Ein Bischof und sein Weg zu den Menschen

Ein Porträt des Bischofs von Dresden-Meißen


Bischof Joachim Reinelt.
Dresden, 14.02.08 (KPI): Zählt man die Katholiken seines Bistums, dann ist Bischof Joachim Reinelt mit aktuell 147.000 Gläubigen Hirte einer vergleichsweise kleinen Herde. Allerdings: Im Gebiet des Bistums Dresden-Meißen, das nahezu ganz Sachsen und weite Teile Ostthüringens umfasst, leben über vier Millionen Menschen. Wenige andere deutsche Bistümer haben so viele Einwohner und mit Großstädten wie Leipzig, Dresden, Chemnitz, Zwickau und Gera derart starke Ballungsräume in ihrer Obhut. Und dass Bischof Reinelt nicht nur für Katholiken ansprechbar ist, spürt man. Er sagt das so: "Unter Atheisten versteht man bei uns meist einen gottlosen Menschen. In diesem Sinn gibt es für mich keine Atheisten, denn Gott verlässt nicht einfach einen Menschen. Aber es gibt sicher viele, die Gott in keiner Weise umschreiben können."

Ihnen eine Sprache zu geben, ist eines der großen Ziele dieses Bischofs, der ständig auf Achse zu sein scheint. Wer ihn in seinem Büro sucht, wird oft vor einem leeren Schreibtisch stehen. Dieser Bischof ist vor Ort, besucht die Menschen, sucht den Kontakt. Wer ihm begegnen will, muss nur die Augen offen halten. Die Frage ist nicht, ob er in eine Region kommt, sondern allenfalls, wann. Die Kirche in der Diaspora bietet für Joachim Reinelt dabei eine gewaltige Chance: "Eine Kirche in solch einer Situation ist wie ein Samenkorn. Das bedeutet Möglichkeit zum Aufbrechen, zum Wachsen."

Es ist sicher eine der großen Stärken des Bischofs von Dresden-Meißen, dass er sich in seiner Diözese auskennt wie kein Zweiter. Er verschafft sich persönlich vor Ort einen Eindruck von den Sorgen und Problemen der Menschen, er spricht ihre Sprache. "Ich möchte in keinem anderen Bistum Bischof sein", hat er einmal gesagt. Und bei den Gläubigen hier genießt er einen echten Heimvorteil. Er hat von klein auf hier gelebt. Er hat die Eigenheiten der DDR am eigenen Leib erfahren. Er musste - wie alle Menschen hier - die Chancen und Risiken, die Geschenke und Ängste der neuen Zeit nach der Wende einordnen und nutzen lernen.

Doch die DDR wünscht er sich nicht zurück. Er habe kein Verständnis, wenn einer Umfrage zufolge über 15 Jahre nach der Wende jeder fünfte Deutsche die Mauer am liebsten zurück hätte. "Wer das wünscht, der sehnt sich zurück in ein großes Staatsgefängnis und in den Verlust seiner Freiheit." Über die neue Zeit urteilt der Bischof: "Alle Lebensentwürfe, die glaubten, ohne Religion auszukommen, haben versagt. Eigentlich ist die Zeit für Glaubende und den Glauben gekommen. Wir machen nur den Fehler, das noch viel zu wenig zu sehen. Ich möchte die Kirche noch viel mehr öffnen für die Menschen, die Fragen haben und interessiert sind." So stellte der Bischof seine Kathedrale nach dem 11. September für eine Versammlung verstörter Schülerinnen und Schüler zur Verfügung, diskutierte mit den Jugendlichen, sprach mit ihnen über ihre Fragen und Ängste.

Ein Bischof, der das offene Wort liebt

In seinen Gottesdienst-Predigten liebt Bischof Reinelt das freie, verständliche Sprechen ohne durchformuliertes Manuskript. Vorgefertigte Texte nutzt er selten. Im freien Reden läuft der Bischof zur Höchstform auf. Er geht auf die Stimmung seiner Zuhörer ein. Und er findet den richtigen Ton. Bei Gottesdiensten zum Weltjugendtag brandet bei seinen Ansprachen Beifall unter den Jugendlichen in altehrwürdigen Gotteshäusern auf, in denen sonst eher Zurückhaltung geübt wird. Und selbst minutiös vorbereitete Gottesdienstübertragungen im Rundfunk soll er schon ohne ausformuliertes Predigtmanuskript bestritten haben.

