„Viele Gebärden – ein Glaube“

35 Pilger aus mitteldeutschen Diözesen bei der 1. Internationalen Gehörlosenwallfahrt nach Rom


Die mitteldeutschen Pilger auf dem Petersplatz. Foto: J. Chromik
35 Pilger aus den Bistümern Dresden-Meißen, Görlitz und Magdeburg nahmen an der 1. Internationalen Gehörlosenwallfahrt Ende Juni nach Rom teil.

Dresden/Rom, 01.07.08: Am Anfang stand eine Einladung: die Internationale Katholische Stiftung für den Dienst an Gehörlosen (ICF) teilte mit, dass am 25. und 26. Juni 2008 die erste, weltweite Wallfahrt von Gehörlosen nach Rom stattfinden sollte. Das Motto der Pilgerreise: „Viele Sprachen – ein Glaube.“ Auch Gehörlose aus der mitteldeutschen Region ließen sich dies nicht entgehen – sie begaben sich gemeinsam mit einigen Familienangehörigen und Gehörlosenseelsorgern am 22. Juni dieses Jahres auf die Reise. Denn wenn man den weiten Weg nach Rom auch schnell mit dem Flugzeug zurücklegen kann, wollte die Reisegruppe aus den drei Diözesen Magdeburg, Görlitz und Dresden-Meißen doch auch genügend Zeit haben, neben der eigentlichen Wallfahrt die Stadt, ihre geschichtsträchtigen Orte, ihre wichtigsten Kirchen kennen zu lernen: den Petersdom, die vatikanischen Museen, die Lateranbasilika, St. Paul vor den Mauern, die Katakomben und vieles mehr.

Gebärdensprachdolmetscher für fünf verschiedene Gebärdensprachen bei der Generalaudienz des hl. Vaters. Foto: Jan Chromik


Doch schon am zweiten Reisetag, am Dienstag, dem 24., trafen die Pilger am Trevibrunnen auf erste Vorboten der großen Wallfahrt: Gehörlose aus Venezuela, Wales und Italien, die alle das selbe Ziel hatten. Gebärdensprachen sind zwar weltweit nicht identisch, dennoch hat die Verständigung im persönlichen Gespräch gleich gut funktioniert. Es war ein großes Hallo, die Venezolaner wollten gleich ein spontanes gemeinsames Foto.

Auch bei der Hl. Messe der verschiedenen deutschen Reisegruppen in der Kirche der deutschsprachigen Gemeinde in Rom, Santa Maria dell� Anima, konnten sich die gehörlosen Wallfahrer noch am selben Nachmittag schon weiter auf das große Ereignis an den nächsten zwei Tagen einstimmen. Dafür sorgte schon der Gebärdenchor aus dem Bistum Trier, die konzelebrierenden Priester aus mehreren Diözesen, die Predigt des Generalpräses des Verbandes der Katholischen Gehörlosen Deutschlands, Diakon Josef Rothkopf sowie ein Anspiel der Reisegruppe aus den Bistümern Mainz und Limburg, in dem Johannes der Täufer
vorgestellt wurde. Ungefähr 150 katholische Gehörlose aus verschiedenen deutschen Diözesen und zwei kleine Delegationen aus Österreich und der Schweiz hatten sich in der „Anima“ eingefunden.

Die Fahne des Bistums Dresden-Meißen wurde bei der Hl. Messe mit Erzbischof Kelly im Petersdom feierlich nach vorn getragen. Foto: P. Brinker


Papst Benedikt sah bei der wöchentlichen Generalaudienz am Mittwoch Vormittag etwas, was auch für ihn ungewöhnlich gewesen sein mag: auf einem eigens eingerichteten Bereich auf dem Petersplatz jubelten ihm ungefähr 2.000 Hände aus den Pilgergruppen der Gehörlosen zu, die sich schon früh in der römischen Hitze dort eingefunden hatten. Und an einer Stelle ballten sich knallgelbe Mützen, an denen man die Wallfahrer aus den drei mitteldeutschen Diözesen erkennen konnte. Auf den großen Bildschirmen, die gewöhnlich die Audienz noch sichtbarer machen, waren verschiedene Dolmetscher eingeblendet, die, unterstützt von weiteren auf dem Platz, die gesprochenen Botschaften des Papstes in verschiedene Gebärdensprachen übersetzten.

