"Alles Leben ist Begegnung"

Pfarrer Winter in Afrika


Pfarrer Friedrich Winter erzählt von seiner Begegnung mit Jane und ihrem bewegenden Schicksal, aber auch, wie sie es meistert: "Ein schelmisch freundliches Lächeln zieht über ihr Gesicht. Grund zum Lachen hat sie wieder genug."

Das schwarze zusammengeflochtene Haar ist unter einer schwarzen Mütze versteckt. Dunkle große Augen schauen mich an. "Habe ich große Augen", sprudelt sie kichernd hervor, als ich ihr das Bild zeige. Darunter eine braune breite Nase. Selten sind die dunkelbraunen Lippen geschlossen, die die weißen Zähne verbergen. Es ist gar nicht so einfach, sie mal nicht lachend zu fotografieren. Ein schelmisch freundliches Lächeln zieht über ihr Gesicht. Grund zum Lachen hat sie wieder genug. Sie wurde als vierte Tochter ihrer Eltern geboren. Ihr Vater verstarb, noch bevor sie das Licht der Welt erblickte. "Wir waren die Ärmsten der Armen", höre ich sie immer wieder vor sich hin sagen, und dabei schaut sie mich mit ihren großen Augen an. "Bevor es etwas zu essen gab, mussten wir auf dem Feld die große Hacke schwingen." Der Hunger war ein steter Gast in der Familie. Sie kann sich nicht erinnern, wann ihre Mutter die Kinder verließ und erneut heiratete. Die Großmutter nahm sich der vier Mädchen an. Eines Tages kam der Ordenspriester Stephen, nahm die etwa 10 Jahre alte Jane mit in sein Kloster. Sie wohnte dort mit anderen Kindern, die ein ähnliches Schicksal hatten, zusammen. Sie lebten wie eine große Familie zusammen, arbeiteten in der Küche und konnten zur Schule gehen. Dann lernte Jane Kochen und Nähen. Und sie konnte die Schule fortsetzen. Beim Jesuitenflüchtlingsdienst hatte sie mal Ferien gemacht, in der Küche geholfen und für sich und andere was genäht. Nun fehlte ihr wieder das Schulgeld und Father Stephen konnte auch das Schulgeld nicht zahlen.

Nun hilft sie beim Jesuitenflüchtlingsdienst in Adjumani in den Frauengruppen und unterrichtet die Frauen im Umgang mit Nähmaschine, Schere und Maßband. Besonders glücklich ist sie, wenn sie dem Wissensdurst der Frauen wieder einmal gerecht geworden ist und am Ende des Tages sich alle auf das nächste Mal freuen. Zu tun gibt es mehr als genug für sie. 2008 wird sie dann die Schule fortsetzen. Für das Schulgeld hat sie nun selbst gesorgt. Die gemachten Erfahrungen kann ihr keiner nehmen. Ihr Ziel ist es, mal in Kampala zu studieren.

Im November möchte sie mir gern ihre Heimat zeigen. Für drei Tage wollen wir dann zu ihren Schwestern in den Kongo fahren. "Father, wir haben keine Matratzen. Sie müssen dann aber auf der Papyrusmatte schlafen", sagt sie mir mit einem verschmitzten Lachen. "Sie werden die halbe Nacht weinen", fügt sie noch an. "Kein Problem", sage ich zu ihr, "was Ihr aushalten müsst, werde ich auch aushalten."

Im Laufe des Abends erzählt sie mir auch noch, dass sie in diesem Jahr zum ersten Mal ihre Mutter wieder getroffen hat. Sie haben sich beide riesig gefreut. Die Mutter habe sie gefragt, ob sie ihr vergeben könne, dass sie damals die Kinder bei der Großmutter zurück gelassen habe. "Ja, ich kann dir vergeben", war ihre Antwort. "Und ich habe ihr Zucker und Seife geschenkt", fügt sie dazu. Plötzlich wurde mir auch klar, warum sie mir vor Monaten eine SMS geschrieben hatte, in der sie mir mitteilte, dass sie bei ihrer Mutter im Kongo ist. "Und wenn wir zu meinen Schwestern fahren, die alle verheiratet sind, werde ich meine Mutter anrufen und sie wird auch kommen. Das werden schöne Tage."

Am 19. September hat Jane ihren 22. Geburtstag. Den hat sie von ihrer Mutter erfahren. Gefeiert wird er nicht. Aber wenn ich von meinem Urlaub aus Deutschland zurück komme, werde ich ihr eine Schokolade mitbringen und ihre dunklen Augen werden leuchten.

Friedrich Winter, Adjumani 2007-08-17


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