Das offene, direkte Wort wünscht sich Bischof Reinelt auch in anderen Bereichen. Im Mai 1990 forderte er beim Katholikentag in Berlin die Politik auf "Klartext zu sprechen". Vier Jahre später nutzte er die Chance, auf dem 92. Deutschen Katholikentag in Dresden mit seinem Bistum zu zeigen, dass auch eine kleine, in einer Minderheitensituation lebende ostdeutsche Kirche die Chance bietet, Wichtiges weiterzugeben. Für sein Bistum ergriff der Bischof die Gelegenheit, neue Felder zu erschließen. Kirchen und Gemeindehäuser wurden Instand gesetzt oder neu gebaut. Schulen wie das St. Benno-Gymnasium in Dresden und Kindergärten wurden eröffnet. In Schmochtitz bei Bautzen wurde mit dem Bischof-Benno-Haus ein kirchliches Bildungshaus etabliert, das Besucher aus ganz Deutschland begeistert. Gleichzeitig bewahrte der Bischof seinem Bistum die Bescheidenheit und den Sinn dafür, nur den eigenen Kräften und Verhältnissen entsprechend wachsen zu können. Rückläufige Gläubigenzahlen und wegbrechende Kirchensteuereinnahmen, die bundesweit die Kirche bedrängen, bescherten daher zwar auch dem Bistum Dresden-Meißen schmerzhafte Sparprozesse. Radikale Maßnahmen und Rückschnitte blieben der ostdeutschen Diözese bislang allerdings weitgehend erspart.

Einen herben Rückschlag der eigenen Aufbau-Bemühungen erlebt der Bischof allerdings im Sommer 2002. Das Jahrhundert-Hochwasser im August dieses Jahres beschädigt auch viele Einrichtungen des Bistums Dresden-Meißen. Im Jugendbildungshaus in Schmiedeberg reißen die Wassermassen Türen und Bänke davon. In die Bischofsgruft im Untergeschoss der Kathedrale drücken die Fluten. Gotteshäuser wie die St. Benno-Kirche in Meißen, gerade erst aufwendig renoviert, werden von Wasser und Schlamm überspült. Sofort eilt der Bischof in die Zentren der Überschwemmung, um den Menschen beizustehen. Was ihm bleibt, ist zu trösten, zum Helfen und Spenden aufzurufen. Mehr als 2.000 Einzelspender überweisen schließlich rund 1,5 Millionen Euro auf das Kirchenkonto. Weitere 500.000 Euro gehen durch Vermittlung des Ordinariats direkt an Pfarreien und kirchliche Einrichtungen. Die guten Ortskenntnisse der Pfarrer vor Ort werden genutzt, um Spenden an betroffene Familien unmittelbar weiterleiten zu können. Kirchen- und Konfessionszugehörigkeit ist dabei zweitrangig. "In diesem Fall gibt es für uns nur eine Konfession, und zwar hochwassergeschädigt", formuliert der Bischof in diesen Tagen prägnant.

Die Verbundenheit mit den evangelischen Christen besonders im Blick

Die Verbundenheit mit den evangelischen Christen behält Bischof Joachim Reinelt besonders im Blick. „Öffnung ist angesagt“, so der Bischof. „Es wäre schwach, hier nur um die eigenen Fragen zu kreisen. Der starke ökumenische Akzent dürfte ein Charakteristikum von Dresden sein.“ Die Gemeinsamkeiten zwischen evangelischen und katholischen Christen seien in 40-jähriger Belastungszeit gewachsen. „Die Ökumene dieser Phase war ein besonderes Geschenk“, so Bischof Reinelt. Vor einer Anpassung an die Gesellschaft warnt der Bischof die Christen. Auch der moderne Christ sollte sich das Bewusstsein bewahren, von den Angeboten der Zeit weg zu den Angeboten der Freiheit Gottes zu gelangen.

Gefeiert wird das 20-jährige Weihejubiläum des Bischofs von Dresden-Meißen mit einer Heiligen Messe am Mittwoch, 20. Februar, um 18 Uhr in der Kathedrale Dresden. Dem Pontifikalamt schließt sich ein Empfang im Haus der Kathdrale an.

Michael Baudisch

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