Strahlkraft des Weltjugendtages hat viele Gründe

Prälat Hermann Scheipers im Gespräch mit Jugendlichen aus aller Welt über Glaubenszeugen aus dem Bistum Dresden-Meißen


Hermann Scheipers bei einem Besuch 2003 in Dresden
„Wir Christen wollen keinem anderen Stern als dem von Bethlehem folgen“, diese öffentlich ausgesprochene Botschaft von Joachim Kardinal Meisner (damals als Bischof in Ost-Berlin) am 12. Juli 1987 während des Festgottesdienstes beim ersten Katholikentreffen in Dresden war mutig. Jeder Teilnehmer verstand sofort die damit verbundene deutliche Anspielung auf den Roten Stern in Moskau. Der spontane öffentliche Beifall überraschte die Besuchergruppe aus dem Kreisdekanat Steinfurt, die überhaupt nur mit sehr viel List die politischen Hürden überwinden und als einzige Gruppe aus der Bundesrepublik an diesem einmaligen Glaubensfest und der sehr herzlichen Begegnung inoffiziell teilnehmen konnte. „Gottes Macht – unsere Hoffnung“ lautete das Motto des Katholikentreffens - und derartige erfrischende wie wortgewandte Anspielungen ähnlicher Art wie die von Kardinal Meisner gab es viele in Dresden: Die tief beeindruckende Exodusfeier der Jugend stand damit unter dem Leitwort: Der symbolisch gemeinte Auszug der Israeliten durch das Rote Meer als Aufbruch für ein erwünschtes Heilsereignis. Die damit verbundenen Erniedrigungen und langjährigen Entbehrungen in der Wüste, um in die Freiheit zu gelangen, konnten so indirekt angesprochen werden und jeder verstand die zentralen Aussagen sofort. Pfarrer Hermann Scheipers, der viele Jahre als Seelsorger in seinem Heimatbistum Dresden-Meißen tätig war und von der Stasi bedrängt und verfolgt wurde, war der einzige Priester aus dem Westen, der an diesem Abend vor der Dresdener Kathedrale und großem Publikum sprechen durfte.

Einzelne Parallelen drängen sich jetzt beim Weltjugendtag auf, auch wenn die politische Landschaft sich stark verändert hat. Der Stern von Bethlehem ist nach wie vor das weltweit bekannte Symbol für die drei Heiligen Könige, deren Reliquienschein im Kölner Dom verehrt wird und ein wichtiges Ziel der Domwallfahrt aller Weltjugendtagsteilnehmer ist. Die damit verbundene Wegweisung, Gefolgschaft und Strahlkraft trifft diesmal Jugendliche aus aller Welt, wie es die freudige Stimmung auf dem beeindruckenden Glaubensfest und Ort der herzlichen Begegnung in Köln vermittelt.

Auch Prälat Hermann Scheipers aus Ochtrup ist wieder eingeladen. Wie damals schildert der inzwischen zweiundneunzigjährige Priester als einer der letzten Zeitzeugen im Geistlichen Zentrum, wie er mit Gottes Hilfe aus dem christlichen Glauben heraus unter den Nazis Widerstand geleistet und dabei Mauern übersprungen hat. Mit seinen Mahnungen gegen Verlockungen politischen Radikalismus jeglicher Seite verbindet er immer wieder den Aufruf zum christlichen Zeugnis in Freiheit. Trotz ungeheurer Leiderfahrung ruft er als Zeuge für die Frieden stiftende Kraft des Christentums zur Versöhnung auf. Eine zentrale Botschaft auch der Taiz�-Gemeinde, die durch den gewaltsamen Tod ihres Priors Fr�re Roger Schutz besonders in den Vordergrund gerückt und seit sechzig Jahren immer wieder glaubwürdig verkündet wird. Das hinterhältige Attentat traf den Gründer der ökumenischen Bewegung in den Rücken, alle anderen aber mitten ins Herz, weil er viele von ihnen durch seine geradlinige Lebensführung auf ihrer Suche nach einem spirituell erfüllten Leben mit bestärkte. Sein Lebenswerk, ein Magnet vornehmlich für Millionen Jugendliche, bleibt und ist nicht mit Gewalt zu zerstören.


Eine wesentliche Traditionslinie der Kirche ist die Verehrung der Märtyrer. Sie erinnert zugleich an das gewaltsame Schicksal Jesu. Bereits die Entwicklung und Ausbreitung des Christentums in den ersten Jahrhunderten wäre undenkbar, hätte es nicht jene Märtyrersaat und jenes Erbe an Heiligkeit gegeben, die die ersten Gläubigengenerationen kennzeichneten. Möglicherweise wäre auch die Entwicklung des „Heiligen Köln“ eine andere gewesen, hätte es nicht in den nachfolgenden Generationen dieses Ausmaß an Blutzeugenschaft und Reliquienverehrung gegeben. Hiervon zeugt in fortgesetzter Tradition noch heute die Verehrung Heiliger und Märtyrer in prachtvollen Schreinen (wie dem der Heiligen Drei Könige), Bildern und Bauten. Tradition bildet sich jedoch nur, wenn jede Zeit dieses Gedenken in der ihr je eigenen Sprache festhält.

So hat Erzbischof Kardinal Joachim Meisner – auch als Kontrapunkt zu prunkvollen Gegenständen - entschieden, einen Gedenkort für die Märtyrer unserer Zeit, und zwar in der Kirche St. Ursula, der Patronin Kölns, einzurichten. Reliquien von diesen Märtyrern, die teils als unbekannt verschollen oder unauffindbar bestattet gelten, teils verscharrt oder verbrannt wurden, gibt es dort nicht. Was bleibt sind beeindruckende Bezeugungen ihres Lebens- und Leidensweges; Texte zusammengefasst, auch Abschiedsworte, Lebensmottos oder ein zutreffendes Bibelzitat, teils durch Zeitzeugen bekräftig, sollen zur stillen Betrachtung und Verehrung dieser Vorbilder anregen. Hier in dieser Kirche, als eines der geistlichen Zentren, ist Prälat Hermann Scheipers als Überlebender des KZ eingesetzt, um mit vertiefenden Erläuterungen Jugendlichen aus aller Welt über seine unmittelbaren Erlebnisse im Umgang mit einigen ihm persönlich bekannt gewordenen Märtyrern und Glaubenszeugen zu berichten, die teilweise inzwischen vom Papst schon selig gesprochen wurden oder noch selig gesprochen werden sollen, d.h. als Glaubensvorbilder anerkannt sind. Aus dem Bistum Dresden-Meißen stellte er auf dem Weltjugendtag in Köln besonders die Glaubensvorbilder Dr. Bernhard Wensch, Kaplan Alois Andritzki und Alois Scholze vor.

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