Über 2.000 Menschen begleiten Urnen-Prozession in Dresden

Asche von Alojs Andritzki, Aloys Scholze und Bernhard Wensch feierlich in die Kathedrale überführt

Die Prozession auf dem Weg zur Kathedrale.

Der Prozessionszug auf dem Weg zur Kathedrale.

Dresden, 05.02.11 (KPI): Der Tag begann mit herbem, stürmischem Wetter, so wie ihr Leben war: die drei im KZ Dachau ums Leben gekommenen Priester Alojs Andritzki, Aloys Scholze und Bernhard Wensch. Über 2.000 Menschen haben am Vormittag in Dresden an der Überführung der Urnen dieser drei Priester teilgenommen. In einem großen Prozessionszug wurden die Gefäße mit der Asche der drei NS-Gegner vom Alten Katholischen Friedhof in der Friedrichstraße feierlich in die Kathedrale übertragen. Kapellknaben, Vertreter der Pfarreien Radibor und Leutersdorf sowie der Bistumsjugendseelsorge brachten die Urnen in kleiner Prozession zunächst über den Postplatz und die Wilsdruffer Straße zum Polizeipräsidium in der Schießgasse. Auch eine beachtliche Gruppe Jugendlicher aus Gera, einer der Lebensstationen von Pfarrer Aloys Scholze, nahm daran teil.

 

Am Polizeipräsidium, dem ersten Inhaftierungsort Andritzkis – trat Bischof Joachim Reinelt vor über 2.000 Menschen ans Mikrofon und eröffnete die Überführung der Urnen offiziell. In seiner Ansprache erinnerte er an die 34 Priester des Bistums, die unter dem Nationalsozialismus in Haft gerieten, sowie an die zwölf von ihnen, die in Konzentrationslagern waren. 

 

Gute Beteiligung bei der Gestaltung der Prozession

 

Die Bilder mit den Porträts der drei ums Leben gekommenen Priester trugen: Pfarrer Stephan Delan aus Radibor; er ist der heutige Seelsorger in der Heimatpfarrei Alojs Andritzkis. Pfarrer Bertram Wolf aus Leutersdorf; er ist Pfarrer der Gemeinde, in der Pfarrer Aloys Scholze zuletzt tätig war. Außerdem Pfarrer Ralph Kochinka, der heutige Bistumsjugendseelsorger, für seinen Vorgänger in diesem Amt, Dr. Bernhard Wensch. Bläser aus Radibor, dem sorbischen Heimatort Alojs Andritzkis, und die Dresdner Kapellknaben, deren Präfekt er war, der Chor des sorbischen Gymnasiums Bautzen sowie ein ökumenischer Posaunenchor aus Radeberg gestalteten die Prozession musikalisch.

 

Domvikar Markus Böhme, der heutige Kaplan an der Hofkirche, las aus einem Brief Alojs Andritzkis, den dieser am 2.3.1941 aus dem Dresdner Polizeigefängnis geschrieben hatte: „Der Segen und die Kraft des dreifaltigen Gottes begleitet uns durch die heilige Fastenzeit, damit wir teilhaben an der Auferstehung zum ewigen Leben. Zuvor aber müssen wir Staub werden, so wie Christus im Kreuzestod den Tribut an die Vergänglichkeit gezollt hat, da er in den Staub getreten wurde. Niemals habe ich diese Worte tiefer erfasst als gerade jetzt. (...) Ihr könnt mir´s glauben, dass es sehr schmerzlich ist. Wenn die Tür meiner Zelle geschlossen wird, wenn Schloss und Riegel krachen, meine ich, ein Sarg wird geschlossen, und ich lebendig begraben: quia pulvis es [zu deutsch: weil du Staub bist]. Aber das ist ja noch halb so schlimm; schlimmer ist es, wenn der Mensch durch die Sünde, das Unrecht, die Bosheit zu Staub wird vor Gottes Thron und weggefegt wird ins ewige Verderben. Lasst uns Buße tun und um Gnade flehen. Alojs.“

 

An dem Prozessionszug beteiligten sich viele Priester, Ministranten und Kolpingsfamilien sowie Gläubige aus ganz Sachsen und Ostthüringen. Reiter und Motorradfahrer der Polizei gaben dem Zug das Ehrengeleit. Zu den Prozessionsteilnehmern gehörte auch Sachsens Innenminister Markus Ulbig und Polizeipräsident Bernd Merbitz. Besonders zahlreich waren die sorbischen Katholiken vertreten, darunter auch Alojs-Andritzki-Pfadfinder und viele Druschki in ihren farbenprächtigen Trachten. Ein Teil der jungen Frauen war erst am Vortag von einer mehrtägigen Pilgerfahrt zu Ehren Andritzkis aus Rom zurückgekehrt.

