Grund zum Danken

Clemens Pickel wurde vor 25 Jahren zum Priester und vor 15 Jahren zum Bischof geweiht - Bericht vom Fest in Marx am 5. Juni

Bischof Longin und Bischof Pickel
Auch der orthodoxe Bischof Longin gratulierte Bischof Clemens Pickel.

"Vor einer Woche, am 5. Juni, habe ich ein großes Fest feiern -, oder besser gesagt, erleben dürfen. In diesem Monat ist es 25 Jahre her, dass ich in Dresden an der Elbe zum Priester geweiht wurde. Und es ist 15 Jahre her, dass ich in Marx an der Wolga zum Bischof geweiht wurde. Im Laufe der letzten Monate wurde mir immer bewusster, dass das ein gewichtiger Grund ist, Gott zu danken. Darum lud ich hauptsächlich Priester und Ordensleute aus dem Bistum ein. „Von weit her, wegen einer Messe und einem Mittagessen“ – das wollte ich keinem so richtig zumuten. Aber gar nicht einladen – wäre auch nicht gut gewesen. Da eine zweite Feier in der alten Heimat zweifelhaft schien, kamen u.a. zwei meiner Brüder, Benno und Johannes, extra für diesen Tag, den langen Weg aus Deutschland an die Wolga gereist. Wegen des Hochwassers hatten sie ihr Flugzeug verpasst!

Auch kleine Delegationen aus einigen Pfarrgemeinden und eine Menge Ministranten schmückten das Fest mit ihrer Anwesenheit. Wir zählten über 60 Übernachtungswünsche vom 4. zum 5. Juni in Marx. Andere fuhren die Nacht durch und trafen am Morgen ein. Wenn ich sage „wir (zählten)“, dann meine ich besonders die, auf deren Hilfe ich seit über zwei Jahrzehnten rechnen darf: die Schwestern in Marx, aber auch Pater Tomasz und Pater Michail, die beiden Pfarrer in Marx und Saratow u.a.

nach der FestmesseEine schön vorbereitete Liturgiefeier in der vollen Pfarrkirche bildete das Zentrum des Tages. Es ging festlich, ruhig, lebendig und froh zu. Alle sangen gern mit. Der Zauber, den man nur in Marx spüren kann, wie es ein Gast ausdrückte, lag über dem Tag wie eine helle Wolke.

Als wir nach der Kommunion das „Großer Gott, wir loben dich“ auf Russisch sangen, alle Strophen, versteht sich, trat hinten der orthodoxe Bischof von Saratow in die Kirche. Nach einigem Zögern ließ er sich vom Generalvikar auf dem nur für diesen Tag ausgelegten Teppich nach vorn begleiten. Ich begrüßte ihn, … alles noch während des Liedes. Und als unser Nuntius aus Moskau ein paar Grußworte gesprochen hatte, trat Bischof Longin an den Ambo. Seine freundschaftlichen, geistlichen Gedanken gingen vielen zu Herzen. Das war ein Erlebnis von Ökumene, das so manchem die Augen öffnete und alle mit Freude erfüllte. 25 große, dunkelrote Rosen hatte mir mein orthodoxer Mitbruder mitgebracht.

Ein kleiner offizieller Empfang für die Ehrengäste schloss sich im Pfarrhaus an, während für Gemeinde und übrige Gäste Zeit zum Plaudern, bzw. zur Vorbereitung auf ein Riesenmittagessen (für 150 Personen) und Programmeinlagen war. Caritasvertreter aus Ost und West, mein Bruder Benno als Vorsitzender des St.-Clemens-Vereins und der evangelische Propst aus Saratow waren genauso beim Empfang dabei, wie die orthodoxen Geistlichen und zwei Vertreter des Gouverneurs. Sogar ein regionaler Fernsehkanal war zum Fest gekommen, ohne dass wir vorher davon wussten. Es ist viele Jahre her, dass ich einmal vor einem russischen Medien-Mikrofon stand. Damals versuchte man, eine bestimmte Formulierung aus mir herauszulocken. Und weil das nicht gelang, zerschnitt man später einen Satz für die Sendung. Die Leute vom Kamerateam gaben diesmal ihr Bestes.

