„Die Leute kümmern sich um einen“

Bischof Reinelt besucht Jugendausbildungsstätte in Burgstädt


Ariane Paul (22) aus Grüna erklärt dem Bischof, wie man ein Buch bindet.
Sascha, Toni, Patrick, Yves, Andy und Christoph wollen Lagerfachhelfer oder Servicefahrer werden. Die Ausbildung dazu absolvieren Sie im Don Bosco Jugendwerk Sachsen in Burgstädt.

Burgstädt, 19.03.07 (KPI): Sascha, Toni, Patrick, Yves, Andy und Christoph sind sicher nicht gerade der Traum jedes Lehrers Sie machen nicht gern viele Worte. Auf dem Pult vor jedem Schüler steht ein Getränk in Flaschen, daneben die Baseballkappe. Die sechs jungen Männer wollen Lagerfachhelfer oder Servicefahrer werden. Die Ausbildung dazu absolvieren Sie im Don Bosco Jugendwerk Sachsen in Burgstädt. Heute steht in der Berufsschule des Werks „Ethik“ auf dem Stundenplan. Pflichtfach. Ihr Lehrer, Pater Harald Neuberger, hat einen ganz besonderen Gast mit in das kleine Klassenzimmer gebracht. Einen echten Bischof. Joachim Reinelt, den Bischof von Dresden-Meißen.

Einen Tag verbringt der seit morgens um 7 Uhr mit den Auszubildenden. „Oberste Etage in der Kirche“ – wie Pater Harald den Bischof für seine Schüler einordnet. Am Morgen hat der katholische Bischof schon vor 140 jungen Leuten den wöchentlichen Morgenimpuls gehalten. So viele kommen normalerweise nicht zu der freiwilligen Besinnungszeit am Beginn jeder neuen Woche. Aber einen Bischof bekommen die Schülerinnen und Schüler eben doch nicht alle Tage zu Gesicht. Der Bischof hat über Freundschaft gesprochen und von seinen Erlebnissen in Israel erzählt, das er kurz zuvor mit den anderen deutschen Bischöfen besucht hat. Die Schüler sind zufrieden.

„Ethik“ auf dem Stundenplan
Dann hat Bischof Reinelt mit Jugendlichen und Erziehern im Internat des Burgstädter Werks gefrühstückt. Anschließend hat er die Buchbinder-Azubis besucht. Sie sind nur einer von über 20 Berufsausbildungs-Lehrgängen des Werks. Bischof Reinelt hat mit den Azubis selbst ein Buch gebunden. Jetzt steht in der Berufsschule des Werks für die künftigen Lagerfachhelfer und Servicefahrer „Ethik“ auf dem Stundenplan.

Das Klassenzimmer für den Kurs ist bei sechs Teilnehmern erwartungsgemäß klein. Zwei Tafeln, Rauputz, an der Wand neben der Tür eine Leiste, an der drei im Unterricht gestaltete Plakate angepinnt sind. Tabakgeruch hängt in der Luft. In der Ecke ein Waschbecken. In der anderen Ecke lehnen Besen und Kehrblech. Verschlossen, den Kopf zwischen die Schultern gezogen, die Füße weit ausgestreckt, mustern die jungen Männer den Bischof.

Der bemüht sich auch gleich, das Eis zu brechen. Erzählt ein bisschen von seinem Lebensweg, und als er erwähnt, dass er seine Kindheit in Radeberg verbracht habe, das doch vielleicht einigen bekannt sei, kann er zaghaftes Kopfnicken registrieren. Pater Harald ermuntert die Jungs, Fragen zu stellen. „Traut euch.“ – In der letzten Stunde sei doch einiges auf den Tisch gekommen, was die Schüler an der Kirche interessiere. Nach einer Weile macht Yves den Anfang. Wie das denn gewesen sei, mit den Kreuzzügen im Mittelalter, und was der Bischof dazu sage, dass man damals zum Glauben gezwungen wurde, und dass die umgebracht wurden, die sich nicht bekehren ließen.

Der Bischof kennt das Thema
Bischof Reinelt kennt solche Fragen. Wenn er mit jungen Leuten über Kirche und Glauben diskutiert, gehört dieses Thema immer wieder zu den Dauerbrennern. Er nimmt die Fragen ernst. Spricht über die kirchliche Historie. Sagt, dass er verurteilt, was damals passiert ist. Und dann erzählt er das Gleichnis vom verlorenen Sohn. Es ist die Geschichte aus der Bibel, in der ein junger Mann sich von seinem Vater seinen Erbteil auszahlen lässt, von zuhause ausrückt, das Geld durchbringt, und schließlich reumütig an den väterlichen Hof zurückkehrt. Und er erzählt weiter, wie der Vater den verloren geglaubten Sohn nicht abstraft, sondern ihm vergibt, und sogar ein Fest für ihn veranstaltet. Christoph, der von seinem Platz in der zweiten Reihe aus gerne die kahlen Pappeln vor dem Schulgebäude beobachtet, wendet den Kopf zum Erzähler. Er sagt kein Wort. Aber man merkt, dass er überrascht ist, dass da plötzlich einer aus der Bibel erzählt. Dann sagt der Bischof noch, dass es keine Kreuzzüge mehr geben müsste, wenn wir einander mehr vergeben würden, so wie der Vater in der Erzählung es mit seinem Sohn tat.

