Hirtenwort von Bischof Joachim Reinelt zur Osterzeit 2004

Dresden, April 2004


Bischof Joachim Reinelt
Liebe Schwestern und Brüder,

in den Tagen, da Hass und Rache einen grausamen Terror auf der Welt heraufbeschworen haben und so unschuldige Menschen ihr Leben verlieren, wollen wir uns bewusst von Neuem auf die Seite unseres Gottes stellen, der das Leben will.

Der 1250. Todestag des Missionars der Deutschen, des heiligen Bischofs und Märtyrers Bonifatius, ist für uns Anlass zu einer Diözesanwallfahrt nach Wechselburg. Dort wollen wir uns an der Stätte des weltberühmten romanischen Triumphkreuzes vom Sieger über alles Böse zu einem neuen pastoralen Schwung ermutigen lassen.
Es ist an der Zeit, da das Sinnlosigkeitsgefühl jährlich in Deutschland 13.000 Menschen in den Selbstmord treibt, jährlich 40.000 durch Flucht in den Alkohol zu Tode kommen, 800.000 Menschen Medikamentenmissbrauch als Rettungsanker sehen und in den Städten die Hälfte der Ehen zerbricht, nun endlich als Christen aufzuwachen und das Evangelium des Lebens neu zu verkünden. Wir können unmöglich zusehen, wenn unsere Mitmenschen an der inneren Leere seelisch zugrunde gehen. Die rettende Osterbotschaft ist nicht nur für eine christliche Elite bestimmt, sondern für alle Menschen. Deshalb haben wir uns nach Gesprächen mit Priestern und Laien und ersten Erfahrungen in einigen unserer Gemeinden zu einem dreifachen pastoralen Impuls entschlossen.

1. Unsere Kerngemeinden nutzen die Chance, glaubwürdiger zu werden.

2. Die weniger aktiven Gemeindemitglieder sollen in ihrem Bewusstsein gestärkt werden, zur Kirche zu gehören. Wir wollen von Neuem mit ihnen Kontakt aufnehmen.

3. Die vielen Menschen in unserem Land, die nach Orientierung und Lebenssinn suchen, aber unseren Glauben nicht kennen, sollen den einzelnen Christen und die Kirche offen und zugänglich erleben. Wir wollen mit ihnen in einen intensiveren Dialog eintreten.

Zum Ersten: Die Vertiefung des Glaubens der Kerngemeinde:

Der heilige Bonifatius und andere Ordensleute waren vor 1.300 Jahren von der christlichen Osterbotschaft so begeistert, dass es sie von England auf das Festland drängte, um den Glauben an den gekreuzigten Auferstandenen den heidnischen Völkern weiterzugeben. Ohne diese Begeisterung, das Feuer des Heiligen Geistes, wäre der Funke des Glaubens damals nicht übergesprungen und wird das auch heute nicht geschehen. Eine müde gewordene Gemeinde wird missionarisch nichts bewegen.

Sie ist wie ein Motor, der leer läuft. Man tritt auf der Stelle. Irgendwann geht dann auch noch der Sprit aus (Spiritus = Geist). Deshalb muss jeder von uns zurück an die Quellen. Die entscheidende gemeinsame Quelle ist und bleibt die Eucharistie. Sonntag, Feiertag und Eucharistie sind für einen lebendigen Christen untrennbar miteinander verknüpft. Wer das aufgibt, wird müde und unbrauchbar für den gemeinsamen Weg.

Eine missionarisch wirkende Gemeinde muss den Glauben aber auch genau kennen. Katechetische Bildung ist daher auch für Erwachsene unverzichtbar. Tiefere Einsichten in das Wort Gottes und die Glaubenslehre haben für uns oft auch zündenden Charakter. Freude am Glauben wächst aus tieferer Erkenntnis. Oberflächlicher Glaube wird langweilig.
Die Vertiefung des Glaubens geht einher mit dem Durchbeten der Glaubensgeheimnisse. Betend feiern wir unseren Glauben. Liebend leben wir ihn. Stufe um Stufe wird uns der Heilige Geist auf ein höheres Niveau heben, wenn wir uns in Pfarrgruppen oder geistlichen Gemeinschaften der Größe und Schönheit der von Gott geschenkten Wahrheiten neu öffnen.

