Dresdner Kapellknaben zurück aus Kuba

nach einwöchiger Konzertreise


In der Kathedrale von Havanna - in der Mitte: Kardinal Ortega
Nach einwöchiger, erlebnisreicher Konzertfahrt durch den Westen der Karibikinsel sind die Dresdner Kapellknaben am vergangenen Dienstagabend müde und begeistert wieder zu Hause eingetroffen.

Dresden, 09.03.02 (KPI): Nach einwöchiger Konzertfahrt durch den Westen der Karibikinsel sind die Dresdner Kapellknaben am vergangenen Dienstagabend müde und begeistert wieder zu Hause eingetroffen. Hinter den 51 Sängern und ihren Begleitern liegen nach 20 Stunden Reisezeit sechs erlebnisreiche Tage an sieben verschiedenen Orten in acht Konzerten, dazu Gottesdienste und überaus intensive und nachhaltige Begegnungen mit katholischen Kinder- und Jugendchören in der „Tabakhauptstadt“ Pinar del Rio und in Havanna, die an Herzlichkeit kaum zu übertreffen waren. „Wir haben uns nach kurzer Zeit mit unserer verschiedenen Musik sowie Blicken und Gesten trotz der Sprachbarriere verstanden und gefühlt, als würden wir uns schon lange kennen“, sagte ein jugendliches Chormitglied.

Von den überwiegend kubanischen Konzertbesuchern in den Kathedralen von Pinar del Rio, Matanzas und der Hauptstadt Havanna wurde der Knabenchor ebenso euphorisch gefeiert wie in den zum Teil baufälligen Kirchen der Kleinstädten Guane, Venales und Consolacion del Sur – aber auch von den zahlreichen Gästen beim Empfang in der Deutschen Botschaft. Der Chorleiter, Domkapellmeister Matthias Liebich, hierzu: „Die Menschen haben die Jungen des Chores nach den Konzerten gefeiert wie Popstars – mit Standing Ovations und stürmischem Applaus in einer Intensität, wie ich ihn in Europa noch nicht erlebt habe. Gleichzeitig spürten wir, wie das Volk nach Kunst und Kultur förmlich lechzt und seine tiefverwurzelte Religiosität auch in den vergangenen Jahrzehnten behalten hat. Dankbar für die kleinste Kleinigkeit, aufgeschlossen und authentisch im Wesen und überaus begeisterungsfähig und temperamentvoll im Charakter – so haben wir die kubanischen Menschen kennen gelernt. Wir kommen nach Hause als Botschafter und Freunde der vielen einfachen und armen Menschen dieses Landes.“


Zufällige Begegnungen auf den Straßen der Städte und Dörfer gerade mit diesen Menschen, die nie mürrische oder unzufriedene Gesichter hatten, über deren Lippen keine Klagen zu kommen scheinen, aber auch viele aus tiefer Armut flehende Bettler und um Almosen bittende Kinderhände und -augen prägten die Tage in Kuba ebenso wie unkomplizierte Treffen und Gespräche mit verschiedenen Kardinälen, Bischöfen und Geistlichen Amerikas. Dankend erwähnt seien an dieser Stelle ausdrücklich „Padre Miguel“, der die Reise anregte und ab 11. März nach 9 Jahren Kuba als Pfarrer Michael Bautz wieder in Dresden sein wird, sowie „Padre Jose“, ein Pfarrer deutscher Herkunft, der 1969 als Theologe nach Chile gegangen ist und auch seit vielen Jahren in Kuba (Guane) arbeitet.

Mit vielen Fragen zur Geschichte und aktuellen Lage waren die Kinder und Jugendlichen auf die Karibikinsel gekommen. Sie fanden in den Tagen aufmerksame und kompetente Gesprächspartner, wenn sie sich nach den politischen Verhältnissen und Aussichten im Lande in Vergangenheit, Gegenwart und besonders der Zukunft erkundigten, wissen wollten, wie Familien mit einem durchschnittlichen Monatseinkommen von � 15,- auskommen können, welche Bedeutung Jose Marti, Che Guevara und Fidel Castro für die Kubaner haben oder was sie über Guantanamo wissen und die Entwicklungsperspektiven Kubas in den nächsten Jahren denken.


