"Ich möchte gerne mitsingen" 

Ein Dresdner Kapellknabe berichtet 

Kapellknaben in der Dresdner Kathedrale

"Ich möchte gerne mitsingen" - wie viele Jungen der zweiten oder dritten Klasse wünschte auch ich vor sechs Jahren, im Chorgesang der Dresdner Kapellknaben mitwirken zu dürfen. Dazu gibt es aber einige Vorraussetzungen: Die Kinder sollten, um „Kapelli" zu werden, ein gewisses musikalisches Talent mitbringen. Und christlich, wenn möglich katholisch, sollten sie sein; aber das ist keine notwendige Voraussetzung. Wichtig ist, dass sie in der Schule nicht zu schlecht sind, denn das Singen ist ein beinahe täglicher Dienst, der harte Anstrengungen und Zeit fordert. Zuerst aber stellen sich die Kinder in der Regel zusammen mit ihren Eltern erst einmal dem Domkapellmeister, Kirchenmusikdirektor Matthias Liebich, und Internatsleiter Michael Hirschmann in der Wittenberger Str. 88 in Dresden-Striesen vor. Und die achten nicht nur auf das musikalische Können, sondern auch auf die Persönlichkeit. Denn jeder Bewerber muss sich gut in die ca. 100 Sänger umfassende Gemeinschaft einfügen können.

Wie wird man Kapellknabe?

Nach dem Aufnahmegespräch absolvierte ich wie alle künftigen Kapellknaben die Vorschule des Chores. Hier haben uns die Stimmbildner die Grundlagen des Singens erklärt. Am Ende dieser Zeit schrieben wir über diesen Stoff eine schriftliche Arbeit, die ähnlich wie in der Schule war, und mussten vor Herrn Liebich vorsingen. Denn er entscheidet am Ende, ob der Junge für diesen Chor geeignet ist oder nicht. Wenn nicht, fließen auch manchmal Tränen. Als ich diese Hürde geschafft hatte, durfte ich mich stolz „Dresdner Kapellknabe" nennen. Nun folgte noch feierlich in der Kathedrale die Einkleidung, das heißt, ich durfte ab jetzt das Gewand der Dresdner Kapellknaben tragen und den Gottesdienst am Sonntag in der Kathedrale mitgestalten.

Kapellknaben in der Dresdner Kathedrale


Wie ist es, Kapellknabe zu sein?

Ein „Kapelli" muss viel Disziplin mitbringen, denn geprobt wird auch am Wochenende. Die Probenzeit ist im Chorplan, der von Herrn Liebich sowie Sekretärin Juliane Neutsch-Hebeis aufgestellt wird, festgelegt. Dieser Aufwand ist notwendig, um am Programm zu arbeiten, denn schließlich gehört dieser Chor der Kathedrale zu den besten seiner Art, und das kommt nicht von ungefähr.
Sänger, die weit außerhalb von Dresden leben, ziehen, sobald sie in die Vorschule des Chores gehen, in das eigene Internat im Hause ein. Hier essen, beten, wohnen und schlafen sie unter einem Dach. Die 40 Plätze im Haus für sie sind meist alle belegt. Viele der Internatler kommen aus Sachsen, besonders häufig aus Leipzig und Chemnitz, aber hin und wieder gibt es auch Sänger etwa aus Nordrhein-Westfalen oder Baden-Württemberg. Manche anderen Kapellknaben fungieren als Tagesschüler. Ähnlich wie bei einem Hort kommen sie täglich nach Schulschluss in das Kapellknabeninstitut (KKI) und essen hier auch zu Mittag. In der sogenannten „Studienzeit" erledigen sie unter der Aufsicht eines Erziehers im KKI ihre Hausaufgaben und haben danach bis zur Chorprobe Freizeit. In dieser Zeit sind Fußball und Tischfußball ihre beliebtesten Betätigungsfelder. Die restlichen Sänger sind - so wie ich - sogenannte Externe. Wir kommen nur zu den Proben ins KKI. Wie mehr als die Hälfte der „Kapellis" bin auch ich Schüler des St. Benno-Gymnasiums, dessen Träger das Bistum Dresden-Meißen ist.

Jeder Knabe hat zweimal im Monat „Stimmbildung", um mit den Stimmbildnern die richtige Technik des Singens zu üben, damit der Chorgesang dann gut klingt. Einmal in der Woche erhält jeder Knabe Instrumentalunterricht, d.h. jeder Sänger lernt ein Instrument zu spielen. Dabei kann er zwischen Klavier, Flöte und Geige wählen. Wer kein Internatsschüler ist, sollte das Instrument im Hause haben, um dort üben zu können. Einmal jährlich muss dann jeder in der Instrumentalprüfung sein Können unter Beweis stellen: Die Musiklehrer des KKI bewerten zusammen mit Herrn Liebich und Herrn Hirschmann die einzelnen Leistungen. Denn jeder Kapellknabe bekommt am Ende des Schuljahres ein Zeugnis des KKI mit Noten für Gesang, Stimmbildung und die Leistungen am Instrument. Somit haben wir Kapellis neben den Anforderungen der Schule also noch eine Menge weitere Herausforderungen.

Kapellknabeninstitut in Dresden

Das Dresdner Kapellknabeninstitut in der Wittenberger Straße.

Was ist das Besondere?

Als Belohnung für gutes Singen, aber auch für entsprechenden Fleiß, z.B. am Instrument, und mit einer Portion Glück durfte ich dann bei einigen der zahlreichen Konzertreisen mitfahren. Diese führten die Kapellknaben schon in ferne Staaten wie z.B. Kuba und die USA, aber auch in nahegelegene Städte wie Bautzen oder Mittweida. Wir sangen auch schon vor Papst Johannes Paul II. und Papst Benedikt XVI. im Vatikan. Das Schönste bei den Konzertreisen ist für mich als Externer die Gemeinschaft, z.B. mit den Freunden im selben Zimmer zu wohnen. Es tut einfach gut, nach einem langen, anstrengenden Konzert mit vertrauten Kameraden zu reden und zu spielen.

Was passiert nach dem Schulabschluss?

Das KKI und Matthias Liebich streben an, dass die jungen Sänger sich für die Geschichte der „alten Musik" interessieren, und hoffen, dass der eine oder andere eventuell Kantor werden möchte. Aber auch das Orgelspiel entdeckt dabei mancher für sich. Für eine musikalische Karriere reicht es allerdings nur bei sehr wenigen Kapellknaben. „Dafür müssen sie supergut sein", ist Matthias Liebich überzeugt. Aber ein Kapellknabe muss ja nicht unbedingt eine Sängerkarriere anstreben. Auch ohne dies kommen sie gern nach dem Schulabschluss an die Wittenberger Straße zurück und erinnern sich mit Freude an die gemeinsame Zeit hier. Und das ist auch der Sinn der Gemeinschaft, den ich als Kapellknabe erlebe.

Kapellknaben - seit 300 Jahren

Im vergangenen Jahr feierte das KKI zusammen mit dem Dresdner St. Benno-Gymnasium seinen 300. Geburtstag. Die Kapellknaben wurden gegründet, um Gottes Wort in Sachsen zu verkünden, und genau das machen wir auch über 300 Jahre später noch.

MK

Kapellknaben in Pirna 2008

Die Dresdner Kapellknaben sangen bei der Abschlussandacht des Dekanatstages in Pirna 2008 (der Verfasser dieses Beitrags steht in der 1. Reihe, 4.v.r.).



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