"Entschieden für eine ökosoziale Marktwirtschaft"

Europa-Akademie beschäftigte sich mit Herausforderungen für Christen angesichts der Finanz- und Wirtschaftskrise

Seminarteilnehmer.

Formulierten die Schmochtitzer Thesen: Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer des Seminars in Schmochtitz.

Schmochtitz/Bautzen, 30.09.10: „Die Wirtschafts- und Finanzkrise - Herausforderung für Christen in Europa" - so lautete der Titel des 16. Osteuropa-Seminars (Europa-Akademie), die vom 26. bis 30. September im Bischof-Benno-Haus in Schmochtitz nahe Bautzen stattfand. Die Teilnehmer aus insgesamt neun mittel- und osteuropäischen Nationen beschäftigten sich zum einen mit der Frage, inwieweit die weltweite Finanz- und Wirtschaftskrise, die seit nun mehr als drei Jahren bestimmendes Thema in der Wirtschafts- und Sozialpolitik vieler Länder ist, eine Antwort aus christlicher Perspektive. Zweiter Schwerpunkt war die Frage, ob aus der Botschaft Jesu und dem Evangelium theoretische wie praktische Impulse gezogen werden können für eine gerechtere, nachhaltigere und insgesamt zukunftsfähigere Wirtschaftsordnung.

So erläuterte Markus Schlimbach, stellvertretender Vorsitzender und Pressesprecher des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB) in Sachsen, im Rahmen eines Vortrags des Schmochtitzer Forums allgemeine Ursachen und Hintergründe der Wirtschafts- und Finanzkrise. Schlimbach zeichnete die Entwicklung, ausgehend von der amerikanischen Immobilienblase über die Pleite amerikanischer Investment- und Immobilienbanken bis hin zur den Rettungsmaßnahmen der verschiedenen europäischen Regierungen für Banken und Industrie nach. Anschließend stellte er mögliche Maßnahmen in Aussicht, die zu einer erneuerten und öko-sozial ausgerichteten Marktwirtschaft führen könnten.

Dr. J�nos Wildmann, Ökonom und Theologe aus Ungarn, nahm aus theologischer Sicht Stellung zum Thema und bot dadurch genügend Gesprächsstoff. Jede sozialethische Lehre der Kirche sei unnütz, wenn sie selbst nicht durch ihr Handeln Zeugnis gäbe für eine gerechtere und nachhaltigere Wirtschaftsordnung, bemerkte Wildmann durchaus kritisch auch gegenüber manchen Geschäftspraktiken kirchlicher Banken. Die Lehre, das eigene Zeugnis sowie die Offenheit und der Dialog auf Augenhöhe mit der Welt, könnten Beitrag der Kirche sein für eine zukunftsfähigere Weltwirtschaftsordnung, so Wildmann. Dies gälte insbesondere im Umgang mit Menschen und Organisationen, die sich auch aus nicht-christlichen Motiven heraus für die gleichen Ziele - Nachhaltigkeit und Gerechtigkeit - einsetzten.

Zum Abschluss stellten die Teilnehmer die aus der Tagung heraus entstandenen Projekte vor, die in den einzelnen Ländern im nächsten Jahr durchgeführt werden sollen und die so die inhaltlichen Schwerpunkte und Schlussfolgerungen der Tagung vor Ort in die Tat umsetzen. In diesem Sinne wurden ebenfalls die „Schmochtitzer Thesen 2010" verabschiedet, die klar Stellung beziehen zur Finanz- und Wirtschaftskrise.


 

Ansgar Hoffmann 



Schmochtitzer Thesen 2010

 

Die globale Wirtschafts- und Finanzkrise mit ihren Folgen betrifft viele Menschen in unseren Ländern. Wir, die Teilnehmer der 16. Europa-Akademie aus Deutschland, Litauen, Österreich, Rumänien, der Tschechischen Republik, Ungarn und Ukraine, sehen uns herausgefordert über Konsequenzen aus christlicher Perspektive nachzudenken. Für uns ist dabei die katholische Soziallehre eine besondere Hilfe.

 

1. Die Finanz- und Wirtschaftskrise hat die Grenzen eines ökonomischen Systems aufgedeckt, in dem sich die Finanzwirtschaft von der Realwirtschaft abgesetzt hat.

 

2. In einem solchen System wird eine Haltung begünstigt, die auf kurzfristige Steigerung des Profits ohne ausreichende Berücksichtigung der Folgen für das Gemeinwohl ausgerichtet ist und in einzelnen Fällen auch nicht vor kriminellen Handlungen zurückschreckt.

 

3. Die Krise hat uns gelehrt, dass wir in Zukunft europaweit eine ökosoziale Marktwirtschaft brauchen, die verstärkt auf Nachhaltigkeit und Gerechtigkeit angelegt ist.

 

4. Wir begrüßen daher ausdrücklich alle Initiativen im Finanz- und Wirtschaftssektor sowie in der Politik unserer Länder, die darauf ausgerichtet sind.

 

5. Wir sind uns bewusst, dass es dabei auch bei uns selber zu einer Umkehr kommen muss. Jeder von uns kann im seinem Alltag dabei mit ganz konkreten Schritten anfangen.

 

6. In unseren Organisationen und Gemeinschaften muss es eine Selbstverständlichkeit sein, dass unser eigenes wirtschaftliches Handeln den Kriterien Gerechtigkeit und Nachhaltigkeit entspricht.

 

7. Wir sehen unsere Kirche in der Pflicht, dass sie aus dem Geist des Evangeliums heraus mit seiner Option für die Armen entschieden für eine ökosoziale Marktwirtschaft eintritt und dabei in ihrem Reden und Handeln glaubwürdig ist.

 

Schmochtitz, den 29. September 2010

 



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