Buchvorstellung: 380 Jahre Saatreiten in Ostritz – St. Marienthal

Gerhard Brendler schreibt über Historie, Gegenwart und Zukunft des Saatreitens


Historie, Gegenwart und Zukunft des Ostersaatreitens hat Autor Gerhard Brendler in einem Buch zusammengestellt. Das Werk wird auch an Ostern in St. Marienthal und Ostritz präsentiert.

Ostritz/St. Marienthal, 20.03.08 (KPI): 380 Jahre alt wird zu Ostern 2008 die Tradition, dass Saatreiter in einer Bittprozession von Ostritz aus zum Kloster St. Marienthal reiten, um die Osterbotschaft zu verkünden und die Felder zu segnen. Grund genug für Dr. Gerhard Brendler (Neustadt/Sachsen), Hobbyhistoriker und selbst ehemaliger Saatreiter, das Jubiläum mit einem Buches zu würdigen. „380 Jahre Saatreiten in Ostritz–St. Marienthal (1628 – 2008)“ lautet der Titel des 168 Seiten starken Werks mit zahlreichen Abbildungen. Die ökumenische Prozession der Saatreiter startet zu Ostern um 13 Uhr vor der katholischen Kirche in Ostritz, Ankunft in St. Marienthal ist gegen 13.45 Uhr. Die Teilnehmer werden im Zisterzienserinnenkloster neben zahlreichen Besuchern auch von der Äbtissin des Klosters, Regina M. Wollmann, und Weihbischof Georg Weinhold aus Dresden empfangen werden. Um 16 Uhr werden die Reiter in Ostritz zurückerwartet, wo der Zug mit einer Dankandacht in der Ostritzer Kirche beschlossen wird.

Das Saatreiten in Ostritz

Das Brauchtum, die christliche Botschaft von der Auferstehung Christi zu Ostern in die Öffentlichkeit zu tragen, ist nicht nur eine jahrhundertealte Tradition in der katholischen sorbischen Oberlausitz. In Ostritz - St. Marienthal an der Neiße wird mit dem Saatreiten der größte kirchliche Feiertag in ähnlicher Weise begangen. Hier schließt der österliche Ritt allerdings auch die Bitte um Segen für Felder, Wiesen und Ställe ein. Ein Gedanke, getragen von der Überzeugung „das Brot ist uns von Gott gegeben“, wie Autor Brendler erklärt.

Autor Gerhard Brendler
Während des Ritts wird im Klosterhof St. Marienthal und auf dem Marktplatz in Ostritz der Choral „Großer Gott, wir loben Dich�“ angestimmt und das „Vater unser“ gebetet. Lied und Gebet sollen Zeichen dafür sein, dass uns die Welt von Gott geschenkt ist, und dass angesichts der deutsch-polnischen Nachbarschaft das Bewusstsein von Schuld und Vergebung für die Region besondere Bedeutung besitzt. Was die Reiter Jahr für Jahr in den Sattel treibt, erklärt der Ostritzer Pfarrer Norbert Hilbig, der selbst hoch zu Ross an der Prozession teilnimmt, so: „Die Reiter wollen in einer säkularisierten Welt mit all ihren Herausforderungen die frohe Botschaft der Auferstehung in die Welt tragen.“ Eine 380-jährige Tradition des Saatreitens gäbe es allerdings trotz dieses wichtigen Antriebs nicht, „hätte nicht das Kloster in schwierigen Zeiten immer wieder seine schützende Hand über die Ostritzer Pfarrei gehalten“, so Pfarrer Hilbig.

