Prälat Scheipers zur Einweihung des Aloys-Scholze-Hauses in Gera

Grußwort zur Namensgebung am 24. März in Gera


Aloys Scholze
"Durch die Namensgebung dieses Hauses ehren wir einen der zahllosen Märtyrer der Diktaturen des vergangenen 20. Jahrhunderts", sagte Hermann Scheipers beim Festakt am 24. März in Gera.

Liebe Schwestern und Brüder,

genau 1 Jahr vor meiner Priesterweihe schmachtete mein Bischof Petrus Legge von Dresden-Meißen im Gefängnis, denn der Kampf der Nationalsozialisten gegen Kirche und Christentum lief bereits auf vollen Touren. Da erlebte ich im Radio die Olympiade 1936 in Berlin. Die Menschenmassen aus Deutschland und aller Welt jubelten damals dem Mann zu, der neben Stalin zum größten Massenmörder unserer Zeit wurde. Genau 60 Jahre später stand ich mit Papst Johannes Paul II. und zahlreichen Bischöfen an der gleichen Stelle, wo Hitler damals stand im Olympiastadion, und erlebte die Seligsprechung von Karl Leisner aus Münster und Propst Lichtenberg – Berlin.

Welch ein Gegensatz: Dort, wo Hitler einst die Olympischen Spiele für seine verbrecherischen Absichten missbrauchte, wurden nun 2 Märtyrer des Nazi-Regimes selig gesprochen. Dort, wo damals die stolze Selbstbehauptung der Nationalsozialisten demonstriert wurde, stand nun der Altar der Selbsthingabe unseres gekreuzigten Herrn und wurden jetzt die in seiner Nachfolge Gekreuzigten geehrt.

Da, wo Leistung groß geschrieben wurde, galt jetzt die Würde derer, die nur noch leiden konnten und leiden mussten bis in den Tod hinein, weil sie dem Massenmörder in der Treue zu Christus unerschrocken Widerstand leisteten.

Liebe Schwestern und Brüder,

heute ehren wir durch die Namensgebung dieses Hauses einen der zahllosen Märtyrer der Diktaturen des vergangenen 20. Jahrhunderts. Wir ehren den Märtyrer der Nächstenliebe, Aloys Scholze. Ein halbes Jahr nach mir kam er nach Dachau auf Block 26, Stube 4. So wie ich hatte auch er für französische Kriegsgefangene Gottesdienste gehalten und sich seelsorglich den Zwangsarbeitern gewidmet.

Beide hatten wir den Nationalsozialisten Widerstand geleistet, nicht so sehr durch provozierende Predigten, sondern durch die Tat, durch konsequentes Wirken unserer priesterlichen Berufung. Als „Staatsfeinde“ trugen wir deshalb diesen roten Winkel, so wie alle aktiven Widerstandskämpfer, die Kommunisten und Sozialdemokraten. Aloys Scholze hat über 1 Jahr gelitten und die Hölle von Dachau nicht überstanden – er war ja 20 Jahre älter als ich – am 01.09.1942 ist er buchstäblich verhungert.

In diesem schlimmsten Hungerjahr 1942 sind von den 3.000 Priestern schon 730 ums Leben gekommen, davon 336 in der Gaskammer. Ich wäre einen Monat vor seinem Tod der 337. gewesen, wenn meine Zwillingsschwester mich nicht durch ihre mutige Intervention in der Höhle des Löwen, dem Reichssicherheitshauptamt in Berlin vor dem Vergasungstod gerettet hätte.

Liebe Schwestern und Brüder,

zum Wort Christi „Ich bin gekommen, damit sie das Leben haben und es in Fülle haben“, sagt uns Paulus, wo dies Leben in Fülle sichtbar wird: „Immer werden wir, obgleich wir leben, um Jesu willen dem Tod ausgeliefert, damit auch das Leben Jesu an unserem sterblichen Leib sichtbar wird.“ Genau das habe ich an meinen Mitbrüdern in Dachau erlebt, vor allem auch an meinem Mitbruder Aloys Scholze.

Nie vergesse ich das Wort des Kommandanten bei unserer Einlieferung: „Ihr seid aus der Volksgemeinschaft ausgestoßen und seid hier wehrlos, ehrlos und rechtlos“ – war nicht auch Christus aus der Volksgemeinschaft ausgestoßen, stand rechtlos vor Pilatus und dem Hohen Rat und hing wehrlos und ehrlos am Kreuz?

Liebe Schwestern und Brüder,

ich freue mich sehr, dass neben den beiden anderen Märtyrern unseres Bistums, Alois Andritzky und Dr. Bernhard Wensch nun auch Aloys Scholze heute auf den Schild gehoben wird. Möge sein Beispiel allen in diesem Haus Tätigen Ansporn sein zu selbstloser Nächstenliebe.

Prälat Hermann Scheipers,
Priester des Bistums Dresden-Meißen


Mehr über Hermann Scheipers in: Gratwanderungen - Priester unter zwei Diktaturen...


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