Gratulation Prälat Scheipers!

am 24. Juli


Gratulation Hermann Scheipers zum 95. Geburtstag!
Bei guter Gesundheit feiert der immer noch agile und als Referent gefragte Zeitzeuge Prälat Hermann Scheipers aus Ochtrup heute seinen 95. Geburtstag.

Ochtrup, 24.07.08 (KPI): Er ist Priester des Bistums Dresden-Meißen, vermutlich letzter Überlebender des Priester-blocks des Konzentrations-lagers Dachau, Ehrendomka-pitular und Träger des Bundesverdienst-kreuzes: Prälat Hermann Scheipers. Wie aus seiner Geburtstadt Ochtrup in Westfalen - in die Scheipers nach seinem Eintritt in den Ruhestand heimgekehrt ist - zu erfahren ist, feiert der immer noch agile und als Referent gefragte Zeitzeuge bei guter Gesundheit heute seinen 95. Geburtstag.

Hermann Scheipers - eine lebende Legende

Ein fast unglaubliches Alter, ein fast unglaubliches Leben. Und bis heute ist der Mann fast unglaublich aktiv. Freiwillig war der aus Ochtrup im Münsterland stammende Scheipers in jungen Jahren 1936 in die Diasporasituation des Bistums Meißen, heute Bistum Dresden-Meißen, gekommen. 1937 in Bautzen zum Priester geweiht, wurde er 1941 von den Nazis ins Konzentrationslager Dachau gesteckt, weil er es sich nicht verbieten ließ, in Hubertusburg bei Wermsdorf einen Gottesdienst mit polnischen Zwangsarbeitern zu feiern. Mit Müh und Not und einer unwahrscheinlichen Portion Glück – oder vielleicht besser Gottesfügung – überlebt er das Konzentrationslager, flieht unter dramatischen Umständen vom Todesmarsch bei der Evakuierung des Lagers und kehrt 1946, nur ein Jahr nach Ende des Zweiten Weltkriegs aus dem Münsterland erneut ins Bistum Meißen zurück. Prälat Scheipers: „Meine Verwandten konnten das nicht verstehen. Sie sagten: Fünf Jahre haben wir um Dich Angst gehabt, und jetzt gehst Du zu den Russen.“

Doch für Prälat Scheipers ist die Zeit im Osten der Republik als schönste Zeit seines Lebens in Erinnerung geblieben. „Zwar musste ich erneut die Verfolgung der Kirche und den Hunger erleben, den ich nach dem KZ schon überwunden geglaubt hatte. Aber das wurde etwa in Schirgiswalde durch das Glück aufgewogen, das ich durch die enorme Dankbarkeit der Heimatvertriebenen erlebt habe, und durch deren Aufgeschlossenheit gegenüber Gott.“ Hier, wo er von 1960 bis 1983 lange Jahre als Pfarrer tätig war, setzte er auch den Bau einer Kirche gegen alle Widerstände des SED-Regimes durch. Erneut drohte ihm ein Prozess wegen „staatsfeindlicher Hetze“. Dass er im Konzentrationslager saß, bringt ihm in der DDR keinen Vorteil. „Wer das Konzentrationslager überlebte, der muss Kollaborateur gewesen sein“, das war seiner Erfahrung nach in etwa die Logik der Machthaber. Doch nach den Erfahrungen des KZs kann den unbeugsamen Mann mit den wachen Augen und den auch heute noch - trotz seines hohen Alters - flinken Bewegungen scheinbar nichts mehr schrecken.

„Ehe ich ins Konzentrationslager kam, hatte ich in den Gestapo-Akten über mich gelesen, dass ich einzig und allein wegen meines Glaubens und meiner priesterlichen Tätigkeit ins KZ komme. Das hat mir eine große Ruhe gegeben.“ Scheipers fühlte sich in seinem Glauben gestärkt. Er war nun wirklich ein Jünger, ein Nachfolger Jesu geworden. Auch die höhnische Begrüßung der neuen Sträflinge durch den KZ-Kommandanten - „Ihr seid aus der Gesellschaft ausgestoßen. Ihr seid ehrlos, wehrlos und rechtlos“ - stärkt seine Treue zu Gott weiter. War nicht auch Jesus ehrlos, wehrlos und rechtlos gestorben?

Selbst als er im Frühjahr 1942 arbeitsunfähig wird und im Invalidenblock des Lagers mit seiner Vergasung rechnen muss, als er schon darauf gefasst ist, auf einen Lastwagen geladen und in die Gaskammer verfrachtet zu werden, findet er im Glauben Halt. „Es war ein unglaublicher Vorteil für alle, die als Christen ins KZ kamen“, sagt er heute. Dass er überlebte, bleibt ein Wunder. Im Krankenblocken stirbt es sich schnell. „Wenn etwa jemand mit Goldzähnen in den Block kam, hieß es: der hat zu verschwinden.“

Seine Zwillingsschwester rettete ihn vor der Gaskammer

Dass er und viele andere Priester nicht vergast wurden, verdankt er auch seiner Zwillingsschwester Anna. Die hält unter waghalsigen Umständen den Kontakt zu ihrem Bruder aufrecht, kämpft im SS-Reichssicherheitshauptamt in Berlin um sein Leben. An Paratyphus erkrankt, erhält Scheipers die nötige Schonkost von Haferschleim und Reis nur deshalb, weil durch Zufall zeitgleich auch in einem nahe gelegenen NS-Ausbildungslager die Krankheit wütet. Die Verantwortlichen versuchen nun unter allen Umständen, die Ausbreitung der Krankheit in den Griff zu bekommen. In Dachau trifft er auch auf den Sorben Alois Andritzki, ebenfalls ein junger Kaplan des Bistums Meißen, ebenfalls in Dachau inhaftiert. Und er erlebt mit, wie der in Dachau sein Leben lässt. Von der Krankheit gezeichnet, erbittet Andritzki – obwohl im Lager jede religiöse Betätigung untersagt ist – einen Priester zu sehen. „Wos? An Priester will er? A Spritz�n kriegt er“, erinnert sich Scheipers an die Worte des Aufsehers, ehe er Andritzki mit einer Spritze voll Benzin ermordet.

Nach einem langen, segensreichen Dienst als Priester im Bistum Dresden-Meißen, zog Hermann Scheipers im Alter von 70 Jahren heim ins Münsterland. Heute kann er seinen 95. Geburtstag feiern.

Längst ist er mit zahlreichen Ehrungen ausgezeichnet, darunter das Bundesverdienstkreuz und die Ehrenbürgerwürde der Ortschaften Hubertusburg/Wermsdorf und Schirgiswalde.

Michael Baudisch

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