Die Antworten wurden ebenso aufmerksam aufgenommen wie die Bilder wunderschöner Landschaften, Pflanzungen von Palmen, Reis, Tabak und Bananen, Verkehrsmitteln aller Schattierungen vom Eselkarren auf der Autobahn bis zum „Camello“ in Havanna (einem zum Stadtbus umkleideten Tieflader mit Truck als Zugmaschine und einer Beförderungskapazität von bis zu 450 Personen) - oder auch die riesige Bandbreite der Wohnverhältnisse zwischen luxuriösen Villen, Hochhäusern und bröckelnden „Neu“bauten in Havanna bis hin zu wasser- und stromlosen, einsturzgefährdeten „Gartenlauben“ in den abgelegenen Dörfern des kubanischen Armenhauses in der Provinz Pinar. Gerade letzteres und sicher auch die Vorbereitungen zu Hause trugen wohl dazu bei, dass sich keiner der Sänger kritisch oder gar abfällig über die äußerst einfache, enge Massenunterkunft mit bescheidenen und ungewohnten sanitären Verhältnissen oder das mit viel Liebe, wenig Material und garantiert ohne chemische Konservierungsstoffe oder Geschmacksverstärker gekochte Essen äußerte. Es war wie ein Wunder: Es gibt nichts (oder wenig) zu kaufen – und trotzdem hatten wir 60 Besucher alles zum Leben. Den drei Köchinnen rannen beim dankend gesungenen Abschied ebenso die Freudentränen wie den Arbeitern am Band beim Besuch in der Zigarrenmanufaktur, die wir mit einem herzlichen „Deo dicamus gratias“ beschenkten.

Im Gepäck waren aber neben der Musik auch andere, recht handfeste Geschenke - fast jeder hatte seine 20 kg Reisegepäck per Haushaltwaage bis an die Grenze ausgereizt: dringend benötigte Hilfsgüter in Form von Textilien, Schreibwaren, Kosmetika, Arzneimitteln – von privat, Apotheken oder der Aktion Medeor gespendet – Spielzeug, Süßigkeiten bis hin zu Autoersatzteilen und finanziellen Mitteln. Bedürftige Einzelpersonen sowie vier Kindergärten, die beiden Kinderchöre, Krankenhäuser und verschiedene caritative Einrichtungen erhielten so willkommene Unterstützung zum Weiterleben und Überleben in einem Land, in dem es nichts gibt und wo man doch alles bekommen kann. Erinnerungen an unsere eigene jüngere Vergangenheit wurden wach!


Dass an den meisten Tagen Mittagstemperaturen von leicht über 30 Grad im Schatten herrschten und die Konzerte oft bei ähnlich hohen Temperaturen stattfanden, sei angesichts der winterlichen Witterungsverhältnisse in Deutschland zur gleichen Zeit nur am Rande erwähnt. Verschweigen wollen wir auch nicht, daß wir uns am Montag, dem letzten Kubatag nach getaner Arbeit wirklich quietschvergnügt (zum einzigen Mal) ein dreistündiges, erfrischendes Bad in der etwa 24 Grad warmen Karibik von Playa de Santa Maria gegönnt haben. Die Palmen, der weiße Sand, das azurblaue Wasser mit seinen hohen, am Ufer brechenden Wellen sind real existierend und keine retuschierte Reisebürowerbung! Aber auch der höchste Salzgehalt der Weltmeere, der in den Augen beißt, ist karibische Realität�!


Auf dem Weg zu unserem wartenden Riesenvogel Boeing 747-400 gab es zum Abschluss, 3 � Stunden vor dem Abflug, mit einem Kurzkonzert noch eine musikalische Begegnung im Heiligtum St. Lazarus – im Konzert waren, wie uns gesagt wurde, unheilbar kranke Menschen des angegliederten Krankenhauses, in Rollstühlen, mit verstümmelten Gliedmaßen. Wir waren im Paradies dem Gespenst der Lepra begegnet! – Danke allen, die diese Reise ermöglicht oder im Gebet begleitet haben !

Michael Hirschmann


Vor der Kathedrale in Pinar del Rio

Begegnung mit dem Jugendchor der Kathedrale in Pinar del Rio - mit Tanz und Polonaise durch die Kirche

Geistliches Konzert in einer frisch renovierten Kirche in Consolacion del Sur


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