Prälat Scheipers auf Lesetour im Bistum unterwegs

Ende Januar 2004

Wurzen, 28.01.04: Prälat Hermann Scheipers war in den vergangenen Tagen erneut im Bistum Dresden-Meißen unterwegs, um in einigen Gemeinden sein autobiografisches Buch „Gratwanderungen“ vorzustellen, das jetzt in vierter Auflage im Leipziger St.-Benno-Verlag erschienen ist. Für ihn ist es ein besonderes Anliegen, über die Gräuel zu informieren, die er und andere während der Zeit des Nationalsozialismus erlitten haben. Damit verbunden ist seine Hoffnung, dass die jüngeren Generationen aus der Vergangenheit lernen und nicht erneut auf totalitäre Systeme hereinfallen, die Menschen in Unfreiheit und Leid stoßen.

Ein Leben voller Zurückhaltung, Pflichterfüllung und Gottvertrauen reichte aus, um gerade deshalb immer wieder mit der NS-Diktatur in Konflikt zu geraten. So hatte der aus Ochtrup stammende Priester schon als junger Kaplan im Bistum Meißen wiederholt Gelegenheit, gegen Intoleranz, Diskriminierung und staatliche Willkür anzukämpfen, was dem Seelsorger allzeit mit Mut, Gottvertrauen und Zivilcourage gelang. Gefängnis und Haft im Konzentrationslager Dachau waren die Folge – ohne Anklage oder Gerichtsurteil.

Im KZ Dachau waren durchschnittlich 12.000 Häftlinge interniert, davon 3.000 Priester aus verschiedenen europäischen Ländern. Scheipers schildert nicht nur manche Gräuel sondern auch von Erleichterungen, wie ein eigener Priesterblock und die Errichtung einer Kapelle durchgedrückt wurden. Heimlich gelang auch die Priesterweihe des Märtyrers Karl Leisners, an der er teilnahm. Immer wieder schwebte Scheipers in unmittelbarer Todesgefahr. Ein tschechischer Kapo half, ihn aus der Abteilung für medizinische Versuche zu erlösen. Seine Zwillingsschwester Anna rettete nicht nur ihn, sondern über 500 Priester vor dem Gang in die Gaskammer durch eine unglaublich gefährliche Rettungsaktion, geprägt durch ein hohes Maß an Geschwisterliebe und Zivilcourage. Die abenteuerliche Flucht aus der Hölle im KZ Dachau in die Freiheit gelang ihm beim Todesmarsch zur Evakuierung des Lagers und ist eine Odyssee für sich.

Es war nahezu folgerichtig, dass der unbeugsame Christ nach dem Krieg als Seelsorger des Bistums Dresden-Meißen in der DDR wieder mit dem Regime in Konflikt geriet. Während dieser Zeit spürte Scheipers immer wieder hautnah Konfrontation und die Umarmungstaktik der Staatsmacht. Zwischen 1970 und 1974 waren über 15 Stasi-Spitzel auf ihn angesetzt. Der SED-Staat wollte dem unbequemen, unerschrockenen und unbeugsamen Seelsorger trotz seiner antifaschistischen Vergangenheit den Prozess machen. Der kam allerdings allein aus staats- und kirchenpolitischen Erwägungen heraus nicht zustande.

Zwangsläufig beschäftigt sich Scheipers als Zeitzeuge in seinem fast zweistündigen Vortrag auch mit dem Verhalten der christlichen Kirchen zu den beiden großen Diktaturen, die das 20. Jahrhundert und auch seinen Lebensweg prägten. Es gab viele „Gemeinsamkeiten“, auch wenn SED und NSDAP sowie nationalsozialistischer Völkermord und SED-Diktatur nicht ohne Weiteres miteinander verglichen werden können.

Die Gemeinderäume waren meist zu klein, um dem Zuhörerinteresse gerecht zu werden. Scheipers musste in Wurzen und in Meißen in Kirchengebäude (wie hier in St. Benno Meißen) ausweichen. In Hubertusburg fand die Veranstaltung im Ovalsaal oberhalb des Haupteinganges und der Kirche statt. Durch seine Berichte will er erreichen, dass die Menschen aus Fehlern der Vergangenheit lernen.

Bericht und Foto: Benno Hörst


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