"Kommen se ran hier" - Junge Litauer erkunden zu den "Tagen der Begegnung" Zwickau

am 11. August 2005


Es ist Weltjugendtag in Deutschland, und auch in die Region in und um Zwickau sind junge Pilger aus einem halben Dutzend Ländern zu den „Tagen der Begegnung“ angereist und lernen heute ihre Umgebung kennen.

Zwickau, 11.08.05 (KPI): Es ist Ferienzeit und trotzdem: die Turnhalle der Nikolaigrundschule in der Katharinenstraße ist an diesem Morgen gut gefüllt. Der Grund: Es ist Weltjugendtag in Deutschland, und auch in die Region in und um Zwickau sind junge Pilger aus einem halben Dutzend Ländern zu den sogenannten „Tagen der Begegnung“, quasi dem ersten Teil des Treffens, angereist. Die Zwickauer Pfarrei St. Johann Nepomuk hat 64 litauische Jugendliche zu Gast. Am Montag kommender Woche wollen sie weiter nach Köln reisen, den Papst sehen. Doch bis dahin steht erst einmal die Robert-Schumann-Stadt auf dem Programm.

In der Turnhalle in der Katharinenstraße steht Pater Andreas Hohn (40) auf einer kleinen Bühne und rudert mit den Armen. Vor ihm blinzeln müde Jugendliche mit zusammengekniffenen Augen in den Tag. 18 Stunden lang waren sie mit ihrem Bus von Litauen aus unterwegs, eben sind sie eingetroffen. Pater Hohn lädt mit Helfern seiner Gemeinde zum Frühstück ein, verteilt Teilnehmerausweise, stellt das heutige Programm vor. Ein junger Diakon aus Litauern – eine randlose Brille auf der Nase - dolmetscht. „Kennen lernen der Region steht heute auf dem Tagesplan“, sagt Pater Hohn. „Die jungen Gäste können entweder eine Führung durch das Technikum der Hochschule mitmachen, Horchmuseum und VW-Werk besichtigen. Oder sie verschaffen sich auf einer Tour durch die Stadt einen geschichtlichen Überblick.“

Dafür ist zunächst Helmut Rontschka (78), pensionierter Lehrer, zuständig. Mit seinen schneeweißen Haaren scheint er auf den ersten Blick so gar nicht in die Runde der Jugendlichen zu passen. Doch als er gehört hat, worum es geht, wollte er mithelfen. „Weltjugendtag - das ist eine feine Sache“, meint er und erzählt von Erinnerungen an einen Katholikentag in den 50er Jahren in Berlin. Damals war er noch mit dem Fahrrad hingefahren. „Die Gemeinschaft, die wir dort erlebt haben, blieb im Gedächtnis haften“, sagt er. Also will er heute den jungen Litauern seine Stadt zeigen. „Kommen se ran hier“, sagt er und zieht seinen Dolmetscher, den jungen litauischen Diakon mit sich.


Das Wetter ist trüb, doch Helmut Rontschka ist in Form. Er erklärt Theater und Rathaus. Er erzählt die Geschichte des Domturms, der genau so auch in Riga und Hamburg steht. Und er zeigt die netten Kleinigkeiten, über die man sonst leicht hinwegläuft: den Stadtplan von Zwickau im Pflaster, die Kanonenkugel aus Napoleons Zeiten in der Hauswand. Augustinas (17), einer der jungen Litauer, hört aufmerksam zu. Warum er mit zum Weltjugendtag fährt? „Ich will den Papst sehen“, sagt er. Und natürlich nette Leute kennen lernen. „Unsere Gastgeber hier sind ja alle sehr freundlich“, sagt er. Agne Gainaiti (22), Studentin aus Litauen, meint: „Weltjugendtag ist etwas Besonderes. Ich mag es, wenn viele Leute zusammenkommen, die ähnlich denken und fühlen wie ich selbst.“

Mit den Litauern sind aber auch junge Deutsche unterwegs durch die Stadt. Isabel Bujotzek (22), Psychologiestudentin, hat Semesterferien. „Ich war 2000 schon beim Weltjugendtag in Rom dabei. Da habe ich mir gedacht, wenn das in Deutschland ist, musst du mithelfen.“ Also will sie als Dolmetscherin in ihrer Heimatpfarrei zur Verfügung stehen, ehe sie gemeinsam mit 120 einheimischen Jugendlichen aus der Region selbst zum Treffen an den Rhein fährt. Und ihre Freundin Christiane Pechmann (20) sagt: „Heute oder morgen Abend werden wir uns erst mal ein paar von den Gästen schnappen und durch die Kneipen ziehen.“ Am meisten freuen sie sich während der Tage der Begegnung auf den Sonntag. Dann ist ein Fest in der Gemeinde geplant. Bands sind organisiert, ein Feuerschlucker und die Funkengarde werden auftreten. Und auch die litauischen Gäste sollen eine Überraschung vorbereitet haben - haben sie gehört.

Der junge Diakon aus Litauen hat inzwischen einen Moment Pause beim Übersetzen. Die Gruppe ist in den historischen Priesterhäusern angekommen. Hier übernehmen Schülerinnen aus dem Peter-Breuer-Gymnasium das Dolmetschen ins Englische. „Ich mache das freiwillig“, betont Fanny Siegel (16) aus der 10. Klasse, die sich eigens dafür vorbereitet hat. „Dolmetschen - das wäre nichts für mich“, sagt Raphael Kürzinger (38), einer der Hauptorganisatoren der Pfarrei. Er hat sich lieber um konkretere Probleme gekümmert: Übernachtungsquartiere bei Familien besorgen, Biertisch-Garnituren von der Freiwilligen Feuerwehr und dem katholischen Kindergarten borgen, die Turnhalle anmieten, da das Pfarrzentrum gerade umgebaut wird. „Wir hatten allerdings eine sehr gute Zusammenarbeit mit den Vertretern der Stadt“, sagt Kürzinger, „das hat vieles leichter gemacht.“ Oberbürgermeister Dietmar Vettermann und Landrat Christian Otto haben die Schirmherrschaft über die „Tage der Begegnung“ in der Region Zwickau übernommen. „So bekommen wir für die internationalen Gäste freien Eintritt in die städtischen Kultureinrichtungen oder auch für das Hallenbad“, freut sich Kürzinger, der von Beruf Referent des Oberbürgermeisters von Reichenbach ist. Nun opfert Kürzinger seinen Urlaub gerne für die „Tage der Begegnung“. „Macht ja auch Spaß“, sagt er.

Nach den Priesterhäusern steht der Gang auf den Turm der St. Marien-Kirche auf dem Programm, und etwas erschöpft tritt der litauische Diakon wieder nach vorne. Doch jetzt kann es ja nicht mehr lange bis zum Mittagessen dauern, und am Nachmittag steht nur noch ein Besuch in der Ratsschulbibliothek an. Dann soll der Abend mit gemütlichem Beisammensein in der Turnhalle ausklingen. Doch für morgen ist handfeste Arbeit angesagt. Dann sollen in dutzenden Projekten gemeinnützige Dienste geleistet werden: Bänke streichen in der Stadt zum Beispiel steht auf dem Programm oder das Anlegen eines Duft-, Sinnes- und Erlebnisgartens neben der Lukaswerkstatt.
Michael Baudisch

Fotos zum Text sind kostenfrei über die Pressestelle erhältlich, Telefon 0351 / 3364 720.

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