Hermann Scheipers: eine lebende Legende feiert 70-jähriges Priesterjubiläum

am 1. August 2007


Erhielt viele Glückwünsche: Prälat Hermann Scheipers.
Freiwillig war der aus Ochtrup im Münsterland stammende Scheipers in jungen Jahren 1936 in die Diasporasituation des Bistums Meißen gekommen. 1941 wurde er von den Nazis ins Konzentrationslager Dachau gesteckt.

Dresden, 01.08.07 (KPI): Der Mann ist eine lebende Legende. 94 Jahre alt, seit heute 70 Jahre Priester: Prälat Hermann Scheipers. Ein fast unglaubliches Alter, ein fast unglaubliches Leben. Und bis heute ist der Mann fast unglaublich aktiv. Freiwillig war der aus Ochtrup im Münsterland stammende Scheipers in jungen Jahren 1936 in die Diasporasituation des Bistums Meißen, heute Bistum Dresden-Meißen, gekommen. 1937 in Bautzen zum Priester geweiht, wurde er 1941 von den Nazis ins Konzentrationslager Dachau gesteckt, weil er es sich nicht verbieten ließ, in Hubertusburg bei Wermsdorf einen Gottesdienst mit polnischen Zwangsarbeitern zu feiern. Mit Müh und Not und einer unwahrscheinlichen Portion Glück – oder vielleicht besser Gottesfügung – überlebt er das Konzentrationslager, flieht unter dramatischen Umständen vom Todesmarsch bei der Evakuierung des Lagers und kehrt 1946, nur ein Jahr nach Ende des Zweiten Weltkriegs aus dem Münsterland erneut ins Bistum Meißen zurück. Prälat Scheipers: „Meine Verwandten konnten das nicht verstehen. Sie sagten: Fünf Jahre haben wir um Dich Angst gehabt, und jetzt gehst Du zu den Russen.“

Wer das KZ überlebte, hatte keine Angst mehr vor der DDR

Doch für Prälat Scheipers ist die Zeit im Osten der Republik als schönste Zeit seines Lebens in Erinnerung geblieben. „Zwar musste ich erneut die Verfolgung der Kirche und den Hunger erleben, den ich nach dem KZ schon überwunden geglaubt hatte. Aber das wurde etwa in Schirgiswalde durch das Glück aufgewogen, das ich durch die enorme Dankbarkeit der Heimatvertriebenen erlebt habe, und durch deren Aufgeschlossenheit gegenüber Gott.“ Hier, wo er von 1960 bis 1983 lange Jahre als Pfarrer tätig war, setzte er auch den Bau einer Kirche gegen alle Widerstände des SED-Regimes durch. Erneut drohte ihm ein Prozess wegen „staatsfeindlicher Hetze“. Dass er im Konzentrationslager saß, bringt ihm in der DDR keinen Vorteil. „Wer das Konzentrationslager überlebte, der muss Kollaborateur gewesen sein“, das war seiner Erfahrung nach in etwa die Logik der Machthaber. Doch nach den Erfahrungen des KZs kann den unbeugsamen Mann mit den wachen Augen und den auch heute noch - trotz seines hohen Alters - flinken Bewegungen scheinbar nichts mehr schrecken.

„Ehe ich ins Konzentrationslager kam, hatte ich in den Gestapo-Akten über mich gelesen, dass ich einzig und allein wegen meines Glaubens und meiner priesterlichen Tätigkeit ins KZ komme. Das hat mir eine große Ruhe gegeben.“ Scheipers fühlte sich in seinem Glauben gestärkt. Er war nun wirklich ein Jünger, ein Nachfolger Jesu geworden. Auch die höhnische Begrüßung der neuen Sträflinge durch den KZ-Kommandanten - „Ihr seid aus der Gesellschaft ausgestoßen. Ihr seid ehrlos, wehrlos und rechtlos“ - stärkt seine Treue zu Gott weiter. War nicht auch Jesus ehrlos, wehrlos und rechtlos gestorben?

