"Vom Sinn der Beicht" - von Bischof Joachim Reinelt

Fastenhirtenwort 2008


Keiner kann sich selbst taufen, keiner kann sich selbst firmen. Ebenso kann sich niemand selbst die Lossprechung von den Sünden erteilen. Die Absolution durch den Priester ist das Ostergeschenk Christi an seine Kirche.

Liebe Schwestern und Brüder,

die Liebe Gottes zu uns Menschen war so groß, dass er uns mit der Gabe der Freiheit ausgestaltet hat, obwohl er wusste, dass das ein großes Risiko war und ist. Der Mensch kann seine Freiheit missbrauchen. Ohne Freiheit aber wäre das Leben nicht ein Leben des Menschen. Wir würden dem Tier gleich. Weil wir frei sind, können wir lieben. Weil wir frei sind, können wir uns für das Gute entscheiden. Aber weil wir frei sind, können wir auch das Böse wählen. Deshalb gibt es in dieser Welt die Sünde. Gott hat uns jedoch auch mit der Sünde nicht alleingelassen. Der Sohn des lebendigen Gottes hat dem Gelähmten das große Wort der Vergebung gesagt: „Deine Sünden sind dir vergeben“.

Dieses wohltuende Wort Gottes braucht jeder von uns. Denn „wenn wir sagen, dass wir keine Sünde haben, führen wir uns selbst in die Irre, und die Wahrheit ist nicht in uns. Wenn wir unsere Sünden bekennen, ist er treu und gerecht; er vergibt uns die Sünden und reinigt uns von allem Unrecht. Wenn wir sagen, dass wir nicht gesündigt haben, machen wir ihn zum Lügner, und sein Wort ist nicht in uns.“( 1Joh 1,8) „Meine Kinder, ich schreibe euch dies, damit Ihr nicht sündigt. Wenn aber einer sündigt, haben wir einen Beistand beim Vater: Jesus Christus, den Gerechten. Er ist die Sühne für unsere Sünden, aber nicht nur für unsere Sünden, sondern auch für die der ganzen Welt.“ (1Joh 2,1-2).

Gottes Wunsch, seiner großen Liebe entsprechend, ist es, uns zu verzeihen. Wenn Gott sich danach sehnt, uns Vergebung schenken zu können, dann wäre es die Ablehnung Gottes selbst, wenn wir sein Angebot nicht annehmen würden. Deshalb ist das Bußsakrament ein besonderes Geschenk der Liebe des Herrn. Um uns von unseren Sünden zu befreien, ist Christus durch Kreuz und Hölle gegangen. Diese seine Liebe zum Sünder bewegt uns zur Beichte.

Manche stellen sich hier die Frage, warum kann ich meine Sünden nicht unmittelbar von Gott vergeben lassen. Wozu brauche ich einen Priester? Ganz offensichtlich hat der Herr alles sakramentale Wirken an die Kirche geknüpft. Keiner kann sich selbst taufen, keiner kann sich selbst firmen. Ebenso kann sich niemand selbst die Lossprechung von den Sünden erteilen. Die Absolution durch den Priester ist das Ostergeschenk Christi an seine Kirche. „Am Abend des ersten Tages der Woche, als die Jünger aus Furcht vor den Juden die Türen verschlossen hatten, kam Jesus, trat in ihre Mitte und sagte zu ihnen: Friede sei mit euch!... Wie mich der Vater gesandt hat, so sende ich euch. Nachdem er das gesagt hatte, hauchte er sie an und sprach zu ihnen: empfangt den Heiligen Geist! Wem Ihr die Sünden vergebt, dem sind sie vergeben; wem Ihr die Vergebung verweigert, dem ist sie verweigert“
(Joh 20,19-23).

Gott nimmt Menschen in seinen Dienst, um dem zur Umkehr bereiten Sünder gewissermaßen handgreiflich zu zeigen, dass die Sünde vergeben und ausgelöscht ist. Wir empfangen ein göttliches Geschenk: vollkommene Erneuerung, himmlische Freude. Im Augenblick der Lossprechung mindestens ist der Bußfertige so vollkommen, dass die Heiligkeit durch Gottes Wirken einen einmaligen Höhepunkt erreicht. Ohne diese Erfahrung bleibt unsere Erkenntnis der Liebe Gottes eher mangelhaft. Er aber will uns die Fülle schenken.