Meine Vision vom Bistum Dresden-Meißen ist: Im Glauben froh gewordene Christen, die nicht schweigen können von dem, was sie gehört und gesehen haben.
Schöpfen wir deshalb die wunderbaren Angebote Gottes aus. Versuchen wir es so, wie der große Kirchenlehrer Thomas von Aquin gesagt hat: „Nichts gelingt gut, außer man vollbringt es mit Freude.“ Wir werden unseren Gemeinden für diesen katechetischen Prozess Hilfen anbieten. Durch die Charismen, die der Heilige Geist den Gemeinden gibt, werden auch katechetische Frauen und Männer aus den Gemeinden und Gemeinschaften euren katechetischen Weg unterstützen können. Ruft sie euch. Keine Gemeinde kann alles allein. Dem Austausch der Glaubenserkenntnisse und der Glaubenserfahrungen kommt hoher Stellenwert zu. Jeder kann andere etwas lehren, jeder kann von anderen lernen. Was Gott uns durch seinen Geist gegeben hat, gehört immer auch den Anderen.

Zum Zweiten: Unsere Gemeindemitglieder, die kaum noch aktiv am Gemeindeleben teilnehmen, sollen wissen, dass sie trotzdem zu uns gehören.

Taufe und Firmung verbinden uns für das ganze Leben untrennbar zu einer Familie. Daran sollen alle Gemeindemitglieder regelmäßig erinnert werden. Besondere Gelegenheiten dazu sind Besuche, Einladungen zu unseren Festen und besondere Unterstützung in leiblichen oder seelischen Notlagen. Sehr bedeutsam ist, dass Menschen, die in unseren Gemeinden einen neuen Anfang machen wollen, nicht einer arroganten Skepsis der Aktiven begegnen, sondern jederzeit von den Kerngemeinden herzlich aufgenommen werden.

Drittens:
Am schwierigsten ist es, die Schwelle zu den Menschen zu überschreiten, die nicht getauft sind.

Die Erfahrungen zeigen, dass unsere nichtkirchlichen Mitbürger viele Fragen haben, die hilfreich nur aus dem Glauben beantwortet werden können. Es ist aber für die anderen nicht so leicht, uns als Christen zu erkennen und für uns ist es nicht einfach, auf sie zuzugehen. Der überzeugendste Weg zueinander ist vor allem die Glaubwürdigkeit des Christen. Echte Überzeugung provoziert zum Fragen. Statt der Anpassung brauchen wir Mut zum Kontrast. Die christliche Sicht von den Dingen und Geschehnissen wird häufig besser angenommen, als wir meinen. Die Bekehrungsgeschichten der nicht wenigen neu getauften Erwachsenen zeigt uns, dass besonders die Provokation der Liebe, die von Gott kommt, die Herzen der Menschen erreicht. Auf jeden Fall ist der Rückzug der Kirche auf sich selbst nicht akzeptabel.

Wir werden bei der Bistumswallfahrt am Sonnabend, dem 5. Juni in Wechselburg und schließlich auch in unseren Gemeinden die Frage stellen, wie und wann wir diese drei Schritte angehen. Wir beten darum, dass uns der Heilige Geist einen neuen Schwung gibt.
Gott gebe es, denn er hat uns im Buch der Offenbarung gesagt: „Wer meine Stimme hört und die Tür öffnet, bei dem werde ich eintreten und wir werden Mahl halten, ich mit ihm und er mit mir.“ (Off 3,19-20).

Bischof Joachim Reinelt, Bischof von Dresden-Meißen


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