Krankenhausseelsorger Pfarrer Alfred Bock bietet den Patienten geistlichen Beistand und ein offenes Ohr

Wir sind schon da - eine Serie über Kirche an ungewöhnlichen Orten im Bistum Dresden-Meißen. Erster Teil von sechs.

Pfarrer Alfred Bock im Raum der Stille des Seelsorgezentrums


Pfarrer Alfred Bock im Raum der Stille des Seelsorgezentrums.


Auf dem weiten Gelände des Uniklinikums Dresden wimmelt es. Ärzte und Pfleger haben keine Zeit, huschen vorbei. Patienten sitzen erschöpft auf den Bänken und genießen die in diesem Juli noch seltenen Sonnenstrahlen. Krankenwagen legen ab oder trudeln ein. An einigen Stellen wird gebaut. Kurz: Betriebsamkeit, Hektik, frohes Schaffen, aber auch tiefer Ernst liegen in der Luft. Der Besucher ahnt, dass sich hinter jedem Fenster dieser vielen Gebäude großes Leid verbergen kann. Begriffe wie Intensivstation, Onkologie, Palliativmedizin oder Kinderklinik geben ein Gefühl des Ausmaßes schmerzhaften Schicksals, das auf Geländen wie diesem in ungewöhnlich hoher Dichte präsent ist.


Ein ruhiger Ort inmitten von Krankenhaushektik


Mitten in dieser Unruhe steht das Gebäude mit der Nummer 50, das ökumenische Seelsorgezentrum der Uniklinik. Ein kleines Gebäude, knapp zehn Jahre alt, modern, sehr hohe Wände, kleine Büros und ein „Raum der Stille" mit sakraler Wirkung. Dort treffen wir Pfarrer Alfred Bock. Der 73-Jährige ist vielleicht 1,60 groß, agil, mit wachen blauen Augen. Er wirkt mindestens zehn Jahre jünger. Die 63 möchte man ihm zugestehen, mehr aber auch nicht. Wenn er von seinem Werdegang berichtet, dann glaubt man in die Augen eines jungen Priesters zu schauen, so lebhaft und begeistert kann er erzählen.


Er wurde 1966 von Bischof Otto Spülbeck in Dresden zum Priester geweiht. Seit 27 Jahren ist er Krankenhauspfarrer in Dresden. Er kann einige Geschichten aus der schwierigen Zeit vor 1989 erzählen; wenn er auch meint, dass die Diaspora – damals wie heute – dem Glauben gar nicht abträglich sei. Seine Arbeitstage sind nie gleich. Mit zwei Gemeindereferenten betreut er außer dem Uniklinikum auch das Krankenhaus Friedrichstadt. An beiden hält er im täglichen Wechsel Gottesdienste und besucht Kranke. Aber auch Ärzte oder Pfleger können sich bei Problemen an ihn wenden. So dauert für Bock mancher Arbeitstag bis nach 21 Uhr.

"Gebäude 50": Das Seelsorgezentrum ist ein modernes Gebäude und bietet dem Suchenden einen Ort der Ruhe

"Gebäude 50": Das Seelsorgezentrum ist ein modernes Gebäude und bietet dem Suchenden einen Ort der Ruhe. 


Pfarrer Bock sammelte eigenhändig Spenden für das Seelsorgezentrum


Sein kleines Büro im Seelsorgezentrum, maximal neun Quadratmeter groß, ist spartanisch eingerichtet: ein Schreibtisch, Stifte, zwei Stühle, ein Waschbecken – das war's. Auch ehemalige Patienten kämen hin und wieder noch hierher, weil sie Vertrauen zu ihm gefasst hätten. Das glaubt man ihm gern, denn sein Gesicht bekommt einen zärtlichen Zug, wenn er von ihnen spricht.


Noch bis vor zehn Jahren hatte der Pfarrer ein Büro im Dachgeschoss eines der umliegenden Gebäude. Für einladende Räume – wie er sie heute nutzen darf – schien kein Geld da zu sein. Also gründete er mit anderen Geistlichen und Professoren des Uniklinikums einen Verein, dessen einziger Zweck es war, Spenden für das Seelsorgezentrum zu sammeln. Das Ende dieser Geschichte ist bekannt: In einigen Wochen wird er gemeinsam mit seinem evangelischen Kollegen das zehnjährige Bestehen des Gebäudes mit der Nummer 50 feiern. Dieses Engagement habe sehr dazu beigetragen, dass er zu einem festen Bestandteil der Klinik wurde. „Manche Patienten kommen auch einfach mal so hierher", berichtet er vom Wert des Gebäudes. „Sie genießen die Stille und versuchen hier zur Ruhe zu kommen."


Tägliche Begegnung mit dem Leid


Telefonisch ist er jederzeit erreichbar. Auch nachts oder in den frühen Morgenstunden, wenn zum Beispiel ein Patient oder dessen Angehörige eine Krankensalbung wünschen. „Da bin ich dankbar und froh, dass das so läuft", erklärt er. „Ich bin jetzt schon so lange da, dass die Ärzte und Pfleger mich hier kennen." Der Besuch am Krankenbett ist der Schwerpunkt seiner Arbeit. Die größte Sorge von Sterbenden sei die Frage nach dem „Danach". Nicht nur des eigenen, sondern auch dem der Verbleibenden. „Dem Gläubigen kann ich vom Glauben her helfen", sagt er. „Nichtreligiöse versuche ich durch Zuhören zu stärken."


Er selbst hat seine eigene Methode, um mit dem Leid zurechtzukommen, welches er als Seelsorger jeden Tag erlebt. Er müsse sich mit Sterben und Tod auseinandersetzen, dabei helfe ihm sein eigenes geistliches Leben. Stundengebete und Meditation seien wichtige Elemente. Trotzdem berührt es ihn sehr, wenn zum Beispiel ein Kind plötzlich stirbt. „Aber ich kann nicht jedes Mal mitsterben." Wenn er das so sagt, dann scheint er für einen kurzen Moment sehr traurig zu sein. Doch schnell strahlt er wieder diese ihm eigene zärtliche Zuversicht aus.


Nach einem herzlichen Abschied geht er wieder seinem Beruf nach – und draußen ist der Trubel unverändert: Intensivstation, Onkologie, Palliativmedizin, Kinderklinik und vieles mehr. Nicht alle Neuankömmlinge im Klinikum oder im Krankenhaus Friedrichstadt werden es wissen, aber wenn sie das Gelände betreten, dann ist Pfarrer Alfred Bock schon da – für sie.

bm



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