Pfingstpredigt von Bischof Koch im ZDF

am 8. Juni in der Dresdner Kathedrale

Der Gottesdienst zu Pfingsten aus der Dresdner Kathedrale wurde live im ZDF übertragen. Foto: Michael Baudisch

Der Gottesdienst zu Pfingsten aus der Dresdner Kathedrale wurde live im ZDF übertragen. Fotos: Michael Baudisch


Es knistert in der Stadt.

Eine eigentümliche Spannung hat die Stadt erfasst. Dabei sollte endlich Ruhe herrschen in der Stadt.

Deshalb hatte man ihn doch noch schnell vor dem Paschafest umgebracht – draußen vor den Toren der Stadt, damit in der Stadt Ruhe herrscht.
Aber nun hatte man ihn umgebracht, und es herrschte keine Ruhe in der Stadt. Denn da gab es Frauen und Männer, die erzählten: „Er lebt: mitten in der Stadt: wir sind ihm begegnet auf den Straßen der Stadt, wir haben mit ihm gegessen in den Sälen der Stadt, wir haben mit ihm gesprochen auf den Plätzen der Stadt“.
Man müsste die Männer und Frauen, die das behaupten, finden und sie zum Schweigen bringen – notfalls mit Gewalt.

So oder ähnlich, liebe Schwestern und Brüder, liebe Zuschauerinnen und Zuschauer, mögen es die Anführer der Stadt Jerusalem damals befürchtet haben, nach dem Pascha- und vor dem Pfingstfest. Aber ihre Sorgen waren unbegründet. Denn mutige Männer und Frauen, die das Evangelium verkündeten, die gab es nicht. Sie hatten sich zurückgezogen ins Obergemach: angstvoll, mutlos, die Worte Jesu im Sinn: Haben sie mich verfolgt, werden sie euch verfolgen. Haben sie mich getötet, werden sie auch euch töten.

Und dann kam Pfingsten. Und alles veränderte sich, nicht nur ein bisschen: Die gleichen Jünger, die gelähmt waren vor Angst, liefen bis ans Ende der damals bekannten Welt. Die gleichen Jünger, die sprachlos waren in ihrer Unsicherheit, verkündeten das Evangelium in allen Sprachen. Die gleichen mutlosen Jünger sprühten jetzt vor Kreativität.

Was war da geschehen? Die Realität, vor der sie Angst hatten, sie hatte sich nicht verändert.

Was sich verändert hatte, war ihre Sicht dieser Realität: Sie sahen alles in einem anderen Licht. Mitten in allem Dunkel und allen Bedrängnissen entdeckten sie Gott, nahmen wahr, dass sie nicht allein gelassen waren, dass Gott, der ihnen Kraft und Mut schenken konnte, mit ihnen ging. Diese Erkenntnis veränderte ihr Leben. Ihnen ging ein Licht auf: das Licht des Heiligen Geistes. Immer wieder wird der Heilige Geist auch in Feuerzungen dargestellt, die die Menschen erleuchten. Zu Pfingsten war den Jüngern das Licht Gottes aufgegangen, sie sahen alles seitdem in neuem Licht, in einer neuen Perspektive. Das gab ihnen Mut und Kraft auch in größten Bedrängnissen: wir sind nicht allein, Gottes Geist geht mit uns mit.

Wie kamen die Jünger zu dieser neuen pfingstlichen Sicht ihres Lebens? Sicher, sie wurde ihnen von Gott geschenkt, sie war gute Gabe Gottes, die ihnen zu Pfingsten und uns im Sakrament der Firmung von Gott gegeben wird.

Und doch schildert die Heilige Schrift, dass die Jünger etwas gemacht haben, um offen zu sein für dieses Geschenk, um bereit zu sein, die Fülle des Geistes Gottes, seines Lichtes, überhaupt wahrnehmen zu können. Mit drei Worten schildert die Heilige Schrift, wie die Jünger sich damals auf den Empfang des Heiligen Geistes vorbereitet haben.

Drei Worte, die auch eine Aufforderung an uns sind:

Auch Sachsens Ministerpräsident Stanislaw Tillich (vordere Bankreihe) nahm an der Messe teil und sprach im Gottesdienst eine Fürbitte.

1. Sie blieben.
Das Wort „bleiben“ steht heute nicht hoch im Kurs. Solange wir Beifall bekommen und alles glatt und gut läuft und unsere Erwartungen erfüllt werden, bleiben wir gern. Aber wenn Schwierigkeiten kommen und Probleme auftauchen: dann wirft man schnell eine Aufgabe weg und eine Verantwortung, die man übernommen hat. Andererseits: Alles Große im menschlichen Leben braucht das Bleiben, das Wachstum, die Geduld. Die meisten wissenschaftlichen Fortschritte etwa sind nur deshalb erbracht, weil Menschen nicht nur solange forschten, solange sie Spaß an ihrer Arbeit fanden. Ähnlich verhält es sich in der Ehe: Zwei Menschen nehmen sich ein Leben lang Zeit, lieben zu lernen: das braucht Zeit, Geduld, die Bewährung in Belastungen und im Alltag. Mit Gott ist dies nicht anders. Es mag Momente geben, in denen wir Gott und seine Nähe begeistert spüren. Aber wenn ich von Gott keine direkte Antwort auf meine Fragen erhalte oder wenn ich ihn nicht verstehe, wenn er mir fern zu sein scheint, dann bei ihm zu bleiben, ist vielleicht die größte Herausforderung des Glaubens. Gerade in solchen Belastungen wächst der Glaube. Die Jünger liefen nicht auseinander, sie blieben zusammen.

2. Sie beteten.
Wer betet, nimmt Gott ernst, der gesagt hat: Ich spreche zu dir und ich höre auf dich. Wer dieses Verweilen vor Gott und dieses Mit-ihm-sprechen beendet, dessen Glaube wird schnellstens erlöschen. Wie in menschlichen Beziehungen, so braucht auch die Beziehung zu Gott Zeit: Wieviel Zeit gebe ich Gott im Gebet? Schenke  ich ihm nur dann meine Zeit, wenn ich alles andere erledigt habe oder wenn ich ihn einmal dringend brauche?

3. Sie brachen auf.
Wenn die Jünger sitzen geblieben wären, hätten sie nie erfahren, dass Gott sich mit ihnen auf den Weg macht. Das deutsche Wort „Erfahrung“ sagt es sehr schön: Er-fahrung werden wir nur sammeln, wenn wir los-fahren. Alles Große im menschlichen Leben braucht den Mut zur Erfahrung, zum Aufbruch, sonst bleiben uns weite Lebensbereiche völlig verschlossen. Im Glauben ist das nicht anders. Die meisten Menschen erfahren Gott heute wohl deshalb nicht, weil sie sich nicht auf den Weg mit ihm machen. Da helfen alle Predigten, Katechesen und aller Religionsunterricht nichts, wenn Menschen es nicht wagen, mutig und entschieden mit Gott aufzubrechen.

Sie blieben, sie beteten, sie brachen auf.

Das war die Vorbereitung der Jünger auf Pfingsten, auf die Erfahrung des Geistes Gottes, der ihnen ein Licht aufgehen ließ mitten in den Dunkelheiten ihres Lebens. Von Herzen wünsche ich Ihnen an diesem Pfingstfest diese Haltung der Jünger, des Bleibens, des Betens, des Aufbrechens, damit auch uns das Licht aufgeht, in dem wir entdecken: wir gehen unseren Weg durch dieses Leben nicht allein, Gottes Geist geht mit uns mit.

Dresden, im Juni 2014

Dr. Heiner Koch
Bischof von Dresden-Meißen


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