"Wir haben doch alle den Herrgott lieb"

Eindrücke vom 2. Ökumenischen Kirchentag in München

Eröffnungsgottesdienst Theresienwiese

Am Eröffnungsgottesdienst auf der Theresienwiese nahmen tausende Gläubige teil.


München, 13.05.10 (KPI): Messegelände München Riem, gegen 13 Uhr. „Mach doch mal ein Foto", ruft eine ältere Dame energisch ihrem Mann zu, während sie sich beim gastgebenden katholischen Erzbischof des 2. Ökumenischen Kirchentags, Reinhard Marx, unterhakt. Der Erzbischof nimmt's sportlich und lächelt gelassen in die Kamera. Zwischen Halle 3 und Halle 4 schiebt sich ein Mann mit schlohweißem, akkurat gescheiteltem Haar, modischem Anzug und markanter Brille durch die Menge. Den kennt man doch aus dem Fernsehen - ist das nicht der Frank Walter Steinmeier, Fraktionschef der SPD im Bundestag? Und am Aufgang einer Bühne steht Grünen-Politiker Cem Özdemir und wartet auf seinen Auftritt. Es ist Kirchentag in München.

Erzbischof Reinhard Marx mit einer Kirchentagsbesucherin.

Prominenz zum Anfassen: Erzbischof Marx mit einer Kirchentagsbesucherin.


Keine 24 Stunden ist es her, da wurde das ökumenische Christentreffen mit drei großen Gottesdiensten auf der Theresienwiese, am Marien- und Odeonsplatz feierlich eröffnet. Beim anschließenden Fest der Begegnung, bei Blasmusik und Bürgerbegegnung hatte sich der Himmel - wenn auch schon nicht in den bayerischen Landesfarben weiß und blau - so doch zumindest relativ wohl gesonnen gezeigt.

An Christi Himmelfahrt allerdings werden die ökumenischen Pilger mit Nieselregen und frostigen Temperaturen auf ihren Durchhaltewillen geprüft. Immerhin: Das Wetter treibt die Besucher in die Messehallen, wo sich christliches Leben in allen Facetten präsentiert.

„Sächsische Botschaft" ist über einem großen Stand in Halle A6 zu lesen. Hier haben die Bistumsjugendseelsorge, die evangelische Landesjugend und weitere ökumenische Unterstützer im wahrsten Sinne des Wortes ein Zelt aufgeschlagen.

Sächsische Botschaft in München.

Haben eine Botschaft: Sächsische Jugendliche in München. Bistumsjugendreferent Holger Rehländer (links) im Gespräch mit einer Besucherin.


Davor stehen unter einem Schild mit der Aufschrift „Eingang" die 16-jährige Aline und der 18-jährige Huy, beide aus Dresden, und laden die Passanten ein, einen Blick hinter die Kulissen zu werfen. Aline: „In dem Zelt kann man Ökumene erleben. Man sieht die Kirchen von zwei Standpunkten aus, aber mit einem gemeinsamen Ziel." Huy: „Wer das Zelt betritt, findet zwei Fenster. Über dem einen steht �evangelisch', über dem anderen �katholisch'. Wenn man die Fensterläden öffnet, sieht man beide Male das gleiche Bild: Eine Kamera überträgt das Leben am Kirchentagsstand live auf einen Bildschirm."

"Sächsische Botschaft" für den Kirchentag

Um das Zelt herum gibt es Tische, auf denen ein Sachsenwimpel steht, und Bistrostühle. An einer Theke schenken junge Helferinnen und Helfer Kaffee und Fruchtsaft aus. Holger Rehländer, Diözesanjugendreferent, erklärt die Idee des Stands: „Bei uns kann man mit Sachsen und über Sachsen ins Gespräch kommen und Projekte der sächsischen Jugendseelsorge kennen lernen." So werden etwa die „Tage der Orientierung" vorgestellt oder auf sächsische Jugendhäuser aufmerksam gemacht.

Und welchen Stellenwert besitzt das Thema „Ökumene" für die Jugend? „Man merkt, dass es quasi keine Berührungsängste gibt", sagt Rehländer. Wir freuen uns, Dinge gemeinsam anzupacken und wollen mit der Sächsischen Botschaft zeigen, dass uns ganz vieles verbindet."

Huy und Aline

Geben Einblick über den Stand der Ökumene: Huy und Aline aus Dresden.


Etwa 35 ehrenamtliche und 10 hauptamtliche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter betreuen den Stand. Darunter ist auch der evangelische Landesjugendpfarrer Tobias Bilz. Auch für ihn ist Sachsen beim Thema Ökumene ganz weit voraus. Der Landsjugendpfarrer: „Wir glauben schon, dass es in Sachsen in der Jugendarbeit zwischen katholischer und evangelischer Kirche zurzeit keine wesentlichen Hürden gibt. Wir sind Freunde, wir sind Geschwister, und wir haben eine ganze Reihe von Aktivitäten, die wir gemeinsam machen. Da ist vieles gewachsen, auch gute persönliche Beziehungen. Ich denke, wir haben hier wirklich eine �Sächsische Botschaft' in den Kirchentag einzubringen."

