Wallfahrer und Grenzgänger

Über 400 Kinder haben an einer Wallfahrt ins tschechische Philippsdorf teilgenommen


Über vierhundert Kinder sind am vergangenen Samstag mit ihren Eltern aus dem ganzen Bistum nach Neugersdorf angereist. Zur Kinderwallfahrt, die von hier aus zur Marienkirche ins benachbarte tschechische Philippsdorf führte. Ein Bericht.

Neugersdorf/Philippsdorf, 24.10.2005 (KPI): An der geöffneten rot-weißen Metallschranke, die die Grenze zwischen dem sächsischen Neugersdorf und dem tschechischen Philippsdorf markiert, steht eine junge Frau mit orangefarbener Weste. Sie ist allerdings keine strenge Grenzpolizistin, sondern eine freundliche Wegweiserin: „Zur Wallfahrtskirche die nächste Straße links.“ Über vierhundert Kinder sind am vergangenen Samstag mit ihren Eltern aus dem ganzen Bistum Dresden-Meißen nach Neugersdorf angereist. Zur Kinderwallfahrt, die von hier aus zur Marienkirche ins benachbarte tschechische Philippsdorf führt. Zu Fuß überqueren sie nach dem Abstellen der Autos die Staatsgrenze und laufen wenige hundert Meter weiter bis zur eindrucksvollen Basilika, der man ansieht, dass ihre besten Jahre schon einige Jahre zurückliegen.

Die kleine Sophie, 8 Jahre, aus Schirgiswalde ist trotzdem vom schmucken Innenraum der Kirche begeistert. „Der Altarraum mit der Marienstatue ist wunderschön.“ Zum ersten Mal ist sie heute in der traditionsreichen Wallfahrtskirche Maria Hilf, die noch vor sechzig Jahren - gemessen an den Pilgerbesuchen - mit Altötting oder Lourdes in einem Atemzug genannt wurde. „Dass man so schnell über die Grenze dort ist, hätte ich nicht gedacht“, staunt die kleine Sophie. Ein Wunder soll an der Stelle, an der heute die Kirche steht, vor nunmehr knapp 140 Jahren geschehen sein. Der schwer kranken Weberin Magdalena Kade erschien die Gottesmutter Maria am Krankenbett und prophezeite ihr: „Mein Kind, von jetzt an heilt�s!“ Tatsächlich war die Kranke bereits kurze Zeit später genesen.

Bis heute erinnert daran eine weiße Marmorplatte mit dem Marienzitat in einer Kapelle der Basilika. Und die Erzählung von dieser Begebenheit - veranschaulicht durch ein Schattenspiel und das alte Wallfahrerlied von Philippsdorf - steht auch am Beginn des Gottesdienstes mit Bischof Joachim Reinelt aus dem Bistum Dresden-Meißen und Altbischof Josef Koukl aus dem tschechischen Bistum Leitmeritz. In seiner Ansprache an die Kinder schlägt Bischof Reinelt einen Bogen vom Evangeliumstext, in dem die Heilung eines Gelähmten beschrieben wird, zur Überlieferung von Philippsdorf. Insbesondere an alle Kranken, so der Bischof, sollten die Kinder an diesem Wallfahrtstag gemeinsam mit ihm denken und für sie beten.

Zum Mittagessen marschieren die Kinder zurück in die Nachbarpfarrei in Neugersdorf. Hier, auf dem Gelände einer alten Villa, in der die Pfarrkirche untergebracht ist, ist Pfarrer Christoph Eichler der Hausherr. Er freut sich über die Kinderscharen. „Man sieht, dass Neugersdorf gar nicht so abseits liegt“, sagt der Pfarrer. „Hier findet zwar auch sonst viel kirchliches Leben statt. Aber eine so große Besucherzahl aus dem ganzen Bistum hatten wir nun schon einige Jahre nicht mehr.“ Besonders freue er sich für die vielen engagierten Helfer, die zum Gelingen des Tages beigetragen haben. „Man sieht den Kindern den Spaß an, den sie haben. Und dafür hat sich die Arbeit gelohnt.“

Die Wallfahrt bildet den Abschluss der Religiösen Kinderwoche. In vielen Pfarreien haben sich dabei Kinder und Betreuer sieben Tage lang intensiv mit dem Thema „Pizza, Papst und Petersdom“ auseinandergesetzt und den Blick über den Tellerrand der eigenen Pfarrei hinaus auf die Weltkirche gerichtet. „Der Gang über die Grenze hat sich dafür ja auch geradezu ideal angeboten“, so Pfarrer Eichler.

Als Helfer sind auch Michael Stocker (21) und Andreas Fischer (19) dabei - als „Fahrer und Köche“. Für etwa 20 Kinder und einige Eltern aus ihrer Pfarrei in Dresden-Zschachwitz haben sie gerade ein paar Dosen Hühnersuppe zur Stärkung am Mittag gekocht. Aus Auerbach ist der 9-jährige Brian Winter mit seinen Freunden angereist. Mit zwei Stöcken, zwischen denen eine Schnur gespannt ist, jongliert er eine Art Sanduhr aus Plastik durch die Luft. Eben hat er sich ein Musical in dem großen Zelt angesehen, das im Pfarrgarten aufgeschlagen ist. „Das war toll“, sagt er. Und auch Judith Blümel (8) und ihr Bruder Julius (9) aus der Pfarrei in Dresden-Striesen bereuen die Reise an die sächsisch-tschechische Grenze nicht: „Jetzt ist noch die Abschlussandacht mit dem Bischof, und dann müssen wir leider schon wieder nach Hause. Schade eigentlich.“ Aber sie wollen mit ihren Eltern bald wiederkommen – und denen dann alles auch einmal zeigen.
Michael Baudisch


Fotos von der Kinderwallfahrt...


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