Mittagessen

Mittagessen „unter uns“ und Gratulationen bildeten im Anschluss eine Einheit von etwa zwei Stunden. Es war wie in einer Familie mit 150 Personen. Nachdem alle sehr gut gegessen hatten, machten die Marxer den Anfang:
Ein fröhliches Programm mit Tanz und lieben Worten. Kinder traten auf, aber auch Großmütter und, und, und! Dann die afrikanischen Studenten aus Saratow, die Pfarrjugend. Immer wieder überreichte man mir Geschenke. Ich gebe zu, bis heute habe ich noch nicht alles ausgepackt.

Kurz vor drei musste ich meine Gäste sitzen lassen, weil der Vizegouverneur in Saratow vom Besuch des Nuntius gehört hatte und ihn vor seinem Rückflug (18.00 Uhr) treffen wollte. Der Nuntius ist Botschafter des Vatikans, also ein hoher Diplomat. Man konnte nicht anders als einen „offiziellen Besuch“ daraus zu machen. Es wäre nicht gut gewesen, den Nuntius allein zur Gebietsverwaltung gehen zu lassen. Ich war dem Vizegouverneur nie zuvor begegnet. Mit 160 jagten wir über die mir seit 22 Jahren bekannte Landstraße von Marx nach Saratow. Trotzdem blieben wir auf der Wolgabrücke im Stau stecken und kamen eine Viertelstunde zu spät. Es ging interessiert und höflich zu.

Als ich den Nuntius dann glücklich ins Flugzeug gesetzt hatte, fuhr ich in Ruhe zurück nach Marx. In der Kirche war gerade eucharistische Anbetung. Ich konnte aber nicht gleich eintreten, weil draußen der Pastor der Baptistengemeinde stand und auch noch gratulieren wollte. Er hatte sich in der Zeit geirrt. Zum Abendessen waren wir nicht mehr viele. Vielleicht 30 Personen. Dann kehrten wir mit drei Autos zum Übernachten nach Saratow zurück.

Vieles von der selbstverständlichen Freundschaft, die an jenem Tag zu spüren war, kann man mit Worten schwer wiedergeben. Ich muss gestehen, hätten mich andere nicht darauf aufmerksam gemacht, würde ich selbst das nicht schreiben. Ich kenne viele der Menschen in Marx, weil ich 10 Jahre lang ihr Pfarrer war. Ich kenne aber auch die Kinder und die oft schweren Lebensgeschichten der Kleinen. Natürlich habe ich sie gern. Und sie – das werden unsere Gäste nun bestätigen können – mich auch.

Gratulation der Kinder
Auch die Kinder gratulierten herzlich "ihrem" Bischof.

Als alle fort waren, zwei Tage später, kam ich zu jener Ruhe, die sicher mit Gott zu tun hat. Ein wenig beschämt und trotzdem sehr froh, bewegte mich folgender Gedanke: Ich wollte danken. Das war der Grund der ganzen Einladung und der Feier. Jetzt aber war ich so beschenkt, dass das mit dem Dank nicht erledigt war, sondern ich noch viel mehr danken müsste (und will).

Neue Termine haben sich seither über den 5. Juni geschoben, Reisen, Büroarbeit – die nicht nur aus Computer und Papier besteht, Gäste, Gespräche, die Suche nach dem, was Gott heute will… Und doch möchte ich jenen Tag nicht wie einen Schnellzug aus den Augen verlieren. Es war nicht Alltag, aber – vielleicht darf man, wenn nämlich mit Demut, sagen – eine Frucht des Alltags. Eine Frucht des Alltags vieler Helfer, die das Evangelium zur Richtschnur ihres Lebens gemacht haben, eine Frucht des Alltags meiner Freunde, mit denen ich hier leben darf.
Und zu guter Letzt möchte ich auch denen danken, die auf unsichtbare Weise durch Gebet oder in Gedanken, oder auch durch einen Brief oder ein Geschenk am Fest beteiligt waren, angefangen bei meinen Eltern.

„Herr, zu wem soll(t)en wir gehen?“ stand vor 25 Jahren auf meinen Primizbildchen. Und er hat mich nach Russland gezogen. In mein Bischofswappen ließ ich 10 Jahre später schreiben: „Komm, Herr Jesus“ (Veni, Domine Jesu). Mögen das die Grundlinien auch für den Rest der Jahre bleiben: Das Bleiben und das Warten im Zugehen auf sein Dasein.

Ich schließe diesen kleinen Brief mit Dank, der bleibenden Bitte um Gebet und einem herzlichen Gruß.

+ Clemens Pickel"


Aktuelle Informationen und Bilder teilt Bischof Pickel mit unter www.kath-ru.blogspot.de



Zurück Impressum