Prälat Scheipers besucht im Rahmen des ÖKT Dachau

Ausstellungseröffnungen und Vorträge auf dem Programm 

Prälat Hermann Scheipers

Überlebender des KZ Dachau und engagierter Redner gegen das Vergessen: Prälat Hermann Scheipers.



München, 18.05.10: Zwölf Jahre verbreitete der Name „Dachau" in ganz Deutschland Angst und Schrecken. 65 Jahre nach der Befreiung des Konzentrationslagers (KZ) Dachau kehrte der ehemalige Häftling Prälat Hermann Scheipers im Rahmen des 2. Ökumenischen Kirchentages (ÖKT) zu seinem Leidensort zurück.

Zu Beginn wurde mit einem Gottesdienst im ehemaligen KZ Dachau der Befreiung vom Nationalsozialismus vor 65 Jahren gedacht. Die Besucher versammelten sich zunächst in der Todesangst-Christi-Kapelle, wo zum Gedenken an die in Dachau Ermordeten Kerzen entzündet wurden. Von dort ging es in die Evangelische Versöhnungskirche. Der bewegendste Moment des Gottesdienstes waren die Worte des das Dachauer KZ überlebenden Prälaten Hermann Scheipers. Genau erinnere er sich noch an die Begrüßung durch den KZ-Kommandanten, in der er die Gefangenen als „ehrlos, wehrlos und rechtlos" bezeichnete. „War nicht auch Jesus rechtlos und wehrlos?" fragte Scheipers die dicht gedrängte Gottesdienstgemeinde. „Ich begriff in diesem Moment: Jetzt bist Du wirklich ein Jünger Christi." Die Vizepräsidentin des deutschen Bundestages, Katrin Göring-Eckhardt, Präses der EKD-Synode und Kirchentagspräsidentin Dresden 2011, rief im Rahmen des Gottesdienstes den „Auftrag der Geschichte ins Gedächtnis, der bis Heute und darüber hinaus reicht. Es darf kein Ende der Erinnerung geben. Die Auseinandersetzung mit der Vergangenheit muss von Generation zu Generation erneuert werden. Dafür steht der 2. ÖKT in München, der nicht denkbar ist, ohne auch das KZ Dachau mit einzubeziehen."

Anschließend wurde in der Todesangst-Christi Kapelle eine Ausstellung über „Geistliche im KZ Dachau" eröffnet. Auf elf Bannern, die an den Wänden des katholischen Gedenkortes hängen, sind die Biografien von einzelnen ausgewählten Geistlichen aus Polen, Deutschland, den Niederlanden, Griechenland und der Tschechoslowakei dargestellt, die während des Zweiten Weltkrieges im KZ Dachau inhaftiert waren. Die Ausstellung wurde im Rahmen des Gedächtnisbuches und der internationalen Wanderausstellung „Namen statt Nummern" erarbeitet. Von diesen elf Geistlichen leben heute wie durch ein Wunder noch vier, unter ihnen Prälat Scheipers, letzter überlebender deutscher Priester des Pfarrerblocks.

Zur großen Freude der Veranstalter konnte der 96-jährige an der Eröffnung teilnehmen. "Ich bin dankbar, meine eigene Biografie noch selbst vorstellen zu können". Weil er mit polnischen Zwangsarbeitern einen Gottesdienst feiern wollte, wurde der junge Priester 1940 in Hubertusburg verhaftet. „Für mich waren die Zwangsarbeiter nicht Untermenschen, wie es in der Nazi-Propaganda hieß, sondern Söhne und Töchter Gottes, denen meine Sorge und Liebe gleichermaßen galt wie den Deutschen", so Scheipers. Die Porträts der elf Geistlichen wurden von ehrenamtlichen Projektteilnehmern einzeln vorgestellt, dabei berichteten Wilma Geurts und ihr Sohn Martin aus Kleve über den Werdegang und das Schicksal Scheipers.

