Festrede von Dr. Siegfried Seifert zum Weihejubiläum

am 20. Februar 2008 in der Kathedrale


Dr. Siegfried Seifert
Einen Überblick über die vergangenen 20 Jahre im Bistum Dresden-Meißen gab der Domkustos und frühere Leiter des Diözesanarchivs in Bautzen, Dr. Siegfried Seifert.

Hochwürdigster Herr Bischof verehrte Festgemeinde!

Mit Dank gegen Gott und voll Freude haben wir diesen Gottesdienst am 20. Jahrestag der Bischofsweihe unseres Bischofs Joachim Reinelt gefeiert. Wir blicken zurück auf 20 Jahre Bistum Dresden-Meißen unter dem Episkopat von Bischof Joachim Reinelt.

Nachdem Bischof Gerhard Schaffran am 31. Juli 1987 resigniert hatte, ernannte Papst Johannes Paul II. am 25. Januar 1988 Diözesancaritasdirektor und Ordinariatsrat Joachim Reinelt zum Bischof von Dresden-Meißen. Am 20. Februar 1988 wurde er hier in der Kathedrale von Bischof Gerhard Schaffran und den Mitkonsekratoren Weihbischof Georg Weinhold und Apostolischen Administrator Bernhard Huhn, Görlitz zum 48. Bischof des Bistums des hl. Benno geweiht.

Es war eine bewegte Zeit. Immer deutlicher zeichneten sich politische Veränderungen ab. Was wird geschehen? Unter Berufung auf die Menschenrechte sammelten sich Menschen, unter ihnen auch viele Katholiken, in Kirchenräumen, von dort zogen sie in friedlichen Märschen durch die Straßen der Städte. Sie erwarteten bei ihren Aktionen gegen ein totalitäres System die Kirche an ihrer Seite. Konnte man sich offen auf die Seite der Protestierenden stellen oder sollte man auf Ausgleich der Spannungen bedacht sein? Dann kam der Mauerfall. Bereits am 8. Oktober 1989 entstand in Dresden nach einer Demonstration die „Gruppe der 20" als Gesprächspartner für die Machthaber in Stadt und Bezirk Dresden. Dann kam die politische Wende und die Wiedergewinnung der Einheit unseres deutschen Vaterlandes. Bereits 1990 erfolgte die Zusammenführung der Berliner Bischofskonferenz mit der Deutschen Bischofskonferenz und 1991 hielt die gesamte Konferenz ihre erste gemeinsame Tagung.

Die Kirche konnte nunmehr in einer seit Jahrzehnten von uns nicht gekannten Weise frei und ungehindert in die politische Öffentlichkeit und Gesellschaft hineinwirken. In der Zeit des aufgezwungenen Sichzurückziehens hinter die Kirchenmauern hatten sich manche auch in dieser Behausung eingerichtet und pflegten ein privates Christentum, das wenig missionarisch ausgerichtet war. Christen mußten wieder lernen, ihren Auftrag für die Öffentlichkeit wahrzunehmen, nicht zu politisieren, aber ihre politische Stimme, gelegen oder ungelegen, einzubringen und das bei einem Auseinanderklaffen der Wertevorstellungen der Christen und der übrigen Gesellschaft in einer nun nicht mehr kommunistisch aber stark konsumistisch geprägten Umwelt. Das Bistum stand vor diesen Aufgaben in einer Zeit des Kleinerwerdens der Gemeinden, des Rückgangs der Priester- und Ordensberufe. Wir durften aber auch die Hilfe anderer Diözesen, von Orden und geistlichen Gemeinschaften der Kirche erfahren. Es mußte auch eine Aufarbeitung der Vergangenheit erfolgen. So konnte eine Wiedergutmachung an noch lebende Zwangsarbeiter gegeben werden, die in den Jahren 1939 bis 1945 in kirchlichen Einrichtungen gearbeitet hatten. Aber das Bistum war auch Jahrzehnte im Visier der SED und Staatssicherheit der DDR gewesen, auch diese Problematik mußte geklärt werden.

Zu den neuen Möglichkeiten gehörte die Errichtung von Schulen, getragen von der Initiative engagierter Eltern: 1991 erstand das St. Benno-Gymnasium in Dresden wieder, 1995 das Peter-Breuer-Gymnasium in Zwickau, 1996 das Maria-Montessori-Schulzentrum in Leipzig und 1998 die Maria-Montessori-Grundschule in Bautzen. An der Technischen Universität Dresden wurde das Institut für katholische Theologie in Lehramtsstudien und katholische Theologie in Magisterstudiengängen eingerichtet. Bildungseinrichtungen entstanden: 1992 das Bischof Bennohaus in Schmochtitz, die Jugend-und Familienbildungsstätte der Benediktiner in Wechselburg, die aus dem Kloster Ettal gekommen waren und dort eine Klostergründung vornahmen. Länder übergreifend entstand das Internationale Begegnungszentrum im Zisterzienserinnenkloster St. Marienthal, in Dresden die Katholische Akademie, das Kathedralforum Dresden, Agricolaforum Chemnitz, Novalisforum Freiberg, Leibnizforum Leipzig, und andere mehr. Dazu kommt die Präsenz des Bistums in den Medien: Presse, Funk und Fernsehen.

