Fastenhirtenwort von Bischof Joachim Reinelt

im Jahr der Eucharistie 2005


Liebe Schwestern und Brüder,

ein junger Soldat, der im Auslandseinsatz eingesetzt war, schrieb seiner Frau einen Brief, der uns zu denken gibt. Sie hatte ihm ein Gebäck geschickt, das nur gelang, wenn sie all ihre Kochkünste mit jener Liebe verknüpfte, die nach alter Weisheit auch durch den Magen geht. Als er das kleine Kunstwerk aus dem Päckchen hob, sah er sie lebendig vor sich mit ihren fröhlichen Augen und schrieb ihr einen Dank. Darin hieß es: „... Ich habe deine Liebe gegessen. ...“ Mich hat sehr berührt, dass ich die gleichen schönen Worte nach jeder Kommunion beten könnte. „Ich habe deine Liebe gegessen.“ Tatsächlich erkennt man hier eine Parallele zwischen dem Sakrament der Eucharistie und dem Sakrament der Ehe.

Jeder Mensch hungert nach Zärtlichkeit und Anerkennung. Er sehnt sich nach guten Worten, nach Augen, die ihn anschauen und ihm sagen, du bist mir wichtig, ich brauche dich, ich achte dich, ich kann nicht sein ohne dich. In einer lebendigen Ehe bringen das die Partner gegenseitig zum Ausdruck.
In der Eucharistie wird uns der Hunger nach Zärtlichkeit und Anerkennung von Gott selbst direkt beantwortet. Er schaut mich an. Er umarmt mich. Er schenkt sich mir. Er sagt mir, du bist mir wichtig, ich brauche dich.
Wieder zeigt sich, dass es eine große Ähnlichkeit zwischen Ehe und Eucharistie gibt. Deshalb versteht sich Kirche als Braut und sieht Jesus Christus als Bräutigam. Der Apostel Paulus sagt: „Ihr Männer liebt eure Frauen, wie Christus die Kirche geliebt und sich für sie hingegeben hat.“ (Eph 5, 25).

Paulus nennt die Bindung der Eheleute „ein tiefes Geheimnis“ und fügt hinzu: „Ich beziehe es auf Christus und die Kirche.“ (Eph 5,32). Diese Verknüpfung beider Sakramente ist in der Geschichte der Kirche für viele hervorragende Ehen die Grundlage für ein erfülltes Familienleben gewesen. Erst kürzlich wurden Eheleute selig gesprochen, von denen die Schriftstellerin und Publizistin Maria Di Lorenzo sagte: „Sie haben ein intensives eucharistisches Leben geführt. Wie die Pflanzen vom Licht leben, so tranken sie aus der Quelle der Eucharistie.“ Und welche erstaunlichen Früchte erwachsen aus solchen Ehen! Theresia von Lisieux, die mit ihren geistlichen Impulsen die gesamte Weltkirche beeinflusst hat, hatte solche Eltern. Die Kinder waren offensichtlich tief davon geprägt, dass ihre Eltern täglich an der Eucharistiefeier teilnahmen. Aber hören wir auch, wie ein Schwerverbrecher, der sich im Gefängnis zum Glauben an den eucharistischen Herrn durchrang, bis in die Tiefe des Geheimnisses der Eucharistie geführt wurde: „Ich ging in die Gemeinschaft �Brot des Lebens�. Da war gerade Aussetzung des Allerheiligsten, Anbetung. Da habe ich Blumen gekauft und habe gesagt: Gebt mir mal bitte ein bisschen Zeit, ich möchte mich bei Gott bedanken. Ich war allein vor dem Allerheiligsten und da sagt Gott zu mir: �Merkst du was, Torsten? Du hast den Frieden in dir!� Da schoss mir diese Erkenntnis durch den Kopf: Egal, wo du bist, ob du auf der Müllhalde lebst oder im Hilton-Hotel, solange du Gott im Herzen hast ... Das ist der Mittelpunkt. Er gibt dir den Frieden und auch Sicherheit. Das war eine schöne Erkenntnis.“ (aus �Ankunft im Leben� S. 61, St.-Benno-Verlag)