 

Landesbischof Bohl setzt starkes Zeichen der Ökumene in Sachsen

 

Vom Polizeipräsidium, dem Ort der ersten Inhaftierung Alojs Andritzkis, führte der Weg über die Landhausstraße zur Frauenkirche, vor der Landesbischof Jochen Bohl mit einem Grußwort an die Prozessionsteilnehmer ein starkes Zeichen der Ökumene setzte. In seiner Rede nannte der Landesbischof die gegenwärtige Zeit anfällig dafür, sein Leben nach dem eigenen Vorteil auszurichten. Alojs Andritzki hingegen habe mit seinem Leben und Sterben daran erinnert, "dass es etwas Höheres gibt als das Interesse am eigenen Vorteil", so Jochen Bohl. Andritzki habe sich zu Gott bekannt, Nazi-Unrecht beim Namen genannt und sei dadurch zum Vorbild geworden. Mit Blick auf angekündigte Neonazi-Demonstrationen für den Jahrestag der Zerstörung Dresdens am 13. Februar rief der Landesbischof dazu auf, auch künftig für den christlichen Glauben einzustehen und dem Nationalsozialismus zu widerstehen.

 

Unter dem Geläut der Kathedralglocken zog die Festprozession schließlich in der Kathedrale ein und sorgte für volle Bänke und Gänge. In seiner Predigt begrüßte Bischof Reinelt auch Martha Hantusch, eine noch lebende Schwester Alojs Andritzkis, und ihren Mann, der in einem Mantel gekommen sei, der Andritzki gehört habe. Der Bischof erinnerte mit Blick auf die Urnen der drei Märtyrer, "dass dies alles erst vor Kurzem passiert ist". Der feierliche Prozessionszug sei ein starkes Zeichen gewesen. "Es ist ein Tag, der an der Stadt nicht vorbeigehen wird", so Bischof Reinelt. Im Anschluss an den feierlichen Wortgottesdienst wurden die Urnen schließlich in die Bischofsgruft unterhalb der Kathedrale gebracht. Mit der Seligsprechung Andritzkis am Pfingstmontag (13. Juni) in Dresden werden die drei Gefäße dann auf dem Alter des linken Seitenschiffs in einem Schrein ihren endgültigen Platz finden. Bischof Reinelt: „Alle drei Priester traten aus ihrem Glauben heraus dem Unrecht ihrer Zeit entgegen. Für ihr mutiges Engagement mussten sie im KZ Dachau bitter leiden, bezahlten dafür sogar mit ihrem Leben und verdienen unsere besondere Hochachtung.“

 

Zum Hintergrund: Im April 1943 war die Urne Andritzkis aus Dachau nach Dresden gesandt worden mit der Auflage, seine Asche ohne jedes Aufsehen beizusetzen. Im Zusammenhang mit den Vorbereitungen der Seligsprechung kamen bei Nachforschungen in der Priestergruft auf dem Alten Katholischen Friedhof drei Urnen aus Dachau zutage. Neben Andritzki waren an dieser Stelle auch die beiden Urnen der KZ-Opfer Aloys Scholze und Bernhard Wensch beigesetzt worden. Jedes Gefäß enthielt eine vierstellige Nummer. Trotz aufwendiger Recherchen war es allerdings nicht mehr möglich, die Kennzahlen den jeweiligen Priestern zuzuordnen. Im Zuge der Seligsprechung fanden nun alle drei Urnen ihren Platz in der Kathedrale.

 

Insgesamt waren unter der NS-Diktatur während des Zweiten Weltkriegs 34 der etwa 130 Priester des Bistums (Dresden-)Meißen für kürzere oder längere Zeit, teilweise mehrfach inhaftiert. Zwölf von ihnen kamen in Konzentrationslager. Drei davon überlebten das nicht: Alojs Andritzki, Aloys Scholze und Dr. Bernhard Wensch.            Michael Baudisch

 


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Im Johann-Adolph-Hasse-Saal in der Unterkirche konnte heute die Installation „Andritzki. Bekenntnis“ von Sonja Toepfer besucht werden (D 2010, 21 min). Sie wird vom 8.-17. Februar 2011 im Lichthof des Dresdner Rathauses zu sehen sein.



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