Weiße Rose, Kreisauer Kreis und Widerstand in Sachsen

Ausstellung, Lesungen und Videoinstallation "Andritzki. Bekenntnis" erinnern im Dresdner Schlosshof an christliches Engagement gegen das NS-Regime



Ein Vorbild für mutiges Eintreten gegen den Nationalsozialismus: Alojs Andritzki.

Dresden, 26.05.11: Über christlichen Widerstand gegenüber dem NS-Regime, über Frauen und Männer, die ihrem Gewissen folgten und an der Basis Widerstand leisteten, der sie über Konfessionsgrenzen hinweg miteinander verband, erinnert während des 33. Deutschen Evangelischen Kirchentages in Dresden (1. bis 5. Juni) eine Ausstellung und Gedenklesungen im überdachten Wirtschaftshof des Residenzschlosses. Die Ausstellung besteht aus der Videokunst-Installation „Andritzki. Bekenntnis“ von Sonja Toepfer und zwei biographischen Bannern aus der internationalen Wanderausstellung „Namen statt Nummern – Gedächtnisbuch für die Häftlinge des KZ Dachau“.

Die Künstlerin Sonja Toepfer erinnert mit ihrer Installation an den jungen sorbischen Priester Alojs Andritzki, der ab 1939 an der Dresdner Hofkirche Kaplan war. Wegen seiner Kritik am Nationalsozialismus kam er 1941 für sechs Monate ins Polizeigefängnis Dresden, später ins KZ Dachau, wo er im Pfarrerblock 26 zusammen mit evangelischen Geistlichen eingesperrt war. 1943 wurde er wahrscheinlich mit einer Giftspritze ermordet. Der Kurzfilm über Alojs Andritzki, der in der Installation in einer Endlosschleife gezeigt wird, ist keine biographische Dokumentation. Er macht bewegend auf das Lebenszeugnis des Märtyrers aufmerksam. In einer Ouvertüre und sieben Akten werden Bilder existentieller Bedrohung und ihrer Bewältigung entworfen. So wird eine Brücke geschlagen vom Zeugnis Andritzkis zu Ereignissen der Zeitgeschichte, in denen sich Menschen von Terror und Willkür herausgefordert sehen. Die Wanderinstallation stimmt auf die Seligsprechung des Priesters am Pfingstmontag in Dresden ein.


Aus dem Dachauer Gedächtnisbuch-Projekt werden die Lebensbilder von Jaroslav Simsa und Werner Sylten gezeigt. Simsa arbeitete als Publizist und Leiter des überkonfessionellen christlichen Jugendverbandes YMCA in Prag. Wegen seines Widerstands gegen die deutschen Besatzer wurde der Familienvater 1940 verhaftet und 1945 im KZ Dachau umgebracht. Simsa gilt in der Evangelischen Kirche der Böhmischen Brüder als „der tschechische Bonhoeffer“. Sylten wurde als evangelischer Pfarrer und Heimleiter in Bad Köstritz/ Thüringen wegen seiner NS-kritischen Haltung und seiner jüdischen Herkunft 1936 amtsenthoben. Seine Tätigkeit für die Bekennende Kirche in Gotha beendete die Gestapo 1938. Sylten wurde in Berlin Mitarbeiter im „Büro Pfarrer Grüber“, der Hilfsstelle für „nichtarische“ Christen. Diese Fluchthilfearbeit war vielfältig ökumenisch vernetzt. 1941 wurde der Familienvater verhaftet und kam ins KZ Dachau, wo er mit Andritzki in Block 26 war. Wegen einer Erkrankung wurde er 1942 „selektiert“ und in Hartheim bei Linz ermordet.


Zur Ausstellung, die vom 1. bis zum 13. Juni täglich von 10 bis 18 Uhr (2. Juni bis 14 Uhr) geöffnet ist, werden während des Kirchentages halbstündige Gedenklesungen angeboten. Am Donnerstag, 2. Juni, um 13 Uhr wird dabei an Sophie Scholl (evangelisch), Willi Graf (katholisch) und Alexander Schmorell (russisch-orthodox) aus dem überkonfessionellen Widerstandskreis „Weiße Rose“ erinnert, am Freitag, 3. Juni, um 13 Uhr an Alfred Delp (katholisch) und Helmuth James Graf von Moltke (evangelisch) aus dem „Kreisauer Kreis“, um 18 Uhr an Alojs Andritzki, am Samstag, 4. Juni, um 13 Uhr an Maria Grollmuß und Hermann Reinmuth. Grollmuß stammte aus einer sorbischen Familie und schrieb als Journalistin für katholische Zeitschriften. Gemeinsam mit ihrem Studienfreund Hermann Reinmuth, einem sächsischen Pfarrerssohn und Juristen, war sie in sozialistischen Parteien aktiv und ging 1933 in den Widerstand. Ende 1934 wurden beide verhaftet und kamen ins Gefängnis in Dresden. Nach der Verbüßung ihrer Zuchthausstrafen verschleppten die Nazis Maria Grollmuß ins KZ Ravensbrück und Hermann Reinmuth ins KZ Sachsenhausen. Den unmenschlichen Haftbedingungen erlag Reinmuth 1942, Grollmuß 1944. Am Samstag um 18 Uhr gibt es eine weitere Gedenklesung für Alojs Andritzki.

Die Lesungen gestalten Dr. Christian März und Ordinariatsrat Benno Schäffel vom Bistum Dresden-Meißen sowie Pfarrer Dr. Björn Mensing von der Evangelischen Versöhnungskirche in der KZ Gedenkstätte Dachau.



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