Gemeindemitglieder aus Zittau zu Gast in Südrussland

anlässlich großer Jubiläen in der Partnerpfarrei Astrachan

katholische Kirche Astrachan

Die katholische Kirche in Astrachan.

Zittau/Astrachan, 20.12.2012: Am 8. und 9. Dezember feierte die Partnergemeinde von Zittau, Astrachan in Russland, ein doppeltes Jubiläum: 250 Jahre waren seit dem Baubeginn der Kirche vergangen und vor 20 Jahren wurde das Gotteshaus vom Staat an die Kirche zurückgegeben, wodurch ein neues Gemeindeleben seit der Oktoberrevolution beginnen konnte.
Eine kleine Gruppe von fünf Zittauer Gemeindemitgliedern hatte sich der Führung des Pfarrers Bosco Marschner anvertraut und nahm mit ihm an diesen Feierlichkeiten teil.

Zittauer in Astrachan

Die Delegation aus Zittau mit ihrem Pfarrer Bosco Marschner (2.v.r.) und Bischof Clemens Pickel (M.).

Astrachan liegt im Delta der Wolga, nahe dem Kaspischen Meer. Die Stadt hat ca. 500.000 Einwohner. Orthodoxe Kirchen, Moscheen und die katholische Kirche liegen dicht beieinander. Dass Astrachan ein Tor zum Orient ist, spürt man spätestens auf dem umfangreichen Markt, auf dem sich Menschen verschiedener Kulturen treffen und das Leben pulsiert.
Unsere kleine Gruppe wurde vom Pfarrer der Partnergemeinde, Pater Waldemar (OFM), durch das alte Astrachan geführt, das von zum Teil einfallenden altrussischen Holzhäusern und wenig neugebauten oder erhaltenen Häusern, dem Kreml, dem Hafen und einer Leninstatue geprägt ist. Viele Gotteshäuser verschiedener Religionen wurden nach 1917 zerstört.

Das Bistum St. Clemens in Südrussland ist etwa dreimal so groß wie Deutschland. Da es nur sehr wenige katholische Christen gibt (0,08%), sind die 6 Dekanate trotz der riesigen Entfernungen eng miteinander verbunden. Zu solchen Feierlichkeiten besucht man sich wie in einer großen Familie. Man gehört dazu, kann mitbringen, wen man möchte, und erfährt herzliche Aufnahme. Selbst aus dem Kaukasus (900 km) kam ein Auto mit fünf Gästen an. Dazugehören, herauskommen aus dem Alltag, miteinander Glauben leben, liebe Menschen treffen, reden und zuhören – das alles gibt Kraft für das, was kommt.

Gaeste


Besonders beeindruckend erlebten wir das soziale Engagement von Frauen, die in einer geistlichen Gemeinschaft leben, die Johannes XXIII. nahesteht:

Mirella, erst 24, lebt mit einer Mutter, zwei Kindern und einem stark behinderten Mann in einer Familie und sorgt für deren Wohlergehen. Swetja lebt mit vier behinderten Kindern in einem anderen Haus. Ich habe nie zuvor ein Kind mit Down-Syndrom mit so entspannten Gesichtszügen gesehen. Wo nehmen diese Frauen die Liebe her, die sie diesen Kindern schenken? Eine andere Frau, Alberta, kam mit ihren behinderten Kindern von weiter her. In jedem dieser Häuser gibt es einen Gebetsraum mit Tabernakel, so dass auch Gottesdienst gefeiert werden kann. Trotz ihrer Aufgaben versorgen diese Frauen zweimal pro Woche Obdachlose.

Am Samstag, dem 8.12., nach der Abendmesse, die mit 15 Geistlichen gefeiert wurde, trafen sich alle, die schon angereist waren, und die Frauen dieser Gemeinschaft mit den Kindern im Gemeindesaal zur Begegnung. Mittendrin Bischof Clemens Pickel und der Nuntius aus Moskau. Menschen unter Menschen. – Ist so die Kirche, wie sie der menschgewordene Gottessohn will, in Einfachheit und Nächstenliebe, die froh macht? So eine Atmosphäre, in der jeder so sein darf, wie er ist, kann im Stall von Bethlehem auch gewesen sein.

Gedichte aufsagen

Bischof Clemens Pickel (l.), Nuntius Ivan Jurkovič und Pfarrer Waldemar OFM lauschen den Gedichten der Kinder.

Der größte Eindruck kam aber noch. Da standen plötzlich sieben behinderte Kinder mit einer ungewöhnlichen Ausstrahlung: Zusammenhalten, Leben bewältigen, Vertrauen haben. Vera, früher mal Ärztin, hatte sie adoptiert und aus dem Heim geholt, in dem sie kaum Entwicklungsmöglichkeiten, einzelne vielleicht auch keine Überlebensmöglichkeiten hatten. Außer einem schwerst mehrfach-behinderten Kind besuchen inzwischen alle eine Schule. Vera hielt dieses Kind auf dem Schoß und machte einen frohen Eindruck. (Über Vera hatte bereits Bischof Pickel einmal berichtet - bei uns hier veröffentlicht.)

Kaffeetrinken mit Vera und Bischof Pickel

Gemeinsames Kaffeetrinken mit Bischof Clemens Pickel (r.), Vera und "ihren" 7 Kindern. Links im Bild die Autorin des Beitrags und Pfarrer Bosco Marschner.

Am Sonntag fand, wie bei Jubiläen üblich, der feierliche Gottesdienst statt. Erstmals besuchte ein offizieller Vertreter der orthodoxen Kirche die katholische Gemeinde. Danach trafen sich Gemeinde, Gemeinschaften mit Kindern und alle Gäste im Gemeindesaal. Es gab Gratulationen, ein Programm von Kindern, und auch unsere deutsche Gruppe gratulierte mit zwei Liedern, übergab Geschenke und Spenden u.a. für das Kinderzentrum Antoschka der Caritas, für das sechs Zittauer Kindereinrichtungen in einer Martinstags-Aktion gesammelt hatten.

Bis zum Abend gab es Gespräche in verschiedenen Sprachen mit Menschen unterschiedlicher Herkunft und Kulturen. Viele Geistliche und Ordensschwestern kamen ja auch aus anderen Ländern.

Unter diesen vielen erhebenden Eindrücken stellt sich die Frage: Was ist das Seligmachende? Die materiellen Dinge sind es ganz bestimmt nicht.

Bischof Pickel und Pfarrer Marschner

Zwei Freunde: Bischof Clemens Pickel (l.) und der Zittauer Pfarrer Bosco Marschner.

Text: Gabriele Haseneder
Fotos: Alfons Haseneder



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