatten wir bis vor einem Vierteljahr.“ Auch die Beziehungen zu einer Pfarrei aus Bad Hönningen, die zur Flutzeit unmittelbar vor Ort mit anpackte, bestehen bis heute. Erst vor zwei Wochen waren die Ministranten beider Pfarreien gemeinsam in Rom.
Michael Baudisch


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