Die Zukunft der Kirche gestalten

Tagung im Bischof-Benno-Haus 50 Jahre nach Eröffnung des Zweiten Vatikanischen Konzils

Plenum

Maria Geburek



Bautzen, 08.10.2012: "Das Konzil hat uns vor 50 Jahren auf die Situation heute vorbereitet. Aber wir haben seine Impulse nicht aufgenommen!", fasste Maria Geburek, seit 1960 Gemeindereferentin, ihre Gedanken zum Zweiten Vatikanischen Konzil zusammen. "Machen wir nicht unsere Kirchen noch leerer, wenn wir Gemeinden zusammenlegen?", fragte sie besorgt.


Etwa 70 Interessierte hatten sich am vergangenen Wochenende, fast genau 50 Jahre nach dem Beginn des Zweiten Vatikanischen Konzils, in Schmochtitz versammelt, um durch die Beschäftigung mit dessen Geschichte, Hintergründen und Dokumenten Visionen für die Kirche heute zu finden. "Es geht um mehr als um Erinnerung!", betonte Pfarrer Benno Schäffel, Leiter der Abteilung Pastoral im Bistum Dresden-Meißen, zu Beginn der Tagung im Bischof-Benno-Haus, die beide Institutionen in Zusammenarbeit mit der Katholischen Akademie des Bistums Dresden-Meißen veranstalteten.

"Lumen Gentium" (LG), die Dogmatische Konstitution über die Kirche, versucht eine Antwort auf die Frage "Kirche, wer bist du?"
Dr. Reinhard Grütz







Dr. Reinhard Grütz, neuer Direktor der Katholischen Akademie des Bistums Magdeburg, nannte als eine wichtige Aussage des Zweiten Vatikanischen Konzils, dass die Kirche, das Volk Gottes, Sakrament, also Zeichen des Heiles, sei – nicht selber schon das Reich Gottes.




"Das Zweite Vatikanische Konzil hat grundlegende Prinzipien vorgegeben, die den Weg in die Zukunft weisen", führte Prof. Dr. Ralf Miggelbrink, Professor für Systematische Theologie an der Universität Duisburg-Essen, aus. Angesichts der wahrzunehmenden Akzeptanzschwierigkeiten wies er darauf hin, dass die Kirche durch Traditionen lebt – deshalb "brauchen Konzilien 100 Jahre, bis sie in der Kirche angekommen sind". Es sei an der Zeit, "konservative und progressistische Tendenzen mit den Prinzipien des Konzils zusammenzubinden".

Prof. Dr. Ralf Miggelbrink

Prof. Dr. Ralf Miggelbrink bei seinen Ausführungen

Da das Erste Vatikanische Konzil 1870 wegen des Ausbruchs des Deutsch-Französischen Krieges abgebrochen worden war, rechneten viele bei der Einberufung des Zweiten Vaticanums mit einer Fortsetzung der vorigen Kirchenversammlung. Aber in den Texten kommt ein neues Kirchenverständnis zur Sprache: "Nicht die Kirche ist das Licht der Völker, sondern Christus – und die Kirche muss Ihm dienen", betonte Miggelbrink. Dieser Dienst sei aber sakramental und deshalb nicht einfach funktional zu berechnen. LG fordere dazu auf, Einheit differenziert zu denken. Das vom Apostel Paulus im 1. Korintherbrief verwendete Bild vom Leib mit den vielen, so verschiedenen Gliedern, diese Einheit in Verschiedenheit, sei ein "Erfolgsmodell der Kirche".

Das Konzil mahne die Kirchenglieder, mit anderen Menschen über das zu sprechen, was sie interessiert und was sie beschäftigt, dabei gut zuzuhören – und zu glauben, dass in ihnen Gott wirkt. Ein Jesuit habe ihm, Miggelbrink, einmal gesagt: "Ich bin als Missionar nach Indien gekommen – und ich bin missioniert worden."
Karl Rahner, einer der größten Theologen des 20. Jahrhunderts, habe einmal darauf hingewiesen, dass die Kirche keine Thermoskanne sein solle – die wärme nur nach innen.

