Prälat Scheipers zur Vortragsreise in den USA

Überlebender des KZ Dachau berichtete von seinen Erfahrungen und warnte vor totalitären Regimen

Claudia Candidori-Girard aus Dachau (l.) und Prälat Hermann Scheipers mit seiner Häftlingsnummer am Revers vor dem Weißen Haus in Washington.      Foto: Claudia Candidori-Girard

Claudia Candidori-Girard aus Dachau (l.) und Prälat Hermann Scheipers mit seiner Häftlingsnummer am Revers vor dem Weißen Haus in Washington.      Foto: C. Candidori-Girard


Dresden/Washington, 23.11.09: Der päpstliche Ehrenprälat Hermann Scheipers aus Ochtrup, letzter noch lebender deutscher Priester des Konzentrationslagers Dachau, beschrieb auf einer Vortragsreise in den USA seine Erlebnisse im Dritten Reich. Vor meist jungen Zuhörern in Philadelphia, Williamsport und Washington berichtete er von seiner Verhaftung  und Einlieferung ins Polizeigefängnis Leipzig 1940 aufgrund seines seelsorglichen Engagements. Scheipers wollte mit polnischen Zwangsarbeitern eine Heilige Messe feiern. Als die Verantwortlichen nach einem halben Jahr Haftzeit nicht zum Ziel kamen, ihn von seinem Priesterberuf abzubringen und für eine Freilassung „weichzukochen", wurde Scheipers im März 1941 ins KZ Dachau eingeliefert.

Auch berichtete er, wie er mehrfach dem sicheren Tod entkam. So rettet beispielsweise seine Zwillingsschwester Anna durch ihr mutiges Eintreten im Reichssicherheitshauptamt in Berlin nicht nur sein Leben, sondern zudem viele hundert andere Geistliche vor dem Tod in der Gaskammer. Insgesamt sieben Mal schwebte der damals gerade Dreißigjährige im KZ in Todesgefahr. Somit hatte sich die unmittelbare brutale und menschenverachtende Ankündigung beim ersten Appell im KZ Dachau bewahrheitet, bei denen den Eingelieferten erklärt wurde: „Ihr sind hier ehrlos, rechtlos, wehrlos und von der deutschen Volksgemeinschaft ausgestoßen!" 

„Ich habe Gott eine Blankovollmacht für mein Leben erteilt", erklärte Prälat Scheipers seinen beeindruckten Zuhörern, als er im Polizeigefängnis Leipzig erfuhr, dass er allein wegen seines kompromisslosen christlichen Glaubens ins KZ nach Dachau überführt werden sollte, ohne jemals gegen irgendein Gesetz verstoßen zu haben. „Und alle Angst verschwand plötzlich," gab Prälat Scheipers ein weiteres bewegendes Zeugnis seines Vertrauens in Gottes Liebe, die er auch in größter Bedrängnis im KZ unablässig erfahren durfte und die ihn die vier Jahre Haftzeit ruhig bleiben ließ, auch in Augenblicken größter Todesgefahr. „Ich wollte immer nur Priester sein, der Liebe Gottes dort folgen, wo er mich am nötigsten brauchte," lautete schon immer sein Lebensziel. Die Freiheit sollte er erst vier Jahre später durch eine waghalsige Flucht auf dem Todesmarsch in Starnberg wiedererlangen.

Prälat Scheipers folgte nach Mitteilung des Kreisdekanatsbüros in Steinfurt - der Region im Münsterland, aus der Prälat Scheipers stammt, und in die er nach seiner Pensionierung zurückkehrte - einer Einladung von Professor Steven J. Moff vom Penn College in Williamsport, den er vor einigen Jahren bei dessen Besuch in Deutschland kennen gelernt hatte.

Für viele amerikanische Zuhörer war es neu, dass nicht nur Juden in der Hölle der Konzentrationslager der Nationalsozialisten umkamen, sondern auch zahlriche internierte Geistliche aller christlichen Konfessionen. Bei seinen Vorträgen am Pennsylvania College of Technology, am Lycoming College und anderen Hochschulen waren die Zuhörer erstaunt und überrascht von den mutigen und unverdrossenen positiven Lebensberichten des inzwischen 96-jährigen, immer noch sehr agilen Prälaten, der für seine Vorträge minutenlange Standing Ovations erhielt.

Zu den Höhepunkten der 12-tägigen Vortragsreise im Oktober gehörte ein Empfang, den der deutsche Botschafter Dr. Klaus Scharioth in Washington für den Gast aus Deutschland ausrichtete. Dr. Scharioth hob die Botschaft des Gottvertrauens und der Vergebung hervor, mit der Prälat Scheipers besonders die jungen Menschen zu begeistern und zu überzeugen verstand. „Sie sind ein Brückenbauer zwischen den Völkern und den Generationen", würdigte der Botschafter das beispielgebende Glaubenszeugnis des Priesters aus dem Bistum Dresden-Meißen.

Auch die Verleihung der Ehrenbürgerrechte der Stadt Williamsport, die Messfeier und die vielen persönlichen Gespräche in der St. Jacobs-Gemeinde in Falls Church und der Besuch des Holocaust-Museums zählten zu den nachhaltigsten Ereignissen dieser Reise.

„Das beispiellose Lebenszeugnis von Prälat Scheipers in der geistlichen und geistigen Auseinandersetzung mit dem historischen Geschehen hat nicht nur die jüngere Generation tief bewegt, sondern alle etwa 1.500 Zuhörer innerlich positiv berührt", zieht Claudia Candidori-Girard, Referentin, an der Gedenkstätte des Konzentrationslagers Dachau,  ein Fazit dieser Vortragsreise. Scheipers Beitrag zur Erinnerungskultur ziele auf Vergebung, Nächstenliebe, unerschütterliches und Mut machendem Gottesvertrauen. „Er hat nie Rachegefühle gegen seine Bewacher verspürt, sondern tiefes Mitleid. Diese Haltung ist außergewöhnlich". Candidori-Girard hatte Prälat Scheipers während der Fahrt ehrenamtlich begleitet und bei seinen Vorträgen und Gesprächen als Dolmetscherin fungiert.

Besonders beeindruckend fand sie, dass Scheipers denen, die ihm unsäglich viel Leid zugefügt haben, längst vergeben und verziehen hat. So rufe er stets zum Frieden und zur Versöhnung auf und dazu, wachsam zu sein gegenüber gewalttätigen Ideologien und politischen Tendenzen. 

Benno Hörst


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