Das war und ist eine große Herausforderung in der totalen Diasporasituation der Christen in unserem Lande: etwa 150.000 Katholiken unter ca 4 Millionen Einwohnern und ca 18% evangelischer Christen. Eine Ausnahme bilden die Pfarreien der katholischen Sorben im Bistum. Wir müssen aber diese Herausforderung annehmen, auch weil wir wissen, daß Religion der einzige kulturelle Grundbaustein unserer Zivilisation ist, der sich in der Moderne erhalten hat. Auch innerkirchlich mußten neue, den Gegebenheiten angepaßte Strukturen geschaffen werden. 1994 wurde das Erzbistum Berlin mit den Suffraganbistümern Görlitz und Dresden-Meißen errichtet. Die Zahl der Dekanate unseres Bistums beträgt derzeit 9, die Struktur entspricht in etwa auch der staatlichen Gebietsreform, mit 109 Pfarreien und 21 Pfarrvikarien, der Prozeß ist noch nicht abgeschlossen. Durch das pastorale Projekt „Gemeinden im Aufbruch" sollen eine spirituelle Intensivierung der Gemeinden, Kontaktaufnahme zu passiven Gemeindegliedern, Erziehung zur Ökumene, da viele Initiativen ökumenisch durchgeführt werden, missionarische Schritte nach außen gefördert werden. Das Glaubenswissen muß gefördert werden auch im Hinblick auf die Seelsorge an Personengruppen außerhalb der Pfarreien, z. B. Studenten-, Akademiker-, Krankenhaus-, Behinderten- und Gefangenenseelsorge.

Dank des Bonifatiuswerkes der deutschen Katholiken, des Verbandes der deutschen Diözesen und der Spendenfreudigkeit der Gläubigen konnten in den 20 Jahren 27 neue Kirchen erbaut und andere saniert und restauriert werden, z.B. 1994 Zwönitz, 1997 Limbach-Oberfrohna, das ist wichtig, denn vom Altar kommt die Gnade und zum Altar soll alle Seelsorge fuhren. 2006 konnte das Äußere des St. Petridomes in Bautzen, der Konkathedrale unseres Bistums, erneuert werden und bereits 1999 wurde das Haus der Kathedrale eingeweiht, ein Zentrum in unmittelbarer Nähe der Bischofskirche.

Die Caritas, die bis zur Wende als bischöfliches Werk Diözesancaritas bestand, um in den vergangenen Jahrzehnten existieren zu können, besteht seit 1990 wieder als Caritasverband des Bistums Dresden-Meißen e.V. und ist eingebunden in das System der Freien Wohlfahrtspflege. In 18 Altenpflegeheimen, 15 Sozialstationen, 24 Kindertagesstätten, 3 ambulanten Hospizdiensten und 2 Palliativstationen, die im Jahre 2000 im St. Josephstift in Dresden eingerichtete ist die erste in Sachsen, erfüllen die Mitarbeiter der Caritas ihren sozialen humanitären Auftrag mit dem Spezifikum: um Christi Willen zur Ehre Gottes.

Wir durften in den vergangenen 20 Jahren Höhepunkte besonderer Art erleben: 1991 zusammen mit den Gläubigen des Bistums Görlitz die große Dankeswallfahrt nach Rosenthal für das Gelingen der friedlichen Revolution und die Wiedergewinnung der deutschen Einheit; 1994 fand in Dresden der 92. Deutsche Katholikentag statt; 1996 am 24. Juni beging das Domkapitel seine 775-Jahrfeier unter Beteiligung von Vertretern aller Domkapitel in Deutschland und des evangelischen Hochstiftes Meißen; am 2. Juli 1996 im 75. Jahr der Wiedererrichtung des Bistums Meißen 1921 wurde der Staatsvertrag zwischen dem Hl. Stuhl und dem Freistaat Sachsen unterzeichnet und damit auf staatskirchenrechtlichem Gebiet die lang vermißte Rechtssicherheit hergestellt. 1998 eröffnete Bischof Joachim Reinelt in einem Gottesdienst in der Wallfahrtskirche Rosenthal den Seligsprechungsprozeß für den sorbischen Kaplan und Märtyrer Aloys Andritzki. Im gleichen Jahr fand im Kloster St. Marienstern die 1. Sächsische Landesausstellung „Zeit und Ewigkeit" statt, die die Menschen mit den kulturellen Zeugnissen der christlichen Vergangenheit unseres Landes bekannt machte. 2000 konnte das Cyrill-Method-Denkmal bei Schmochtitz eingeweiht werden. 2001 feierten wir das 250jährige Bestehen der Kathedrale, der ehemaligen Dresdner Hofkirche, im gleichen Jahr konnte Bischof Joachim Reinelt den Seligsprechnungsprozeß für Aloys Andritzki auf Bistumsebene in einem Gottesdienst im Bautzner Dom abschließen und die Akten nach

Rom weiterleiten, 2006 begingen wir den 900. Todestag unseres Diözesanpatrons des hl. Benno mit einem Bennotag in Meißen, der mit einer ökumenischen Vesper im Meißner Dom beschlossen wurde. Mit großem Engagement wurden die uns nach der wiedergewonnenen Einheit neueröffneten Möglichkeiten von denen ein Überblick gegeben wurde angegangen. Vieles ist, Gott sei Dank, gelungen, möge Gott auch das in Segen wandeln, was uns nicht gelungen ist, damit wir uns erweisen als eine betende, hörende und dienende Kirche. Dann wird sich der Leitspruch unseres Bischofs „Jesus in medio" Jesus mitten unter uns bewahrheiten. Durch Ihn und mit Ihm und in Ihm wollen wir zur Auferbauung der Kirche und zum Segen unseres Landes unter und mit unserem Bischof wirken.

Dr. Siegfried Seifert, Bautzen


link


Zurück Impressum