Am Nachmittag des Mittwoch fand etwas außerhalb der Stadt am Pilgerzentrum „Divino Amore“ dann ein Fachkongress statt, bei dem Gehörlose und Seelsorger sich über Themen ihrer Arbeit gegenseitig informieren und austauschen konnten. Die Organisatoren mussten dazu mit Bildschirmen und Kopfhörern ein raffiniert ausgeklügeltes Netz von Weiterübersetzungen zwischen verschienen Laut- und
Gebärdensprachen betreiben, damit wirklich alle im Saal die Beiträge verstanden, auch die kleinen Delegationen aus Südkorea, den Niederlanden und der Slowakei.

Gehörlose aus allen Kontinenten feierten am 26. Juni mit dem Liverpooler Erzbischof die Hl. Messe im Petersdom. Foto: Jan Chromik


Der Donnerstag hielt für die gebärdenden Pilger aus aller Welt einen weiteren Höhepunkt ihrer Wallfahrt bereit: eine feierliche Hl. Messe mit Erzbischof Kelly aus Liverpool, dem Präsidenten der ICF – sowie fast 60 konzelebrierenden Priestern aus der Gehörlosenseelsorge. Nah am Grabe des hl. Petrus, im hinteren Chor des Petersdomes, fand diese beeindruckende Eucharistiefeier statt. Gebärdenchöre aus verschienen Kontinenten gebärdeten den Lobpreis Gottes in verschiedener Weise, die Fahnen beteiligter Nationen, Vereinigungen und Diözesen zeigten die Vielfalt wie die Einheit im Glauben der Welt der katholischen Gehörlosen. Es
wurde wirklich spürbar: „Viele Sprachen – ein Glaube.“, bzw. „Viele Gebärden – ein Glaube.“ Dies verdeutlichte der Erzbischof, indem er in seiner Predigt den Gehörlosen eine gemeinsame Glaubensgebärde „schenkte“ (d. h. sie vormachte und alle Anwesenden zur gemeinsamen Wiederholung einlud), die sie als Zeichen der Verbundenheit in Christus mitnehmen sollten.

Deutschland – Spanien – England – USA – Irland – Italien: bei der Begegnung im Pilgerzentrum “Divino Amore� wurde deutlich: gehörlose Christen verbindet ihr Glaube und die Gebärdensprachkultur über Ländergrenzen hinweg. Foto: Jan Chromik


Nach diesen beeindruckenden Erlebnissen konnte das gemeinsame Essen und die gegenseitige Begegnung am Nachmittag im Pilgerzentrum „Divino Amore“ nur noch ein voller Erfolg werden. Es war sicher ein wenig eng im Speisesaal, aber nach einer Weile unterhielt sich auch die mitteldeutsche Pilgergruppe munter mit Iren, Spaniern, Amerikanern, Engländern und vielen anderen. Kleine Geschenke, die untereinander ausgetauscht wurden, zeigten den jeweils anderen: „Dies ist meine Heimat, meine Diözese, meine Gehörlosengemeinde ...“.

Pilger der Gehörlosenwallfahrt unter der Kuppel des “Pantheon�, der Kirche der heiligen Maria zu den Heiligen. Foto: Gregor Hansel


So konnte Erzbischof Kelly am späten Nachmittag eine frohe, erfüllte, große Pilgerschar mit dem Eucharistischen Segen bei der Schlussandacht in der Wallfahrtskirche „Divino Amore“ wieder in die Heimat entlassen. Für die Wallfahrer aus den Bistümern Dresden-Meißen, Görlitz und Magdeburg hieß dies aber zum Glück, dass noch ein weiterer Tag für den Besuch der Domitilla-Katakombe und einen kurzen Blick auf das antike Rom zur Verfügung stand, sowie ein schöner Abschluss in einem gemütlichen italienischen Restaurant. „Viele Gebärden – ein Glaube.“ – sicher ist dies für die mitreisenden Pilger lebendig und erfahrbar geworden. Eine Erfahrung, die sicher in den Gehörlosen- bzw. Hörgeschädigtengemeinden unserer Region Gutes bewirken kann.

Peter Brinker

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