70 Jahre Priester: Prälat Hermann Scheipers feiert Jubiläum

KZ-Überlebender und Priester unter zwei Diktaturen


Prälat Hermann Scheipers
„Geborgenheit im Letzten gibt Gelassenheit im Vorletzten“, dieses Leitwort von Romano Guardini hat sich Prälat Hermann Scheipers für seine Jubiläumsfeier am 1. August ausgewählt.

Dresden/Ochtrup, 30.07.07: „Geborgenheit im Letzten gibt Gelassenheit im Vorletzten“. Dieses Leitwort von Romano Guardini hat sich Prälat Hermann Scheipers für seine Jubiläumsfeier ausgewählt, weil er damit zum Ausdruck bringen will, dass die Geborgenheit in Gott ihn die vielfältigen Gefährdungen in seinem Leben überstehen ließ.

Zu seiner Primiz schrieb ihm vor 70 Jahren Dr. Josef Gülden aus Leipzig, Redakteur der Kirchenzeitung „Tag des Herrn“ und später theologischer Berater beim II. Vatikanischen Konzil: „Es ist ein ewig unbegreifliches Wunder, wenn Gottes Geist Dir den Sohn des Vaters so nahe bringt, dass er in Dir die heiligen Worte der Sakramente spricht, wenn Du zum Spender des Lebens wirst. Gott segne in Dir seine Kirche. Er mache sie in Dir und Deinen Mitbrüdern fruchtbar in aller Schmähung“. Der junge Priester ahnte damals nicht, dass er diese Schmähung so viele Jahre durchstehen musste und dabei die liebende und fürsorgende Nähe Gottes erfahren durfte.

Prälat Hermann Scheipers, geboren am 24. Juli 1913 in Ochtrup, wurde am 1. August 1937 im Bautzener Dom St. Petri zum Priester geweiht. Als Theologiestudent in Münster beseelte ihn der Wunsch, als Priester dort wirken zu können, wo Seelsorger dringend gebraucht werden, nämlich in der Mission oder in der Diaspora. Seine Wahl fiel auf das Bistum Meißen (heute: Bistum Dresden-Meißen). Es wurde 1921 neu gegründet, damals mit dem Bischofssitz in Bautzen.

Auf seiner ersten Stelle als Kaplan in Hubertusburg/Wermsdorf wurde er am 4. Oktober 1940 von den Nazis verhaftet, weil er sich als Seelsorger für polnische Zwangsarbeiter einsetzte und einen Sondergottesdienst für sie feiern wollte, nachdem diesen die Teilnahme an der sonntäglichen Gemeindemesse verboten wurde.

Vom Polizeigefängnis Leipzig aus kam er im März 1941 als „fanatischer Verfechter der Kirche“ und als „Staatsfeind“ ins Konzentrationslager Dachau.
Unter Lebensgefahr hielt seine Zwillingsschwester Anna in den folgenden Jahren den Kontakt zu ihrem inhaftierten Bruder Hermann aufrecht und schmuggelte Briefe, Lebensmittel und Medikamente ins Lager. 1942 rettete sie ihn und zugleich viele weitere Priester durch eine mutige Intervention beim Gestapo-Reichssicherheitshauptamt in Berlin vor der Gaskammer. Am 27. April 1945 gelang Scheipers auf dem „Todesmarsch“ (Evakuierung) die Flucht in die Freiheit.

Schon 1946 kehrte er in sein Wahlbistum Dresden-Meißen zurück, wo er – tatkräftig für die katholische Kirche und seine Pfarrgemeinden engagiert – schon bald mit dem SED-Regime in Konflikt geriet. Prälat Scheipers wirkte als Seelsorger zunächst in Radebeul, Berggießhübel, Dresden, Freital, Wilsdruff und Schirgiswalde. Im Jahr 1973 ehrte ihn Bischof Gerhard Schaffran mit der Ernennung zum Ehrendomkapitular des Kathedralkapitels in Bautzen, und im April 2003 ernannte ihn Papst Johannes Paul II. zum Päpstlichen Ehrenprälat. Die politische Gemeinde Hubertusburg/Wermsdorf und die Stadt Schirgiswalde hatten ihn zu ihrem Ehrenbürger ernannt. 1983 trat Hermann Scheipers in den Ruhestand und kehrte in das Münsterland zurück.

Die Feier in Ochtrup kündigt Pfarrer Josef Wichmann im Pfarrblatt „Sommer 2007“ an mit den Worten: „Parallel zur Gnadenhochzeit – 70 Jahre verheiratet – kann man dieses seltene Ereignis auch Gnadenprimiz nennen. Es ist schon eine Gnade und ein großes Geschenk, das jemand ein solches Ereignis bei so wachem Verstand, voller Lebendigkeit feiern kann. Dass er mit 94 Jahren mit unermüdlichen Eifer seine Erlebnisse als Priester in zwei Diktaturen, unter dem Hitler-Regime und dem SED-Staat, vor allem jungen Menschen in Schulen und auf zahllosen Versammlungen nicht nur in der Bundesrepublik erzählt, vor Intoleranz und Radikalismus jeder Art warnt, und dabei Zeugnis gibt von seinem Leben und Glauben, ist bewundernswert.“

Wegen ihrer Zivilcourage und Verdienste wurden Hermann Scheipers und seiner Zwillingsschwester Anna im November 2002 das Bundesverdienstkreuz am Bande verliehen.

Prälat Scheipers feiert seine Gnadenprimiz am Mittwoch, 1. August, mit einer Heiligen Messe um 9 Uhr mit Bischof Joachim Reinelt im Kloster Goppeln bei Dresden. Am Sonntag, 5. August, lädt seine langjährige Pfarrgemeinde St. Mariä Himmelfahrt in Schirgiswalde, wo er von 1960 bis 1983 Pfarrer war, um 9.15 Uhr zum festlichen Dankgottesdienst mit Weihbischof Georg Weinhold ein. Am 2. September 2007 wird die Kirchengemeinde St. Lambertus Ochtrup für die Gnade einer solch langen Priesterzeit danken.

Sein unerschrockenes Bekenntnis und Handeln war und ist bestimmt von der Treue zu seiner priesterlichen Berufung. Es ist ein erschütterndes und zugleich ermutigendes Lebensbild und Christuszeugnis. Mehrere Fernsehdokumentationen sind über ihn erschienen. Bekannte Filmregisseure wie Volker Schlöndorff suchten seinen fachlichen Rat als Zeitzeugen zum Beispiel für den Kinofilm „Der neunte Tag“. Werner Kaltefleiter sendete 1988 ein ausführliches Interview im ZDF und Phoenix. „Dir gehört mein Leben – Die Geschichte von Anna und Hermann Scheipers – Zivilcourage und Gottvertrauen unter zwei Diktaturen“ von David Menzhausen (mit Unterstützung des Landschaftsverbandes Westfalen-Lippe in Münster sowie den Bistümern Münster und Dresden-Meißen) und „Priesterblock – Geistliche in Dachau“ von Max Kronawitter gehören ebenso zu den bundesweit bekanntesten Fernsehbeiträgen.
In Kürze folgen neue Beiträge des Bayerischen und des Italienischen Fernsehens (RAI). Eine Autobiographie unter dem Titel „Gratwanderungen – Priester unter zwei Diktaturen“ ist inzwischen in fünfter Auflage im St.-Benno-Verlag in Leipzig erschienen.

Benno Hörst

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