„Wir haben vergessen, dass wir Gott vergessen haben“

Bischof Koch zieht erste Bilanz nach 100 Tagen im Amt

Seit 100 Tagen im Amt - Bischof Koch gestern auf einer Pressekonferenz in Dresden.

Seit 100 Tagen im Amt - auf einer Pressekonferenz in Dresden stellte sich Bischof Koch gestern den Fragen der Journalisten. Foto: E. Meuser

Dresden, 28.06.2013 (KPI): Gut 100 Tage ist her, dass Heiner Koch in der vollbesetzten Dresdner Kathedrale sein Amt als Bischof von Dresden-Meißen angetreten hat. Grund genug für den neuen Oberhirten der katholischen Kirche in Sachsen und Ostthüringen, auf einer Pressekonferenz eine erste Bilanz zu ziehen.

An den Anfang seines Berichts stellt er das, was ihm besonders wichtig ist. Seine Erlebnisse mit den vielen Menschen, denen er seither hier im Osten Deutschlands begegnet ist. Etwa das zufällige Gespräch bei einer Begegnung am Elbufer, unweit seines Wohnsitzes. „Wir haben vergessen, dass wir Gott vergessen haben“, hörte er da. Oder bei der Taufe älterer Menschen – Momente, die ihn besonders bewegten. „Es war verpönt, katholisch zu sein“, sagte man ihm dort. Oder die Episode, als er am Ende eines Firmgottesdienstes beim Auszug aus der Kirche zu einem Kleinkind scherzhaft sagt: „Und wann wirst Du gefirmt?“ Worauf die junge Mutter daneben mit den Tränen ringt und sagt: „Gar nicht. Wir sind nicht getauft. Leider.“

Miteinander von Orts- und Sonderseelsorge muss entwickelt werden

Viel gereist ist der neue Bischof in diesen ersten hundert Tagen durch sein Bistum. In allen Regionen war er, zum Teil mehrfach. Und er hat festgestellt, dass die Unterschiede groß sind. Er hat erlebt, dass das Vogtland anders ist als die Oberlausitz, und das Erzgebirge anders als die Sächsische Schweiz. Dazu die unterschiedlichen Herausforderungen, in den Städten und auf dem Land. „Von der Vorstellung, dass ein Pastoralplan für das ganze Bistum erstellt werden könnte, habe ich schon Abschied genommen“, sagt er. Während in Leipzig und Dresden die Katholikenzahlen steigen, und viele junge Familien das kirchliche Leben bereichern, haben die Menschen weit draußen auf dem Land mit Abwanderung und Arbeitslosigkeit zu kämpfen. Aber gerade für die Dagebliebenen möchte der Bischof die Kirche als Fundament erhalten. Auch aus Hochachtung für die Menschen, die zu DDR-Zeiten ihrem Glauben treu geblieben sind.

Pfarreifusionen stehen daher im Moment nicht oben auf der Aufgabenliste des Bischofs. Zwar sollen sich Pfarrer und Gläubige ihre Gedanken machen, wo Kräfte gebündelt, Kooperationen möglich gemacht werden können. Aber: Die Kirche soll nahe bei den Menschen bleiben.

Gemeinde ist für Heiner Koch als „Gemeinschaft von Gemeinschaften“ vorstellbar, die jeweils vor Ort verwurzelt sind. Die Laien können dabei Verantwortung übernehmen, so der Bischof. „Wichtig ist die Selbstverantwortung der Christen“, sagt er. Er betont aber auch den hohen Stellenwert der Eucharistiefeier. Noch sei ein ausreichendes Maß an Messfeiern in allen Regionen gesichert, der Handlungsbedarf hier nicht akut. Und es gibt positive Zeichen. „Ich freue mich, dass sich vier junge Männer auf den Weg machen, Priester zu werden“, sagt der Bischof. Mit den Pfarrern seines Bistums will er sich im Herbst auf einer großen Konferenz im Bischof-Benno-Haus in Schmochtitz zusammensetzen und über den Weg des Bistums beraten.

Dynamik in den Pfarreien

Eine Spannung hat er in den Gemeinden seiner Diözese allerdings auch ausgemacht. Zwischen denen, die Althergebrachtes bewahren, und denen, die aufbrechen, neue Wege gehen möchten. Für den Bischof bleibt entscheidend, dass die Kirche nicht verlernt, auf andere zuzugehen. „Wir müssen die Gottesfrage zur Kernfrage machen“, so Heiner Koch. Ein möglicher, ungewöhnlicher Weg für den Bischof dabei: Verunsichern. „Was ist, wenn es Gott doch gibt?“ fragt er und hofft auf die Reaktionen seiner Gesprächspartner.

Dass Heiner Koch in Sachsen und Thüringen angekommen ist, daran lässt er keinen Zweifel. Ob Meißener Wein oder heimisches Bier, ob Oper oder Fußballstadion: der Bischof hat Geschmack und Gefallen an seiner neuen Heimat gefunden. Und erste Wurzeln geschlagen. Ihm gefällt, dass die Menschen sich hier eben nicht so leicht vereinnahmen lassen wollen, wie er das andernorts erlebte. „Aber wenn dann eine Beziehung da ist, dann ist das sehr intensiv“, sagt er.

"Es ist nicht gut, wenn man den Bischof nicht auf der Straße sieht"

Viele Gespräche hat er in den wenigen Monaten seiner bisherigen Amtszeit geführt. Minister und Medienleute waren darunter, Ordensleute und Caritasmitarbeiter, Alte und Junge. Er hat mit Missbrauchsopfern gesprochen, hat für die Sicherung der Freien Schulen durch den Staat gerungen. Mit dem evangelischen Landesbischof gibt es „ein selbstverständliches Miteinander“, für das er dankbar ist. Heute werden die beiden gemeinsam nach Rom aufbrechen, begleitet von den Leipziger Thomanern, die im Vatikan mit dem Chor der Capella Sistina vor dem Papst auftreten.

Aber schon nach seiner Rückkehr wird er wieder in Sachsen und Ostthüringen unterwegs sein. Und natürlich bei Spaziergängen von seiner Wohnung in der Dresdner Innenstadt aus. „Präsent zu sein hier vor Ort, das ist mir wichtig.“

Michael Baudisch



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