>>Der neunte Tag<<: Sondersendung des Bayerischen Fernsehens

Mit Prälat Hermann Scheipers und Volker Schlöndorff


Dresden, 18.11.04: Volker Schlöndorffs neuer Film „Der Neunte Tag“ greift den Fall des Luxemburger Pfarrers Jean Bernard auf, der als Insasse des Konzentrationslagers Dachau neun Tage „Urlaub vom KZ“ erhält. Die Gestapo will ihn dadurch in dieser Zeit auf ihre Seite ziehen. Verrat und Freiheit oder sicherer Tod im Lager lautet die zynische Alternative, vor die er und sein Gewissen gestellt werden. Eine Entscheidung auf Leben und Tod – neun Tage, die nicht nur Jean Bernard in seinen Grundfesten erschüttern, die nicht nur über sein Schicksal, sondern auch über das seiner Mitbrüder im KZ und seiner Angehörigen entscheiden werden. Auge in Auge mit dem Gestapo-Chef von Luxemburg und seinen eiskalt kalkulierten Argumenten wird der Pfarrer immer wieder in Versuchung geführt, um seinen inneren Widerstand und seinen christlichen Glauben zu brechen, und muss dann am neunten Tag bekennen, auf welcher Seite er steht.

Prälat Hermann Scheipers, Priester des Bistums Dresden-Meißen, ist vermutlich der letzte noch lebende Zeitzeuge aus dem berüchtigten Priesterblock im KZ-Dachau, in dem Geistliche aller Konfessionen und Länder zusammengeführt wurden. Er – die KZ-Nummer 24255 - kannte nicht nur Jean Bernard aus dem Pfarrer- und dem Invalidenblock.
Durch das engagierte Auftreten seiner Zwillingsschwester Anna im Reichssicherheitshauptamt in Berlin, wo sie kühn behauptete, im Münsterland wisse man von den Zuständen im KZ Dachau und sei wegen der Vergasung von Priestern in Aufruhr, rettete sie nicht nur ihrem Bruder das Leben, sondern auch viele andere Priester – auch Luxemburger – vor dem drohenden Tod.

Im ehemaligen KZ-Dachau wurde Hermann Scheipers aus Ochtrup von Vertretern des Bayerischen Fernsehens nach seinen Eindrücken befragt. Beteiligt waren ferner der Regisseur und Oskar-Preisträger Volker Schlöndorff, der Berliner Produzent Prof. Jürgen Haase (Provobis-Film) und der Jean Bernard alias Abb� Kremer im Kinofilm „Der Neunte Tag“ darstellende Schauspieler Ulrich Matthes.
Am Tag der Weltpremiere des Filmes „Der Neunte Tag“ erinnert sich Prälat Hermann Scheipers in Dachau an jedes Detail seiner Haftzeit im KZ, in dem er, Abb� Jean Bernard, und etwa 3000 weitere vorwiegend katholische Priester (u. a. der inzwischen selig gesprochene Karl Leisner) ständig nationalsozialistischer Willkür, Terror, Schikanen, Entbehrungen und immer den Tod vor Augen ausgeliefert waren, wie auch alle anderen KZ-Insassen. Allein im KZ Dachau wurden 1.700 Priester – oft ohne Anklage oder Gerichtsprozess - umgebracht bzw. nach Linz in Österreich zur Vergasung transportiert. Sie waren für die KZ-Nazis ehrlos, wehrlos und rechtlos und wurden folglich danach unmenschlich behandelt.

Aus den Archiven des BR werden dazu Zeitdokumente zitiert: Aufnahmen, mit denen die alliierten Befreier dokumentierten, wen und was sie in Dachau vorfanden. Darüber berichtete der Bayerische Rundfunk in Form einer viertelstündigen Sondersendung am 11. 11. in seinem Fernsehprogramm „Kino Kino“.

Der Luxemburger Abb� Jean Bernard entkam auf neun Tage Urlaub diesem menschenunwürdigen Grauen. Aus seiner Biografie (gerade in 3. Auflage neu herausgegeben unter der ISBN-Nr. 2 – 87963 – 286 -2 veröffentlicht) heraus entsteht eine spannende Geschichte, die Volker Schlöndorff in seinem neuesten Spielfilm erzählt, der ihn sieben Jahre gründliche Vorbereitung kostete. Sein Thema ist der Kampf des Gewissens gegen die Versuchung. Nur wenig Zeit bleibt dem Abb� (s)eine Entscheidung auf Leben und Tod zu fällen.

Schlöndorff entwickelte so aus dem historisch verbürgten Fall ein eindringlich bewegendes Drama über den Gewissenskonflikt eines Einzelnen in Zeiten existentieller Bedrohung. Ein packendes Duell. Dabei konzentriert er sich auf den überzeitlichen, immer aktuellen Entscheidungsprozess: Wie kann man die extremsten Entscheidungen treffen, die sich ein Mensch in seinem Leben vorstellen kann? Wer und was hilft ihm dabei? Welche Entscheidungshilfen kann der Glaube geben?

Aufmerksam geworden auf den Zeitzeugen aus Ochtrup zum Thema Glaubenszeugnis, Gewissenskonflikt und Widerstand im Nationalsozialismus waren der Produzent und der Regisseur durch den von Benno Hörst initiierten Film „Dir gehört mein Leben – Die Geschichte von Anna und Hermann Scheipers. Zivilcourage und Gottvertrauen unter zwei Diktaturen“, der inzwischen von vielen Fernsehsendern ausgestrahlt wurde und von weit über einer Million Zuschauer gesehen wurde. Und durch die damit einhergehende Autobiografie über das Leben von Hermann Scheipers „Gratwanderungen: Priester unter zwei Diktaturen“. Das Buch wurde im St. Benno Verlag erst vor einigen Monaten in 4. Auflage neu aufgelegt und ist noch im örtlichen Buchhandel erhältlich.


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