Worte von Bischof Joachim Reinelt zum Gedenken des 60. Jahrestages der Zerstörung Dresdens

beim Ökumenischen Gottesdienst am 13. Februar 2005


Liebe Schwestern und Brüder,

13. Februar 1945 – vor sechzig Jahren – Dresden: Eine Stadt schreit zum Himmel. Eine Stadt erstickt, verbrennt, verfällt.

Als 8-Jähriger habe ich das mörderische Feuer von Weitem gesehen. Schon das ließ unbändige Angst aufkommen. Aber die da mittendrin waren ...
Nach all dem und den vielen Jahren, da wir in den Trümmern gelebt haben, kann Dresden nur noch Stadt der Versöhnung und des Friedens sein. Diese wieder aufblühende Stadt verträgt es nicht mehr, dass wieder Hass und Hetze auf ihren Straßen gebrüllt werden. Beten wir, dass Dresden wieder eine betende Stadt wird. Sorgen wir dafür, dass unsere Nachbarvölker nie wieder vor uns Deutschen Angst haben müssen. Diese Stadt weiß zu genau wie es ist, wenn diese Angst zurückschlägt.

Unser Gedenken bleibt nicht in der Vergangenheit befangen. Die Zukunft steht uns vor Augen. Wenn demnächst die letzten Trümmer verschwinden und die alte Schönheit Stück um Stück wieder ersteht, muss Dresden auch besorgt sein, dass die Seele der Stadt wieder gesund wird:

Die Friedensstifter sollen bei uns das Sagen haben;
die Gewaltlosen mögen hier zu Hause sein;
die ein Herz für die anderen haben sind die Ehrenbürger unserer Stadt.

Die Besucher sollen sagen können: Dieses Dresden hat mehr als eine schöne barocke Silhouette. Die Menschen sind ihr eigentlicher Schatz. Diese Stadt hat eine Seele.
Auf den Gräbern der vielen Toten ist Neues gewachsen. Die Menschen hier haben nicht nur getrauert, sie haben Leid als Kreuz verstanden. Das Kreuz aber wurde von Christus getragen, um im Kreuzestod zur sinnvollsten Tat der Geschichte zu werden. Deshalb ist die Erneuerung des Geistes einer Stadt nicht möglich ohne Gott.

Deshalb will ich nach allen Aufbauprogrammen dieser Stadt ein Programm des „neuen Geistes“ vorschlagen:

1. Leben ist nicht nur Spaß und Bereicherung, sondern zuerst Verantwortung und Einsatz für das Wohl aller.
2. Selbstverwirklichung ist nur die eine Seite des Menschseins. Die andere heißt: Einer trage des anderen Last.
3. Der Mensch braucht ein Ziel vor den Augen, damit er in den animalischen Engführungen nicht einfriert. Unser Ziel: Annäherung an Gott.
4. Wir brauchen eine neue Leidenschaft für sein Wort. Da sind ungehobene Schätze. Wer sie nicht hebt, sucht und sucht und findet auch nur Surrogate.
5. Wir brauchen eine Atmosphäre der Gemeinschaft. Freundschaft. Freude aneinander und miteinander in Familie, Schule, Arbeitsstätte und Gesellschaft. Das entspricht dem Menschenbild der Bibel. Für europäische Kultur ist dieses konstitutiv.

Mancher dieser Programmpunkte ist schon längst im Wachsen und Werden. Anderes liegt noch in Trümmern. Aufbauzeit der Herzen ist nun angesagt. Beten wir in diesem Gottesdienst, um den Geist der Wahrheit und Liebe, in dem wir alle neu werden können.


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