Pfarrer Norbert Hilbig
Auch zu Zeiten der Reformation und in den Wirren der Kriege hatten sich so stets Männer gefunden, die die Tradition am Leben hielten. Mit 25 Reitern erlebte der Brauch im Kriegsjahr 1917 einen ersten Tiefpunkt. Im zweiten Weltkrieg fand das Saatreiten 1944 nur verkürzt statt. 1945 musste es – da die Risiken durch Jagdflieger nicht kalkulierbar waren – ganz ausfallen. Umso bedeutender der Neuanfang 1946: Trotz Flüchtlingsstrom und Chaos der Nachkriegszeit fanden sich 33 Reiter, die die Tradition wieder aufleben ließen. „Diese Zahl 33, das ist wie ein Wunder“, meint Historiker Brendler. Zu allen Zeiten hätten seien es an kritischen Punkten starke Persönlichkeiten gewesen, die das Saatreiten am Leben gehalten hätten. „Geritten wird“, so habe die einfache Parole der tatkräftigen Pfleger des christlichen Brauchs gelautet, erzählt Brendler.

Historie und Vision

Der erste urkundliche Eintrag über das Saatreiten stammt aus dem Jahr 1628. Im „Blumberger Stegebuch“ findet sich der Eintrag eine Bier-Rechnung für die Saatreiter, wie Dr. Brendler erklärt. Die Ursprünge des heutigen Saatreitens in Ostritz gehen aber wohl auf fränkische Siedler zurück, die Anfang des 13. Jahrhundert in der Gegend heimisch wurden. Als Bittprozession zu Pferde wurde das Brauchtum von den freien Bauern getragen. Brendler weist aber auch darauf hin, dass das Saatreiten neben Ostritz an vielen Orten in der deutsch- und sorbischsprachigen Oberlausitz sowie im Böhmischen um Schluckenau praktiziert wurde. Nach der Reformation beschränkte sich dieses Brauchtum allerdings auf wenige katholische Enklaven in der östlichen und sorbischen Oberlausitz. Trotz weiterer Wirrnisse der Geschichte, wie der Säkularisierung im Königreich Sachsen oder der Industrialisierung im 19. Jahrhundert, überstand das Saatreiten die Zeit. Selbst Nationalsozialisten und SED-Machthaber ließen die Reiter gewähren. Zu DDR-Zeiten wurde der Brauch durch die vielen Besucher, die alljährlich zur Prozession ins Kloster Marienthal strömten, zu einem starken Signal an die Staatsführung.

Das Kloster St. Marienthal an der Neiße
Das Saatreiten in Ostritz besitzt seinen eigenen, besonderen Charakter. Schon in früheren Jahrhunderten ritten Katholiken und Protestanten gemeinsam. Fest in der Ökumene verankert ist der Brauch neuerdings wieder seit 1993. Neben den katholischen Priestern nehmen auch evangelische Seelsorger und Christen an dem Ritt teil.

Im Gegensatz zu den Osterreiter-Prozessionen in der sorbischen Oberlausitz reiten in Ostritz selbst vereinzelt Konfessionslose mit. Unter den Reitern finden sich alle Berufsgruppen, vom Landwirt über den Handwerker bis zum Akademiker. Gebürtige Ostritzer, die andernorts wohnen und arbeiten, kommen zu Ostern für das Saatreiten zurück. Wie Martin Blaschke. Der gebürtige Ostritzer lebt heute in Hamburg. Zum Saatreiten allerdings kommt er in die Heimat zurück, und sitzt – wie sein Vater Steffen Blaschke – hoch zu Ross. Jährlich sind bei den 90 bis 100 Reitern auch etwa fünf Neureiter im Zug vertreten.

Wenn die Saatreiter den Blick in die Zukunft richten, dann gibt es weitere Pläne: Neben den Deutschen sollen auch Polen und Tschechen an der österlichen Bittprozession teilnehmen. Einen kleinen Schritt in diese Richtung ist bereits getan. In diesem Jahr werden erstmals vier polnische Saatreiter teilnehmen. Ob eines Tages auch Frauen an der Prozession mit reiten dürfen, darüber wird auch unter den Teilnehmern hitzig diskutiert.

Buchvorstellung

Buchpräsentationen mit Gerhard Brendler finden übrigens am Ostersonntag um 14.30 Uhr im Vortragsraum des Internationalen Begegnungszentrums im Kloster St. Marienthal statt - nach dem Ausreiten der Saatreiter - sowie um 17 Uhr im Gemeinderaum der katholischen Pfarrei in Ostritz nach der Saatreiter-Abschlussandacht.

Gerold Dubau

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