Deshalb ist die Frage, wie oft muss ich denn beichten, oder wann ist es denn unbedingt erforderlich, eigentlich absurd. Gott will mir seine Güte entgegenbringen und ich frage mich, wie oft muss ich sie annehmen? Wer liebt, öffnet sich Gott und lässt sich beschenken. Die Heiligen der Kirche haben gerade dieses Sakrament besonders gern empfangen, obwohl sie doch weniger gesündigt haben, als wir Durchschnittschristen. Wer die Gabe gekostet hat, hat immer neu Verlangen nach dem, der so liebt. Er spürt, dass er ein feineres Empfinden für seine Fehler und Schwächen empfängt. Er nimmt die geistliche Führung des Beichtvaters an. Dabei geht es nicht um ein ständiges Wühlen in den eigenen Sünden, sondern um eine stärkere Sehnsucht nach der Reinheit Gottes. Sich Gott öffnen, für ihn durchsichtig werden, für ihn und seine Kirche immer mehr zur Verfügung stehen - das wächst in einer guten Beichte. Während der Sünder sich bedeckt hält wie Adam mit dem Feigenblatt, öffnet sich der Büßer wie eine Blume der Sonne. Da lässt Gott Neues wachsen. Die Kraft des Lichtes bereitet die Früchte.
In der Beicht geht es nicht um ein Lippenbekenntnis, sondern um eine Offenheit, die im Dreifaltigen Gott zwischen Vater und Sohn durch den Heiligen Geist in totaler Vollkommenheit existiert. Sünde sucht das Versteck, Sündenbekenntnis sucht das Licht. Gott liebt die Offenheit. Vor ihm bleibt sowieso nichts verborgen. Die Beicht tut uns gut, deswegen ist sie etwas Menschliches. Wer seine Sünde ins Unterbewusstsein verdrängt, schadet sich sehr. Wir brauchen die Befreiung von diesem Übel. Die Last muss weg. Niemand kann das bewirken außer Gott. Wenn ich meine Sünden bekenne, steht der gekreuzigte Christus zusammen mit mir vor dem Vater, damit nach der Lossprechung für mich das Osterfest beginnt. Jede Beichte ist ein Fest der Erlösung. Weil unsere Beichte in Christus geschieht, gehen wir mit ihm durch Kreuz und Leid in die Auferstehung. Es entsteht eine noch tiefere Gemeinschaft mit Christus.

Der beste Beichtspiegel ist für uns das Evangelium. Darin zeigt uns der Herr, wie der neue Mensch aussieht. Jesus, der allen dient, der sich unter alle erniedrigt, der alle mit seiner Liebe umfasst, er ist unser Vorbild. Barmherzig sein wie er, geduldig bleiben bei aller Hektik, großzügig helfen und lachen mit den Lachenden, weinen mit den Weinenden, den Nächsten hoch achten, die Lasten des anderen tragen, - immer neu müssen wir uns an Jesus Christus ausrichten. Er ist unser Beichtspiegel. Sein Beten und Handeln sind unsere Richtschnur. So wird ein Christ neu. So gestaltet sich die Kirche neu. So erneuert sich das Angesicht der Erde. Die Gemeinschaft der Beichtenden ist ein Geschenk Gottes an die Menschheit.

Es geht also bei dem Sakrament der Buße nicht einfach um ein persönliches Bedürfnis. Es geht um eine Einladung Gottes. Es kommt zu einer tieferen Begegnung mit Gott, der schon den ersten Schritt auf uns zu getan hat, wie der barmherzige Vater im Gleichnis vom verlorenen Sohn. Ja, Beicht ist Begegnung. Der Sünder zeigt Gott und den Geschwistern in der Kirche, dass er an die Liebe Gottes glaubt.
Es lohnt sich, das zu zeigen.

Das alles gewähre uns durch das Gnadengeschenk des Bußsakramentes
der Dreieinige Gott,
der Vater der Sohn und der Heilige Geist.

Joachim Reinelt
Bischof von Dresden-Meißen

Dresden, am Beginn der österlichen Bußzeit 2008


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