Frei Hand

Domschatzkammer in Bautzen präsentiert wertvolle Handschriften

Handgeschrieben: Schriftstücke wie dieses zeigt das Domstift Bautzen.

Handgeschrieben: Schriftstücke wie dieses zeigt das Domstift Bautzen.

Bautzen, 15.11.2012 (KPI): Das Schmuckstück der Ausstellung findet sich gleich zu Beginn des kleinen Rundgangs: prunkvoll geschmückt und gewichtig liegt das mächtige Graduale aus dem 15. Jahrhundert aufgeschlagen in einer Vitrine und wartet auf Besucher. Das Besondere daran: das mächtige Buch mit Messgesängen ist komplett von Hand geschrieben und gestaltet – ebenso wie 35 weitere originale Handschriften, die noch bis 20. Dezember in einer Sonderschau der Bautzener Domschatzkammer (An der Petrikirche 6) besichtigt werden können. Die Ausstellung ist jeden Werktag von 10 bis 12 und 13 bis 16 Uhr geöffnet, am Sonnabend vor dem 1. Advent zusätzlich von 10 bis 15 Uhr.

Insgesamt 301 Handschriften besitzt die Domstiftsbibliothek. Eine Auswahl der interessantesten und schönsten Stücke hat Dr. Birgit Mitzscherlich nun der Öffentlichkeit zugänglich gemacht. „Die älteste Schrift ist ein Fragment aus dem 12. Jahrhundert“, erklärt die Leiterin des Diözesanarchivs. „Als Einband einer Akte hat das Pergamentblatt die Zeiten überdauert.“ Auf welchen Wegen die Stücke in den Besitz des Domstifts kamen, ist auch für die Archivarin nicht immer eindeutig zu erklären. So ist zwar teilweise ersichtlich, dass einzelne Domherren persönlich Schriften anfertigten oder dem Bestand aus ihrer eigenen Bibliothek neue Werke hinzufügten. Weshalb aber gerade ein Korankommentar von 1414, eine juristische Handschrift aus dem 16. Jahrhundert oder eine Abhandlung über Imkerei aus dem 18. Jahrhundert ihren Weg in den Fundus des Domstifts fanden, lässt sich mitunter nur erahnen.

 

Birgit Mitzscherlich (links) erläutert die Exponate.

Diözesanarchivarin Birgit Mitzscherlich (links) erläutert die Exponate.

Dass die Sonderschau gerade jetzt in Bautzen zu sehen ist, hat einen konkreten Anlass. Erstmals nämlich liegt seit kurzer Zeit druckfrisch ein Katalog vor, in dem die Handschriften der Domstiftsbibliothek in Bautzen systematisch erfasst sind. Den Anstoß zu diesem Projekt gab bereits vor elf Jahren das Handschriftenzentrum der Universitätsbibliothek Leipzig. Doch gut Ding will Weile haben. So dauerte es über ein Jahrzehnt, ehe in Zusammenarbeit mit den Handschriften-Spezialisten der Messestadt und mit Unterstützung der Deutschen Forschungsgemeinschaft das Projekt realisiert werden konnte. „Als Präsent unter dem Weihnachtsbaum ist das Buch wahrscheinlich dennoch in den seltensten Fällen geeignet“, schmunzelt Birgit Mitzscherlich. Immerhin kostet das Nachschlagewerk mit seinen 344 Seiten stolze 62 Euro. In den einschlägigen Bibliotheken habe man sich aber sofort den neuen Katalog gesichert, und auch im Kreis der Historienforschung und Handschriftenexperten habe die Neuerscheinung für reges Interesse gesorgt, berichtet Mitzscherlich.

Naturgemäß nehmen Werke mit religiösem Bezug im Domstift einen besonderen Rang ein. So findet sich in Bautzen unter anderem die erste Gesamtübersetzung der Heiligen Schrift ins Sorbische. Anfang des 18. Jahrhunderts machte sich der Kanoniker Jurij Hawštyn Swĕtlik ans Werk und übertrug zwischen 1705 und 1707 an vermutlich manch langem Arbeitstag die komplette Bibel handschriftlich in seine Muttersprache. Auch die Urschrift des 1787 gedruckten sorbischen Gebet- und Gesangbuchs von Michał Wałda wird hier aufbewahrt. Zusätzlich bereichern Manuskripte wie Mitschriften aus den Priesterausbildungsstätten in Prag und Olmütz oder handgeschriebene Andachtsbücher die Ausstellung.

 

Ausstellungsbesucher betrachten ein Graduale aus dem 15. Jahrhundert.

Ausstellungsbesucher betrachten ein Graduale aus dem 15. Jahrhundert.

Übrigens: Mit Erfindung des Buchdrucks im 15. Jahrhundert war der Zenit der Handschriften zwangsläufig überschritten. Dennoch sollte es noch geraume Zeit dauern, ehe mit Schreibmaschine, Computer und Kopierer das freihändige Schreiben selten wurde. So stammt das letzte handschriftliche Werk des Domstifts aus der Mitte des 20. Jahrhunderts. Um 1950 machte sich ein fleißiger Schriftsteller die Mühe, mit Füller und Tinte eine Abhandlung über den heimischen Forst zu verfassen.

Text/Fotos: Michael Baudisch

 

Terminhinweis: Am Dienstag, 27. November, um 19 Uhr wird in einer öffentlichen Abendveranstaltung der Katalog vorgestellt. Professor Dr. Enno Bünz (Leipzig) hält dazu einen Festvortrag über den Buchbesitz von Kollegiatstiften. Anschließend besteht die Möglichkeit, die Handschriftenausstellung in der Domschatzkammer zu besichtigen.

Literaturhinweis: Katalog der Handschriften der Domstiftsbibliothek Bautzen, bearb. von Ulrike Spyra und Birgit Mitzscherlich unter Mitarbeit von Christoph Mackert und Agnes Scholla. Mit einer Einführung von Enno Bünz (= Quellen und Materialien zur sächsischen Geschichte und Volkskunde, Bd. 4), Leipzig: Universitätsverlag 2012, ISBN: 978-3-86583-634-2, 344 S., 62,- Euro.



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