Selbst als er im Frühjahr 1942 arbeitsunfähig wird und im Invalidenblock des Lagers mit seiner Vergasung rechnen muss, als er schon darauf gefasst ist, auf einen Lastwagen geladen und in die Gaskammer verfrachtet zu werden, findet er im Glauben Halt. „Es war ein unglaublicher Vorteil für alle, die als Christen ins KZ kamen“, sagt er heute. Dass er überlebte, bleibt ein Wunder. Im Krankenblocken stirbt es sich schnell. „Wenn etwa jemand mit Goldzähnen in den Block kam, hieß es: der hat zu verschwinden.“

Seine Zwillingsschwester rettete ihn vor der Gaskammer

Dass er und viele andere Priester nicht vergast wurden, verdankt er auch seiner Zwillingsschwester Anna. Die hält unter waghalsigen Umständen den Kontakt zu ihrem Bruder aufrecht, kämpft im SS-Reichssicherheitshauptamt in Berlin um sein Leben. An Paratyphus erkrankt, erhält Scheipers die nötige Schonkost von Haferschleim und Reis nur deshalb, weil durch Zufall zeitgleich auch in einem nahe gelegenen NS-Ausbildungslager die Krankheit wütet. Die Verantwortlichen versuchen nun unter allen Umständen, die Ausbreitung der Krankheit in den Griff zu bekommen. In Dachau trifft er auch auf den Sorben Alois Andritzki, ebenfalls ein junger Kaplan des Bistums Meißen, ebenfalls in Dachau inhaftiert. Und er erlebt mit, wie der in Dachau sein Leben lässt. Von der Krankheit gezeichnet, erbittet Andritzki – obwohl im Lager jede religiöse Betätigung untersagt ist – einen Priester zu sehen. „Wos? An Priester will er? A Spritz�n kriegt er“, erinnert sich Scheipers an die Worte des Aufsehers, ehe er Andritzki mit einer Spritze voll Benzin ermordet.

Nach einem langen, segensreichen Dienst als Priester im Bistum Dresden-Meißen, zog Hermann Scheipers im Alter von 70 Jahren heim ins Münsterland. Heute, zum 70. Jahrestag seiner Priesterweihe, kehrte er in seine Wahlheimat - das Bistum Dresden-Meißen - zurück. Mit vielen Gästen und Weggefährten feierte Prälat Hermann Scheipers im Kloster der Nazarethschwestern in Goppeln bei Dresden mit einem Gottesdienst sein beachtliches Priesterjubiläum. Längst ist er mit zahlreichen Ehrungen ausgezeichnet. Bischof Reinelt würdigte in seiner Predigt das Leben Scheipers als beispielhaft für ein Leben, mit dem er als Priester und Christ sowohl unter der Nazi-Diktatur als auch in der DDR-Zeit Zeichen gesetzt hätte. „Angst kann alles vernichten. Du hattest keine Angst, und warst bereit, dafür hart zu leiden“, so Bischof Reinelt. Und er bescheinigte Scheipers, dass die Arbeit, die dieser in den Pfarreien des Bistums geleistet hatte, fruchtbar war. „Die Kirchen an den Stationen deines Lebens sind auch heute noch voll“, so Bischof Reinelt.

Eine weitere Heilige Messe im Bistum Dresden-Meißen feiert Prälat Hermann Scheipers am Sonntag, 5. August, um 9.15 Uhr in der Pfarrkirche St. Mariä Himmelfahrt in Schirgiswalde. An diesem Gottesdienst werden auch der Weihbischof des Bistums Dresden-Meißen, Georg Weinhold, und Dr. Konrad Zdarsa, Bischof von Görlitz, teilnehmen.

Michael Baudisch






Bischof Joachim Reinelt (mitte) zelebrierte den Dankgottesdienst in Goppeln.




Viele Gäste nahmen am Empfang zu Ehren von Prälat Scheipers teil.




Auch mit 94 Jahren ist Prälat Scheipers agil und quicklebendig.








Hermann Scheipers - tabellarischer Lebenslauf - hier klicken...


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