Ökumenischer Kirchentag als Zeitanzeiger

Dabei möchte Bilz den Blick vor allem vom Trennenden weg und auf die positiven Schritte richten. „Ökumenischer Kirchentag ist wie eine Zeitanzeige", sagt er. „Und da kann man über das reden, was nicht funktioniert, oder man kann zeigen, was sich geändert hat. Und ich nehme wahr, wenn ich mit Leuten rede, die schon seit 30 Jahren Ökumene machen, dass wir eben doch schon vorangekommen sind. Lasst uns das Gemeinsame betonen", so Bilz.

Rollstuhlparcours

Auch Probleme im Alltag behinderter Menschen werden am Stand der Bistumsjugend nachvollziehbar.


Die 24-jährige Anne aus Bamberg hat derweil in einem der sechs Rollstühle Platz genommen, die am Stand auf einem kleinen Parcours alltägliche Hindernisse behinderter Menschen nachvollziehen lassen. Die Barrieren, sind nur wenige Zentimeter hoch. Und trotzdem kostet es Überwindung, den Stuhl mit den großen Hinterrollen anzukippen. „Ich habe da ein wenig Angst bekommen", gibt sie unumwunden zu.

Auch Frater Nikolaus, 22 Jahre alt und Zisterzienser im österreichischen Kloster Heiligenkreuz, ist bei der „Sächsischen Botschaft" zu finden. Denn eigentlich stammt er aus Dippoldiswalde und freut sich, am Stand der jungen Sachsen dabei zu sein.

Zisterzienser am Sachsenstand

„Eine gute Gelegenheit, miteinander ins Gespräch zu kommen, sich auszutauschen, gemeinsam den Weg des Glaubens zu gehen", sagt der junge Mönch. Im August sind es drei Jahre, dass er in Heiligenkreuz ist. Über Besuche mit der Dresdner Dekanatsjugend im Kloster Osek wurde er auf die Zisterzienser aufmerksam. Der kürzlich verstorbene Abt Bernhard Thebes brachte ihn schließlich zur Gemeinschaft in Heiligenkreuz.

Im Ordensgewand sucht Frater Nikolaus nun das Gespräch mit den Besuchern. Doch auch in der schwierigen Situation, in der die Kirche derzeit steht, erlebt er keine Vorwürfe. „Es gibt viele Leute, die Fragen stellen. Negative Erfahrungen habe ich aber bislang nicht gemacht", berichtet er.

Frater Nikolaus

Frater Nikolaus aus Dippoldiswalde gehört heute dem Kloster Heiligenkreuz in Österreich an.


Am Ende der gleichen Halle, am Stand des Bonifatiuswerks, findet sich ein weiterer Kirchenmann aus Sachsen. Es ist der Propst der Leipziger Innenstadtgemeinde Lothar Vierhock. Allerdings wirkt er auf den ersten Blick heute eher wie ein Handwerker, der sich unter die Kirchentagsbesucher gemischt hat. Mit blauer Arbeits-Latzhose und gelber Schirmmütze empfängt er am Stand des Bonifatiuswerks, dem Diaspora-Hilfswerk der Deutschen Katholiken, die Kirchentagsbesucher. „Wir treten hier mit der Idee an, die künftige Leipziger Propsteikirche schon einmal als Modell zu bauen", erklärt Vierhock. Mit Plexiglas-Steinen entsteht so Stein für Stein eine Miniatur des Architekturentwurfs.

Propst Vierhock

Blaumann statt Collarhemd: Propst Lothar Vierhock in München.


„Seit vier Stunden hat der Stand nun geöffnet, und wir sind schon im 4. Stock angelangt", schmunzelt der Leipziger Propst über den guten Zuspruch der Besucher. „Entscheidend ist aber, dass man darüber hinaus mit den Menschen ins Gespräch kommt." Seine Erfahrungen beim Werben für das größte Kirchbauprojekt im Osten Deutschlands seit 1989 sind dabei durchaus positiv. "Bisher habe ich vielleicht drei oder vier kritische Stimmen gehört. Die überwiegende Mehrheit verabschiedet sich allerdings mit einem Schulterklopfen und einem aufmunternden �weiter so'", sagt Vierhock. 35 Mitglieder seiner Gemeinde und weitere Unterstützer aus anderen Gemeinden werben mit ihm für den Kirchenneubau.

Auch Schwester Magdalena, Dominikanerin aus Leipzig, ist am Stand des Bonifatiuswerks dabei. Normalerweise wohnt die Rentnerin in Reudnitz, wo sie gerne Bewohnerinnen und Bewohner in Seniorenheimen besucht. Heute steht sie am Kirchentag vor einer überdimensionalen Deutschlandkarte. Mit einer Nadel können die Besucher markieren, wo sie herkommen. Die Karte ist schon gut bestückt.

Schwester Magdalena

Schwester Magdalena am Stand des Bonifatiuswerks.


Freundlich hält Schwester Magdalena den Besuchern ihre Nadeldose entgegen. Ihr Wunsch an den Ökumenischen Kirchentag ist einfach: „Dass man noch enger zusammenwächst. Das ist mir wichtig. Ob katholisch oder evangelisch: wir haben doch alle den Herrgott lieb", sagt sie und lächelt.

Michael Baudisch

 
Zur Fotoschau vom Kirchentag - hier klicken...

 



Zurück Impressum