Rückblick: Wallfahrt der Ackermann-Gemeinde nach Philippsdorf

Ein Bericht von Martina Schneibergova und Adolf Ullmann.


Ein Bericht von Martina Schneibergova und Adolf Ullmann...

Philippsdorf, Januar 2006: Die deutsche Organisation, die während der Zeit der kommunistischen Herrschaft die tschechoslowakische Kirche unterstützte und sich seit ihrer Gründung stark für die deutsch-tschechische Versöhnung einsetzte, ist die Ackermann-Gemeinde. Ende Januar hat die Ackermann-Gemeinde ihren 60. Gründungstag mit einer Wallfahrt in das nordböhmische Filipov / Philippsdorf gefeiert. Martina Schneibergova war dabei.

Der Name der von sudetendeutschen Katholiken gegründeten Organisation wurde der ersten neuhochdeutschen Dichtung, dem "Ackermann aus Böhmen" von Johannes von Saaz entnommen. Zu den Jubiläumsfeierlichkeiten waren etwa 120 Ackermänner aus ganz Deutschland nach Nordböhmen angereist. Das Pontifikalamt zelebrierten gemeinsam die Diözesanbischöfe Pavel Posad aus Leitmeritz und Joachim Reinelt aus Dresden-Meißen und mit ihnen die geistlichen Beiräte der Ackermann-Gemeinde, Kanonikus Msgr. Anton Otte (Prag/Bamberg) und Msgr. Karlheinz Frühmorgen aus der Diözese Würzburg, sowie weitere vierzig Priester aus den grenznahen Regionen Tschechiens und Sachsens.

Nach dem Gottesdienst, der schon um 4 Uhr morgens begann, ging es in das nahe gelegene Städtchen Rumburk/Rumburg. In der Gaststätte Dymnik/Rauchberg referierten in einer bescheiden gehaltenen Feier der frühere Geistliche Bundesbeirat der Ackermann-Gemeinde P. Angelus Graf Waldstein OSB aus Ettal, der Generalvikar der Diözese Leitmeritz, Msgr. Havelka und Dekan Heinrich Bohaboj aus Meißen über die Geschichte der Ackermann-Gemeinde. In einer angeregten Diskussion kamen die Ziele und die gegenwärtigen Aufgabenfelder der Ackermann-Gemeinde zur Sprache.

Die Kontakte zu den Christen in der Tschechoslowakei wurden von Pionieren aus den Reihen der Ackermann-Gemeinde bereits kurz nach dem kommunistischen Putsch von 1948 geknüpft. Der Bundesvorsitzende der Ackermann-Gemeinde Adolf Ullmann erzählt: "Es kam die von den Kommunisten entfesselte erste große Verfolgungswelle mit den Schauprozessen. Damals sind viele Priester und Laien verurteilt worden, die mit Ackermännern studiert und gearbeitet hatten. Aufgrund dieser Beziehungen wurden in den 50er und 60er Jahren neue Kontakte gesucht und geknüpft. Sie wurden über den Briefverkehr und über verdeckte Besuche ausgebaut. Als dann die Dub�ek-Wende von 1968 kam, hat der damalige Generalsekretär über 1000 Adressen über die Grenze nach Bayern gebracht. Daraus haben wir ein ganzes Betreuungssystem entwickelt - zunächst mal in Form von privaten Betreuungen. Ich selbst habe zum Beispiel in meiner Jugendarbeit vierzehn solche tschechische Adressen betreut - mit Briefen, mit Büchern, mit Geldsendungen."

Nach der Wende von 1989 eröffneten sich neue Möglichkeiten für die Zusammenarbeit mit Interessierten und Menschen guten Willens in der Tschechoslowakei (später Tschechien und Slowakei). Die Zusammenarbeit läuft auf verschiedenen Ebenen - sowohl auf der kirchlichen oder kommunalen, als auch auf der persönlichen - und sie wird allmählich auch von der tschechischen Gesellschaft gewürdigt. Ein erfolgreiches Beispiel aus der jüngsten Vergangenheit: Aus dem von der Ackermann-Gemeinde initiierten Jugendaustausch zwischen dem bayrischen Würzburg und dem mährischen �umperk ist eine kommunale Partnerschaft entstanden, die im Herbst 2005 auf den neu entstandenen Bezirk Olomouc / Olmütz übertragen wurde.

Die Arbeit der Ackermann-Gemeinde wurde von tschechischer Seite im Herbst 2005 mehrfach mit Auszeichnungen bedacht: Im September mit der Verleihung der Wenzels-Medaille durch den Prager Kardinal Miloslav Vlk, danach mit der Auszeichnung des langjährigen Generalsekretärs und immer noch amtierenden Geschäftsführers des Sozialwerks der Ackermann-Gemeinde, Franz Olbert, mit der Verdienstmedaille der Tschechischen Republik und dem Ehrentitel „Gratias agit“des tschechischen Außenministeriums.

Über die Möglichkeiten der Ackermänner im Bereich der deutsch-tschechischen Zusammenarbeit sagt Adolf Ullmann: Wir können die deutsch-tschechische Verständigung allein nicht „machen“. Wir können uns nur als eine Art Katalysator verstehen und andere Menschen dazu anstoßen, etwas zu tun, in dieser Richtung einzusteigen. Dies ist unsere Aufgabe: Partnerschaftliche Beziehungen auf den Weg zu bringen, immer mehr Menschen dafür zu interessieren. Die tschechische Öffentlichkeit darf auch nicht übersehen, dass 40 Jahre kommunistischer Herrschaft und der Eiserne Vorhang in den Köpfen der Bundesdeutschen weiße Flächen hinterlassen haben. Die Unkenntnis der Mehrheit der Deutschen über alles, was östlich von Arber und Rachel liegt und geschieht, ist erschreckend groß. Dem entspricht die Interessenshaltung weiter Kreise der deutschen Bevölkerung. Wir müssen also erst das Interesse erschließen, bevor wir überhaupt Leute zur Mitarbeit in partnerschaftlichen Begegnungen gewinnen können.“

Die Aufgabe der Ackermann-Gemeinde bleibt es, in der Gestaltung der Beziehungen zu den östlichen Nachbarvölkern weiter dicke Bretter zu bohren.

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