Was einen Heiligen strahlen lässt

Ein Interview mit dem Hauptdarsteller der Videoinstallation "Andritzki. Bekenntnis" Tomas Klimann

Tomas Klimann

Schauspieler Thomas Klimann


Was verbanden Sie mit Alojs Andritzki, bevor Sie sich im Rahmen des Projektes mit ihm auseinandergesetzt haben?

 

Alojs Andritzki ist für mich schon immer eine präsente Persönlichkeit gewesen. So trägt der Kindergarten, den ich besuchte, seinen Namen. Auch eine Straße in Radibor, mein Heimatdorf und Geburtsort von Andritzki, ist nach ihm benannt. Und meine Oma kennt auch ein Paar Anekdoten über Alojs Andritzki, die sie mir schon sehr frühzeitig in meiner Kindheit erzählte. Es sind zum Teil wirklich lustige Erinnerungen: So hat Alois Andritzki am Tage seiner Primiz voller Freude Trompete auf dem Dach seines Elternhauses gespielt. Darüber hinaus kenne ich die Schwester von Alojs Andritzki seit meiner Kindheit persönlich.

 

Welche Facette seiner Persönlichkeit fanden Sie besonders interessant und herausfordernd?

 

Sehr bewundernswert finde ich, dass er ein sehr lebensfroher Mensch war, und das sogar in sehr schweren Zeiten. So erinnern sich einige seiner Mithäftlinge, die später Bücher über ihre Zeit im KZ verfassten, an Alojs Andritzki als einen Menschen, der immer etwas Positives ausstrahlte und dadurch Kraft, Mut und schöne Augenblicke in trostloser Umgebung und schwierigster Zeit schenken konnte.

 

Deckte sich Ihre Sichtweise Andritzkis mit der Sichtweise der Regisseurin oder gab es da Widersprüche?

 

Widersprüche gab es eigentlich keine. Die Regisseurin Sonja Toepfer und ich hatten Vorgespräche bezüglich der Dreharbeiten und so konnten wir uns sehr gut aufeinander abstimmen. Daraus folgte, dass der kreative Prozess sehr angenehm war. Es war schön, dass jeder vom Team so auf seine Weise an diesem Projekt beteiligt war. Jeder konnte seine Ideen einbringen, die Sonja Toepfer dann zu einem Gesamtwerk vereinigte.

 

Der Film erzählt keine Geschichte, sondern präsentiert eher Fragmente. Was bedeutet das für Sie als Schauspieler?

 

Diese Art des Films war für mich eine neue Erfahrung, da ich bis jetzt überwiegend am Theater spielte und dort eine szenische Erzählweise vorherrscht. Der Film über Alojs Andritzki erzählt seine Geschichte mit Bildern und Impressionen. Das stellte für mich eine Herausforderung dar. Es war wichtig, auch wenn die Bilder oder Sequenzen, die wir drehten, auch einzeln stehen könnten, den Zusammenhang nicht aus den Augen zu verlieren. Denn auch wenn es keine erzählte Geschichte im gewöhnlichen Sinne ist, gibt es einen Zusammenhang, der im Zuschauer Gefühle und Gedanken entstehen lässt, die sich dann zu einer Geschichte formen.

 

Heilige und Selige haben in der Regel eine gewisse Aura der Vollkommenheit. Langweilt Sie das als Darsteller?

 

Es langweilt mich nicht, da ich nicht das Empfinden habe, dass Heilige eine „Heiligenaura“ haben oder haben müssen. Wenn man gute Bücher über Heilige liest, erkennt man eher, wie menschlich sie waren, wie schwer sie es meist hatten, wie auch sie oft mit sich selbst um Erkenntnis und den richtigen Weg ringen mussten.

Ich kann mir aber sehr gut vorstellen, dass ein Mensch wie Alojs Andritzki, der so sehr an Gott glaubte und ihm voll vertraute, vielleicht mehr in sich ruht und dadurch eine gewisse Kraft und Souveränität ausstrahlt. Ohne Zweifel wirkt dies auf die Umwelt. Es ist nicht das Strahlen, das einen Heiligen zu einem Heiligen macht, sondern seine Taten, die ihn aus der Masse heraus scheinen lassen. Aber jeder Mensch, auch ein Heiliger oder Seliger, hat Probleme, Gefühle und Zweifel. Und dies darzustellen, empfinde ich als spannend.

 

Wie stehen Sie selbst zum christlichen Glauben? Inwieweit hat Ihre persönliche Perspektive Ihre Arbeit am Projekt geprägt?

 

Für mich ist es nicht so leicht, diese Frage beantworten. Das soll nicht bedeuten, dass ich mir keine Gedanken zum Thema Glauben mache, sondern genau das Gegenteil ist der Fall, denn ich bin in einer Familie aufgewachsen, in der christliche Werte gelebt werden und es dazugehört, sich mit seinem Glauben zu befassen und ihn immer wieder neu für sich zu entdecken.

Glaube bedeutet für mich Gemeinschaft. Gemeinschaft in einem Familienverband, in einem Freundeskreis, im Ort, wo man aufgewachsen ist, überall dort, wo man lebt. Der Glaube ist etwas, das viele Menschen verbinden kann und ihnen Wege zeigt, das eigene Leben zu gestalten. Er kann Sicherheit geben und Hoffnung, aber vor allem einen Sinn.

Außerdem sind viele sorbische Traditionen und die sorbische Kultur vom christlichen Glauben geprägt. So umfasst der Glaube also auch wesentliche Teile meiner kulturellen Identität.

Inwieweit meine persönliche Perspektive die Arbeit am Projekt geprägt hat? Eher hat das Projekt meine persönliche Perspektive geprägt. Denn der unerschütterliche Glaube Alojs Andritzkis und die Kraft, die er dadurch hatte, beeindrucken mich wirklich.

 

Und welche Bedeutung hat für Sie Ihre sorbische Herkunft?

 

Meine sorbische Herkunft ist für mich ein sehr wichtiger Teil meiner Identität. In der Familie sprechen wir sorbisch miteinander. Durch das Sorbentum bin ich fest verwurzelt. Und ich glaube, es ist in meinem Beruf wichtig, feste Wurzeln zu haben, damit man sich selbst treu bleibt.

 

Fragen: Dorothee Wanzek / Tag des Herrn



Zurück Impressum