Landschaftslabor

zu Besuch im Atelier von Birgit Schuh, Dresden

Birgit Schuh

Die Künstlerin Birgit Schuh zeigt Materialien, die sie verwendet hat.

 

Sie stehen frühestens gegen Mittag auf, sie bringen außer drei Pinselstrichen am Tag nichts aufs Papier und trinken natürlich jede Menge Wein. Dabei schwimmen sie entweder im Geld oder nagen am Hungertuch. Dies sind nur einige Klischees, die über Künstler erzählt werden. Doch wie arbeiten sie nun eigentlich wirklich? Wie sieht es in ihren Ateliers aus? Sind sie wirklich alle etwas verrückt und „haben nicht alle Tassen im Schrank“ oder sind es vielmehr „normale“ Leute die einen etwas ungewöhnlichen Beruf haben?

Um all dem und noch viel mehr nachzugehen, haben sich einige Dresdner Mitte September aufgemacht, um im Rahmen der „Ateliergespräche“ die Künstlerin Birgit Schuh (42), ihre Werke und ihre Anliegen kennen zu lernen.

Die im Odenwald geborene Künstlerin hat zunächst in Mainz und später Freie Bildende Kunst in Berlin und Dresden studiert. Ihr Atelier befindet sich im Dresdner Norden im Industriegebiet Klotzsche im Dachgeschoss eines Gewerbegebäudes. Es hat weiße Wände und ist karg eingerichtet. Einige Kunstwerke stehen eingepackt an den Wänden, andere sind zum Anschauen aufgebaut. Wieder andere befinden sich nicht mehr in ihrem Besitz, sind im öffentlichen Raum zu finden oder sind nicht mehr „live“ zu sehen, da es sich um Installationen im Rahmen von Ausstellungen handelte. Aber zum Glück gibt es Fotoapparate und Beamer, so dass die Künstlerin viele ihrer Zeichnungen, Skulpturen und Installationen zeigen kann.

 

ein weiteres Werk der Künslerin

Eine Tuschezeichnung der Künstlerin.


Im Werk der 42-Jährigen ist Landschaft ein wichtiges Thema. Dieses habe sich bei ihr „durch die Hintertür“ eingeschlichen, sagt sie über einen Auftrag zur Gestaltung des Foyers der Schule an der Windbergbahn in Dresden. Sie habe sich mit der Bahn und auch deren Umgebung beschäftigt. Ganz besonders habe sie an dieser Gebirgsbahn fasziniert, dass diese sich der Natur hätte unterordnen müssen, dass sie keine Tunnel und keine Brücken habe. Die Arbeit die sie anfertigte, entstand aus aneinander gereihten Fotografien, die sie aus dem fahrenden Zug heraus gemacht hatte. Letztendlich habe sich eine fiktive Landschaft entwickelt, so Schuh.

Ein anderes ihrer Werke ist im Plauenschen Grund in Dresden zu bestaunen. Dort hat sie einen Schokofluss gestaltet, der an die Schokoladenindustrie im 19. Jahrhundert erinnern soll. Nach dem Zerfall dieser Industrie sei auch der Stadtteil immer mehr kaputt gegangen, vor allem durch menschliche Eingriffe, erzählt sie. Man habe zum Beispiel die Weißeritz unterirdisch verlegt und dann 2002 beim Augusthochwasser die Konsequenzen gespürt, als der Fluss sich seinen ursprünglichen Verlauf gesucht habe. Der Schokofluss ist anstelle einer Abflussrinne entstanden und hat in seinen Einzelelementen die Form von Schokoladenstücken.

 

Stück aus dem Schokofluss

Aus solchen Stücken besteht der Schokofluss im Plauenschen Grund in Dresden.


Birgit Schuh erzählt, dass sie sich viel mit historischem Kartenmaterial vom Plauenschen Grund und vom Großen Garten beschäftigt habe. Im Zuge dessen entstanden große Tuschezeichnungen.

 

Tuschezeichnung

Birgit Schuh hat die Karten zunächst nachgezeichnet und dann durch Übergießen mit Wasser und Tusche verändert. Anschließend hat sie diese wie Karten gefaltet. Trotz des Übergießens und der Faltung blieben auf den beiden Zeichnungen die Grundmuster erkennbar. Im Foto: die Zeichnung des Großen Gartens.


Mit dem Großen Garten als Vorlage hat die Künstlerin noch zwei Wandinstallationen aus Holz gefertigt. Es wurde in einem speziellen Verfahren verdichtet, so dass es sich durch Feuchtigkeit und Hitze stark verformt. Dies hat sie ausgenutzt und experimentell gearbeitet.

 

Gäste schauen sich die Wandinstallation an

Zwei Gäste schauen sich eine der Wandinstallationen an.


Nicht jedem werden ihre Werke gefallen. Kunst polarisiert, Kunst regt an und Kunst gefällt oder gefällt nicht. Doch an diesem Abend, und auch an den noch folgenden, hat jeder die Möglichkeit, sich mit zeitgenössischer Kunst auseinanderzusetzen. Dabei kann man den Künstler selbst unter die Lupe nehmen und seine Themen kritisch reflektieren – und vielleicht kann auch mit dem einen oder anderen Künstlerklischee aufgeräumt werden


Die „Ateliergespräche" werden von der Katholischen Akademie des Bistums Dresden-Meißen veranstaltet. Die Abende sind immer in drei Teile gegliedert: Nach einer philosophisch-theologischen Einführung zum Thema, gehalten von Michael Wächter, kommt der jeweilige Künstler selbst zu Wort, und im dritten Teil soll dann Platz für das gemeinsame Gespräch sein.

Die nächsten Termine:

24. Oktober „Gesichter“
Atlier Lucas Oertel, August-Bebel-Str. 30a, Haus 116 („blaues Haus“), 5. Stock
29. November „Wahrnehmung der Wirklichkeit“
Atelier Saeed Foroghi, Förstereistraße 46



Text und Fotos: Johannes Siegburg



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