Weitere Fragen? Yves legt noch mal nach. Wieso die Kirche Leute auf den Scheiterhaufen gesteckt habe, die doch nichts dafür konnten. „Das ist schon ein bisschen krass“, findet er. Der Bischof sagt, dass Fanatismus immer gefährlich sei, und dass das damals auch in der Kirche leider eine Rolle gespielt habe. Er erzählt vom Nationalsozialismus, wo einige auch ihre Meinung von Lebenswertem und Lebensunwertem selbstherrlich mit Millionen Opfern verwirklichen wollten. Und er schlägt den Bogen zur Situation in Israel: „Dort sagt einer: Ich mache mir eine Bombe, laufe in die Disco, wo die Israelis tanzen, und sprenge mich in die Luft. Ich komme in den Himmel und die Israelis kommen in die Hölle. Was für ein Unsinn.“

Dann darf auch der Bischof Fragen an die Schüler stellen. Der Bischof fragt: „Wie geht es euch in eurem Leben. Seid ihr zufrieden – oder hängt euch manchmal alles zum Hals raus?“ Yves sagt, dass er zufrieden ist. Nur wenn Leute sterben, die einem Nahe stehen, das sei hart. Und dass er Angst hatte, als seine Mutter nach einem Autounfall ins Krankenhaus musste.

Pater Harald fragt, wie die Jugendlichen die Institution Kirche erleben, und was sie davon mitbekommen. Andy sagt, dass man manchmal ja vom Papst hört. Und dass der viel Gutes macht. Der Bischof will die jungen Leute ermuntern, ein bisschen aus sich rauszugehen. Er sagt: „Was würdet Ihr mir vorschlagen, was soll ich machen?“ Yves sagt, dass er die Ausbildungsstätte in kirchlicher Trägerschaft gut findet, an der er seine Ausbildung macht. „Die Leute kümmern sich um einen. Respekt dafür.“ Die anderen fünf schweigen.

Pater Harald fährt mit dem Stoff der letzten Stunde fort. Thema: Gewalt. Sascha hat inzwischen den Kopf auf die Arme gelegt. Der Pater stellt eine kurze Szene vor. Eine Fahrt im Schulbus. Ein Schüler nimmt aus einer Wasserflasche einen Schluck in den Mund, bespuckt damit einen anderen. „Patrick. Auf einer Skala von null bis drei, wie gewalttätig würdest du das einschätzen?“ Patrick, braunes Kapuzensweatshirt, dunkle Haare, sagt: „Zwischen zwei und drei.“ Pater Harald: „Toni, was würdest du in dieser Situation machen?“ Toni, kurzer Bürstenhaarschnitt, blauer Kapuzenpulli: „ich würde mit ihm reden.“ Christoph wendet den Blick kurz von den Pappeln.

Michael Baudisch



Josefstag
Heute, am Montag, 19. März, setzen Bischöfe und kirchliche Würdenträger in ganz Deutschland ein Zeichen gegen Jugendarbeitslosigkeit und für benachteiligte junge Menschen. Rund um den Festtag des heiligen Josef (19. März), der als Schutzpatron der Arbeiter und der Jugendlichen verehrt wird, verschaffen sie sich unter dem Motto „Jugend braucht Perspektive - Kirche ebnet Wege“ ein Bild von der Situation katholischer Einrichtungen der Jugendberufshilfe und Jugendsozialarbeit.


Don Bosco Jugend-Werk GmbH Sachsen in Burgstädt
Aufgabe des Werks ist es, junge Menschen mit Lernbehinderungen oder körperlichen Handicaps darin zu unterstützen, beruflich und gesellschaftlich Fuß zu fassen. Attraktive berufliche Ausbildungsangebote sollen den Jugendlichen helfen, sich auf Dauer in das Berufs- und Arbeitsleben einzugliedern. Junge Frauen und Männer können sich in Burgstädt unter anderem als Industriemechaniker, Mediengestalter, Koch, Bürokraft oder Maurer ausbilden lassen. Alle Berufe sind staatlich anerkannt. Jugendliche, die nicht zu Hause wohnen und auch nicht zur Ausbildungsstelle pendeln können, wohnen in einem der Internate des Werks.

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