„Von guten Mächten wunderbar geborgen, erwarten wir getrost was kommen mag." Diese Hoffnung hat Dietrich Bonhoeffer, der bedeutendste Christ im evangelischen Widerstand, einige Wochen vor seiner Hinrichtung in einem Gebet zusammengefasst. Es weckt so manche Erinnerung in mir, so der Prälat, wie auch ich inmitten der Hölle von Dachau mich wunderbar geborgen fühlen durfte, in der Hand Gottes, gemäß dem schönen Wort von Guardini "Geborgenheit im Letzten gibt Gelassenheit im Vorletzten". Zur Ausstellungseröffnung ein treffendes Zitat von Hermann Scheipers: „Die Schilderung eines Einzelschicksals ist mehr als alle Statistiken und Zahlen". 

Im Karmel Kloster „Heilig-Blut" gönnte sich der Prälat nur wenig Zeit für Ruhepausen. Zwei Ausstellungseröffnungen standen dicht gedrängt auf dem fünftägigen Programm des heute in seiner westfälischen Heimat wohnenden Päpstlichen Ehrenprälaten und Ehrendomkapitulars des Bistums Dresden-Meißen beim 2. ÖKT in München. Sein Leben in beiden Diktaturen kam bei einem Podium „Widerstand ist zwecklos? - Zivilcourage in Diktaturen" im Auditorium des ICM (Münchener Messe) zur Sprache. Vier Vortragende mit Diktaturerfahrungen in verschiedenen Systemen verschiedener Epochen berichteten über ihre Erlebnisse und diskutierten über Gemeinsamkeiten und Unterschiede. Moderator war der Rektor des Berliner Canisius-Kollegs, Pater Klaus Mertes SJ.

Zum Themenbereich „Miteinander Leben - Christsein in der offenen Gesellschaft" gab es ein weiteres Zeitzeugengespräch im Karmelkloster. Was ihm Halt gab in aller Bedrängnis? „Seinen Engeln hat er befohlen, Dich zu behüten auf allen Deinen Wegen." Er spricht die Bibelverse auswendig und gelassen. Weitere Termine folgten als Gasthörer auf dem Messegelände München und tägliche Eucharistiefeiern. Wo sein Kalender noch etwas Platz ließ, standen Gesprächs- und Signierwünsche von vielen Kirchentagsteilnehmern, namhaften Journalisten und bekannten Filmemachern an.


Hermann-Josef Pape


ZUR INFORMATION

Am Pfingstmontag (24. Mai) sendet Radio WDR 5 einen Radiobeitrag von 18.03 bis 18.30 Uhr über das Wirken des Priesters des Bistums Dresden-Meißen Hermann Scheipers. "Staatsfeind", so stand es auf der Karteikarte, als der junge Kaplan von Hubertusburg ins KZ Dachau eingeliefert wurde. Wegen "freundschaftlichem Verkehr mit Angehörigen feindlichen Volkstums" habe er den Staat gefährdet. Gemeint waren damit polnische Zwangsarbeiter, um die sich der Seelsorger Scheipers kümmerte und für die er einen Gottesdienst vorbereiten wollte, da die Nazis den Polen verboten hatten, den Gemeindegottesdienst zu besuchen.

"Staatsfeindliche Hetze nach § 106 Strafgesetzbuch", lautete nach dem Krieg das "Delikt" des Pfarrers von Schirgiswalde in den Akten der DDR-Volkspolizei, Dienststelle Bautzen. Insgesamt 15 Spitzel hatte die Stasi ihn den Jahren von 1970 bis 1974 auf den in der Pfarrgemeinde beliebten Priester angesetzt - mit dem Ziel, einen Strafprozess gegen den von den roten Machthabern unliebsamen Seelenhirten einzuleiten. Obwohl er als KZ-Überlebender ein ausgewiesener "Antifaschist" war, blies ihm in seinem Heimatbistum Dresden-Meißen schon bald ein scharfer Gegenwind des DDR-Staates entgegen. Nur aus taktischen staats- und damit verbundenen kirchenpolitischen Erwägungen kam das Verfahren dann doch nicht zustande. Autorin des Beitrages mit dem Titel "Staatsfeind in der Soutane" ist Kirsten Serup-Bilfedt.  



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