Eucharistie hat eine unwahrscheinliche Kraft. Du musst dich nur öffnen, du musst mit Jesus reden wie dieser Mann im Gefängnis. Schon die Anbetung vor der Monstranz hat bei ihm alles verändert. Er sah plötzlich alles neu und bekennt in seiner Bekehrungsgeschichte: „Das Leben ist schön mit Gott.“
Die Eucharistie bewirkt ja Einswerden mit Gott. Gott ist in mir und ich bin in ihm. Kann Größeres geschehen? Ich werde eingebunden in die große Gemeinschaft des Volkes Gottes, wie der Priester im dritten Hochgebet spricht: „Du versammelst dir ein Volk, damit deinem Namen das reine Opfer dargebracht werde, vom Aufgang der Sonne bis zum Untergang.“ In dieser Verbundenheit, in diesem Bündnis beginnt die wahre Zukunft. Wer nicht dabei ist, verpasst sehr viel, denn es geht darum, dass Gott uns in sich verwandelt.

Manchmal sind solche massiven Aussagen unverständlich, schwer zugänglich. Wir sollten in unseren Gemeinden wieder die Hauskreise fördern, um uns gegenseitig die Kernpunkte unseres Glaubens durch Meditation und geistliche Erfahrung umfassender zu erschließen. „Gemeinden im Aufbruch“ leben vom geistlichen Austausch. Besonders unsere Eltern sind eingeladen, sich für ihre Aufgaben an den Kindern und gegenüber dem Partner zu stärken. Alleingang ist unnötige Belastung. Hauskreise können auch für Außenstehende einladend sein. Bisweilen helfen „Neue“ den „alten Hasen“ auf den Grund der Dinge vorzustoßen. Auf jeden Fall kann in solchen Kernkreisen der Gemeinde die Wirkung des Sakramentes der Eucharistie zum Tragen kommen. Wir müssen in Gemeinschaft versuchen, die verwandelnde Kraft der Sakramente bewusster zu erfassen.

Als der berühmte Kirchenlehrer Augustinus seine Verwandlung in Gott zu begreifen begann, machte er am Altar in Dankbarkeit eine stürmische Kniebeuge. Da meinte Augustinus einen scharfen Ruf zu hören: „Augustinus, du irrst dich. Nicht für dich wirst du verwandelt. Ich verwandle dich, damit du ein liebendes Herz wirst. ...“ „Ja, Herr.“ antwortete Augustinus erschrocken. „Ein liebendes Herz für alle.“ „Ja, Herr.“ „Ein gütiges Herz.“ „Ja, Herr.“ „Ein Herz, das Frieden sucht und Frieden stiftet.“ „Ja, Herr.“ Augustinus sah flehend auf das geheiligte Brot. Nun wusste er, was der Herr von ihm erwartete, und er sprach: „Herr, ich bin nicht würdig, dass du eingehst in mein Herz. Aber sprich nur ein Wort, und meine Seele wird gesund.“

Deshalb beten wir alle, vom Papst bis zum gerade Neubekehrten: Herr, ich bin nicht würdig.
Keiner von uns hat ein Recht auf Eucharistie. Sie ist ein reines Gnadengeschenk, und es kann schon Tage geben, da wir nicht hinzutreten sollten, weil das gütige Herz, das liebende Herz, das Herz, das Frieden sucht, erst noch in Bewegung kommen muss. Es geht nicht ohne Reue und Umkehr. Die Beichte ist kein Luxusartikel. Jeder von uns braucht sie. „Herr, sprich nur ein Wort: Ich spreche dich los.“ So kann ich hinzutreten und jenes bräutliche Wort sprechen, wie es der Soldat an seine Frau schrieb: Ich habe deine Liebe gegessen, Herr.

So segne euch der gütige Gott,
der Vater, und der Sohn und der Heilige Geist.
Amen.

Bischof Joachim Reinelt
Bischof von Dresden-Meißen

Dresden, am Fest des Heiligen Antonius des Einsiedlers 2005


link


Zurück Impressum