"Andere Zeiten" unterstützt Zittauer Neues Fastentuch

Kirche Zittau

Zittau, 05.01.2010 (KPI): Eine angenehme Überraschung bereitete der Vorstand der Initiative "Andere Zeiten e.V." der katholischen Pfarrei "Mariä Heimsuchung" in Zittau zum Jahresbeginn: Der ökumenische Verein teilte mit, dass er das Projekt "Neues Fastentuch für Zittau" mit 2.000 Euro unterstützen will.

Im vergangenen Jahr hatte Pfarrer Michael Dittrich das Projekt für den von "Andere Zeiten e.V." ausgelobten Missionspreis 2009 angemeldet. Obwohl es die Ausschreibungskriterien nicht erfüllte, fand der Vorstand der Initiative das Projekt "gut und unterstützenswert", wie es in dem Schreiben an Pfarrer Dittrich heißt, und beschloss in seiner Sitzung im Dezember die finanzielle Förderung des Projektes "Neues Fastentuch für Zittau".

Zwei alte Tücher und ein neues: Informationen zu den Zittauer Fastentüchern

Wer auf der Autobahn A 4 aus Richtung Dresden kommend auf seinem Weg nach Osten Bautzen passiert hat, wird vor der nächsten Abfahrt (Weißenberg) mittels eines braunen Schildes auf "Zittau - Stadt der Fastentücher" hingewiesen und eingeladen, dieser Stadt einen Besuch abzustatten. Ihr Schatz sind zwei alte Fastentücher - und neuerdings drei.

Das Große Zittauer Fastentuch aus dem Jahr 1472 hat eine bewegte Geschichte hinter sich. Sowjetische Soldaten hatten gegen Ende des Zweiten Weltkriegs das wunderbare Tuch schwer beschädigt. Erst nach dem Zerfall des Kommunismus wurden die einzelnen Fetzen ans Tageslicht geholt und in der Abbegg-Stiftung in der Schweiz sorgfältig restauriert. Seit 1999 wird das Große Fastentuch museal präsentiert und lockt seitdem jährlich knapp 30.000 Besucher an - mehr, als Zittau Einwohner hat.

Um daran zu erinnern, dass das Tuch ursprünglich einmal eine liturgische Funktion hatte und es natürlich bei seinen 90 Motiven vorwiegend um biblische Geschichten geht, haben die katholische, die evangelisch-lutherische und die evangelisch-methodistische Gemeinden von Anfang an zu monatlichen Meditationen der Fastentuch-Bilder eingeladen.

Seit November 2005 ist auch das Kleine Zittauer Fastentuch ausgestellt, das aus dem Jahre 1573 stammt.

Im Oktober 2008 hielt Dr. Mechthild Flury-Lemberg, die sowohl die beiden Zittauer Fastentücher als auch das Turiner Grabtuch restauriert hat, in Zittau einen vielbeachteten Vortrag über die Turiner Reliquie. Sie sprach auch davon, dass man in Turin eine wertvolle Kopie des Grabtuches erwerben könne; in dieser Herstellungstechnik gebe es bislang in Deutschland noch kein derartiges Tuch. So war schnell die Idee geboren, die lange unterbrochene Tradition der Zittauer Fastentücher wieder aufzunehmen und die Anzahl der Tücher um ein drittes zu erweitern. Es sollte die ursprüngliche Funktion der Fastentücher darstellen, nämlich während der Österlichen Bußzeit den ganzen Altarraum zu verhüllen. Nun wäre aber das Turiner Grabtuch zu klein gewesen, um den großen Hochaltar der katholischen Pfarrkirche verdecken zu können. Deshalb hat die katholische Gemeinde eine solche - wirklich ausgezeichnete - Kopie in Turin bestellt und sie als Herzstück in ein großes Fastentuch eingefügt. Die Grabtuch-Kopie sollte zum Nachdenken anregen - daher wurden auf das Fastentuch die Worte aus dem 1. Petrusbrief 2,24 geschrieben: "Er hat unsere Sünden mit seinem Leib auf das Holz des Kreuzes getragen, damit wir tot seien für die Sünden und für die Gerechtigkeit leben. Durch seine Wunden seid ihr geheilt". Da Zittau im Dreiländereck von Deutschland, Polen und Tschechien liegt, wurde der Bibelvers in diesen drei Sprachen auf das Tuch gebracht.