Plenum

Die Pastorale Konstitution über die Kirche in der Welt von heute, Gaudium et Spes (GS), definiert die Kirche als Werkzeug der Inkarnation (Menschwerdung).
Anders als in den Jahrhunderten zuvor, bekennt sich die Kirche hier dazu, "nicht das Bündnis mit den Reichen und Mächtigen zu suchen, sondern sich mit den Armen und Rechtlosen zu verbünden", so Miggelbrink. Weil der Mensch sich vor seinem ersten Ursprung und letzten Ziel verantworten müsse, fordere die Konstitution zum Engagement für das Gemeinwohl auf.

"Wie schaffen wir es, dem Anderen so zu helfen, dass er nicht beschämt wird, sondern spürt, dass wir in ihm Gott als ersten Ursprung und letztes Ziel allen Seins erkennen und universal solidarisch sind?", formulierte Miggelbrink als Frage für heute. Denn: "Der Effizienzdruck, dass es nicht schiefgehen darf, macht die Würde derer zunichte, für deren Würde man kämpft." Die eigene Haltung verrate sich unter anderem in der Sprache: "Wenn wir nicht mehr 'müssen' und 'sollen', sondern 'können' und 'dürfen', schaffen wir es vielleicht, heiterer und entspannter zu sein – in dem Bewusstsein, in allem von Gott abhängig zu sein. Es käme darauf an, liebende Menschen zu werden und daran zu glauben, dass Gott in der Gegenwart zum Heil der Menschen wirkt", mahnte der Referent.

Dr. Friedrich Rebbelmund









Dr. Friedrich Rebbelmund, zur Zeit des Konzils Sprecher der Studentengemeinden, stellte fest, er sei jetzt "gelassener dem Kommenden gegenüber" und bedauerte: "Die Ökumene hat sich ein Stück zurückentwickelt seit dem Zweiten Vatikanischen Konzil."


Ansätze zur Umsetzung des Zweiten Vatikanischen Konzils:

Werkstatt Dr. März

Dr. Christian März stellte die Gemeinde-Entwicklung im Bistum Dresden-Meißen vor.


Werkstatt Thomas Pogoda

Thomas Pogoda aus dem Bistum Magdeburg berichtete über Erfahrungen mit dem französischen Modell VOLK (= Vor Ort lebt Kirche) in seiner Diözese.


Architekt Elmar Paul Sommer

Wie plant und entwirft ein Architekt und Städteplaner einen Kirchenbau? Elmar Paul Sommer, der u.a. die katholische Kirche St. Elisabeth in Gera entworfen hat, gewährte Einblick in seine Arbeitsweise.


Propst i.R. Günter Hanisch



Propst i.R. Günter Hanisch, 1954 zum Priester geweiht, fasste seine Erfahrung so zusammen: "Das Konzil sagte, was alles möglich wäre. Aber manche Wahrheiten brauchen Zeit, um durchzusickern" – und er mahnte, "Schritt um Schritt" weiterzugehen und zuzusehen, "dass möglichst viele mitgehen können".

Messe

Pfarrer i.R. Dr. Siegfried Foelz, Pfarrer Benno Schäffel und Akademiedirektor P. Clemens Maaß SJ feierten gemeinsam mit den Teilnehmerinnen und Teilnehmern der Tagung sowie zahlreichen Gemeindemitgliedern und weiteren Gästen des Bischof-Benno-Hauses die Sonntagsmesse.

"Aus dem Anfang des Anfangs muss ein neuer Beginn werden", betonte Dr. Siegfried Foelz mit Blick auf das Zweite Vatikanische Konzil in seiner Predigt. Im Konzil habe sich die Kirche erstmals zu den nichtchristlichen Religionen und den Nichtglaubenden hin geöffnet - konkrete Wege zur Verwirklichung seien aber nicht genannt worden.
Auf das Evangelium Mk 10,13-16 Bezug nehmend, wies er darauf hin: "Jesus nahm Kinder in seine Arme - kein theologisches Handbuch!" Kinder seien "Zeugen einer anderen Welt" und wichtig für unseren Dialog mit der Welt. "Nur mit den Anderen und durch die anderen können wir Kirche sein und als Kirche leben", so Foelz.

Fotos + Text: Elisabeth Meuser



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