Gesellschaft - Kirche - Ethik 

Schlaglichter von der "Messe für Pastoral in der Diaspora"

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Schmochtitz (Bautzen), 19.10.2009 (KPI): Wenn Menschen in Not sind, rufen sie nach der Kirche und gehen in die Kirche. Darüber schien am vergangenen Sonnabend in Schmochtitz Einigkeit zu herrschen, als Bischöfe, Politik-, Wirtschafts- und Kulturvertreter darüber diskutierten, was die Gesellschaft von der Kirche erwarte.

Rheinsberg 
Chefdramaturgin Ilsedore Rheinsberg, Dresden

"Die Menschen suchen die Kirche als Ort, an dem sie einen anderen Teil von sich spüren", gab sich die Chefdramaturgin der Dresdner Semperoper, Ilsedore Rheinsberg, überzeugt. Zugleich müsse es aber - in der Kirche wie in der Oper - immer ein Nehmen und Geben sein, um Nachhaltigkeit zu gewährleisten, betonte sie im Rahmen eines Forums bei der "Pastorale! Messe für Pastoral in der Diaspora".

Reinelt Bischof Joachim Reinelt

In Notsituationen erwarte der Mensch von der Kirche einfach alles, pflichtete ihr Bischof Joachim Reinelt bei, fügte aber gleich die Frage an, welche Erwartungen denn Gott an die Gesellschaft habe. Bereits im alttestamentlichen Buch des Propheten Jesaja stehe die Klage Gottes: "Ich wäre zu erreichen gewesen für die, die nicht nach mit fragten, ich wäre zu finden gewesen für die, die nicht nach mir suchten. Ich sagte zu einem Volk, das meinen Namen nicht anrief: Hier bin ich, hier bin ich. Den ganzen Tag streckte ich meine Hände aus nach einem abtrünnigen Volk, das einen Weg ging, der nicht gut war, nach seinen eigenen Plänen, nach einem Volk, das in seinem Trotz mich ständig ärgert." (Jes 65,1-3) Dies bedeute, so der Bischof, "dass Gott um die Gesellschaft kämpft, auch um die heutige!" Unsere heutige Erfahrung sei eine typische, nicht eine letzte.

Auch der Erfurter Bischof Joachim Wanke fand einen Blick in die Kirchengeschichte tröstlich. Das Evangelium sei Anspruch und Verheißung zugleich für uns nicht-perfekte Menschen. Er plädierte für einen Mentalitätswechsel: zu hören und zu sehen, wo es Anknüpfungspunkte dafür gebe, was das Evangelium verheißt.

Philosophieprofessor Eberhard Tiefensee fragte kritisch, ob der Glaube ein Bedürfnis des Menschen bediene, oder ob christliche Verkündigung nicht eher Bedürfnisse unterbrechen solle.

Renoeckl Prof. Dr. Helmut Renöckl

Bei aller Wichtigkeit caritativen, diakonischen Handelns reiche dieses alleine jedoch nicht aus. Davon ist der Ethiker Prof. Dr. Helmut Renöckl, Linz, überzeugt. Er sieht hinter der globalen Krise des Finanz- und Wirtschaftssystems tiefere Probleme: Menschen fühlten sich fremdbestimmt und getrieben. Das mache sie unsicher.
Die Globalisierung des Marktes und die weltweite Vernetzung schufen eine neue Verteilung der Arbeitsplätze. Da auch auf globaler Ebene Menschen handeln, hätten sie eben auch Verantwortung - diese Verantwortlichkeit für globale Wirkungen müsse ethisch noch mehr bedacht werden, so der Linzer Professor. Bei der Globalisierung drohe die soziale Qualität auf der Strecke zu bleiben. Daher fordert er die Kirchen auf, "über die Sozialdienste nicht nur in der Reparatur aktiv zu sein, sondern im Vorfeld für Chancengleichheit zu sorgen".
In besonderem Maße seien eine "Achtsamkeit für das Ganze, ein Sinn für Rhythmen" wie auch bewusstes Bedenken von Zukunftsfähigkeit notwendig.

Die Gemeinschaft und die Tatsache, dass Christen auch im Schmerz beim Menschen präsent sind, bewertet Bischof Joachim Reinelt als das am meisten anziehende Element der Kirche.

"Gott ist immer schon da - und das können wir auch bei anderen Menschen annehmen", fasst Mechthild Gatter, beim Caritasverband für das Bistum Dresden-Meißen e.V. zuständig für die Ehrenamtlichen, ihre Erfahrungen zusammen. Viele kleine Schritte und ein langer Atem seien notwendig, denn "wir werden keine schnellen Erfolge haben", so Frau Gatter.

Elisabeth Meuser


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