"1. Zittauer Drei-Tücher-Fahrt"

Zum Aufhängen des neuen Tuches in ihrer Kirche (Lessingstr. 18) organisierte die katholische Pfarrei zusammen mit den Verantwortlichen der beiden alten Fastentücher die "1. Zittauer Drei-Tücher-Fahrt". Der Name erklärt sich daraus, dass früher die Gläubigen "auf Fahrt gingen", um Heiligtümer und Reliquien anzuschauen. So hält auch heute noch der Begriff "Wallfahrt" diesen Gedanken des Unterwegsseins lebendig.

So begann am 1. März 2009, dem 1. Fastensonntag, diese "Fahrt" (der Weg konnte aufgrund der kurzen Wege zu Fuß zurückgelegt werden) am Großen Zittauer Fastentuch. Dort hielt der langjährige Kurator des Tuches und anerkannte Fachmann in „Sachen Fastentücher", Dr. Volker Dudeck (kein Kirchenmitglied), eine Betrachtung zu den Schöpfungsbildern des Großen Fastentuches. An der zweiten Station erklärte Marius Winzeler (reformierter Christ) den Besuchern die Botschaft des Kleinen Fastentuches. Dreimal musste er seinen Vortrag wiederholen, weil die Interessenten nicht alle auf einmal in den Ausstellungsraum hineinpassten. In der katholischen Kirche schließlich lag das neue Tuch bereit zur Segnung. Seinen Sinn erläuterte Msgr. Giuseppe Ghiberti, der in Turin für das Original-Grabtuch verantwortlich ist und eigens nach Zittau gereist war. Nachdem er das Tuch gesegnet hatte, wurde es aufgezogen und blieb bis zum Karfreitag im Altarraum der katholischen Kirche hängen. Schätzungsweise waren zu dieser "Drei-Tücher-Fahrt" 350 Menschen gekommen, darunter viele Nicht-Christen. Anhand der Fastentücher wurde ihnen die Botschaft vom Leiden, Sterben und Auferstehen Jesu vermittelt. Außerdem wurde deutlich, dass sich das neue Tuch in die Tradition der Zittauer Fastentücher einfügt.

An fünf Nachmittagen in der Österlichen Bußzeit war die katholische Kirche geöffnet für alle, die an dem neuen Tuch interessiert waren. Ehrenamtliche Führer erklärten das Tuch und seine Botschaft. Während dieser Öffnungszeiten kamen jedes Mal etwa 80 - 100 Leute in die Kirche, außerdem noch Gruppen, die sich eigens angemeldet hatten, darunter auch Kindergruppen.

Auch das MDR-Fernsehen sendete einen Bericht über das Grabtuch/Fastentuch.

Zweimal wurde ein selbstgeschriebenes Passionsspiel vor dem Fastentuch aufgeführt; beide Male mit großer Resonanz. Schätzungsweise mindestens 2.500 Leute haben durch die Gottesdienste und die Sonderveranstaltungen das Tuch gesehen. Aufgrund des großen Interesses waren die 200 deutschsprachigen Faltblätter mit der Erklärung des Grabtuches schon nach der "Drei-Tücher-Fahrt" vergriffen, ebenso der bestellte Nachschub.

Das Tuch wird nun jedes Jahr von Aschermittwoch bis Karfreitag in der katholischen Kirche "Mariä Heimsuchung" hängen, außerdem im Herbst am "Tag des offenen Denkmals". Zusammen mit den "Hütern" der beiden alten Zittauer Fastentücher wurde eine neuerliche "Drei-Tücher-Fahrt" beschlossen, die zur festen Tradition werden könnte.

MD/meu


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