"Lachen und Weinen sind keine Gegensätze"

Bischof Heiner Koch sieht eine Verbindung von Humor und Glauben

Bischof Heiner Koch









Dresden, 28.02.2014: Auf seine Karnevals-Prinzengarde muss Heiner Koch zwar die längste Zeit im Jahr verzichten, seit er nicht mehr Weihbischof in Köln ist. Sein Lachen hat er jedoch mitgebracht vom Rhein an die Elbe. Im Interview mit Dorothee Wanzek, "Tag des Herrn", erklärt er, warum Kirche und Humor für ihn kein Gegensatz-Paar ist.


Worüber haben Sie zuletzt herzhaft gelacht?

Ein recht korpulenter Pfarrer hat mir ein Foto zugemailt, auf dem er im Messgewand zu sehen ist. Sein Kommentar dazu: „Meine Gemeinde sagt, es passt wie angegossen.“
Lachen kann ich auch über Wortspiel-Witze wie diesen:
Ein Cowboy geht zum Friseur. Als er wieder rauskommt, ist sein Pony weg.
Ich lache wirklich sehr gerne. Natürlich muss man da unterscheiden. Es gibt auch ein böses Lachen. Eine Frau aus dem Erzgebirge hat mir neulich erzählt, dass sie immer noch das Gelächter ihrer damaligen Mitschüler aus der dritten Klasse in den Ohren hat. Die DDR-Lehrerin hatte die Kinder aufgefordert: „Lacht sie aus, sie geht noch immer zum Gottesdienst.“

Oftmals wird Kirche vorrangig  als Spaßbremse wahrgenommen. Warum glauben Sie, dass Humor und Kirche zusammenpassen?

Wir haben doch eine frohe Botschaft zu verkünden!!! Sie ist der Grund einer inneren Freiheit, die uns dazu führt, weder uns selbst noch die Welt noch das Böse todernst zu nehmen. Johannes XXIII. war jemand, der nicht nur innerhalb der Kirche wahrgenommen wurde als einer, der aus dieser Haltung heraus lebte. Nicht von ungefähr gibt es über ihn jede Menge Anekdoten, wie diese zum Beispiel: Bei seinem Einzug in die päpstlichen Gemächern brach einem Möbelpacker ein Schrank des Papstes zusammen. Der rechnete wahrscheinlich mit einer ungehaltenen Reaktion, bekam aber stattdessen von Papst Johannes XXIII. zu hören: „Da ist dem Heiligen Vater endlich mal was eingefallen.“
Als Christen haben wir die Hoffnung, dass alles in die himmlische Freude führt. Wir haben eine Vision für die Zukunft, die manches auf dieser Welt relativiert. Das bedeutet keinesfalls, das Leben und die Menschen nicht ernst zu nehmen. Ich nehme das Leben ernst und leicht zugleich, denn Lachen und Weinen sind keine Gegensätze. Hinter ihnen stehen tiefe menschliche Emotionen, ohne die der Mensch nur oberflächlich oder apathisch leben würde.

Stellen Sie sich Jesus humorvoll vor?

Auf jeden Fall. Wenn man nur darauf sieht, wie großherzig er auf all die Kleinlichkeiten geantwortet hat, die ihm begegnet sind!

Haben Sie in punkto Humor noch andere Vorbilder?

Zu Philipp Neri habe ich ein gutes Verhältnis, ebenso zu Thomas Morus, dessen in schwersten Stunden geschriebenes Gebet um Humor ja auch im Gotteslob steht. Auch Johannes Paul I. war ein sehr tiefgläubiger humorvoller Mensch, leider ist er uns oft nur noch schwach in Erinnerung. Noch mehr beeindrucken mich aber immer wieder einfache Menschen, die schwere Lebenssituationen zu tragen haben und dabei tief im Herzen doch von einer Freude erfüllt sind, die in Gott begründet ist und die kein Mensch ihnen rauben kann. Unter den Glückwünschen, die ich zu meiner Bischofsernennung bekam, hat mich am allermeisten der einer alten Frau beeindruckt. Sie hat in ihrem handgeschriebenen Brief von ihrer Schwester erzählt, die sie bei den Bombenangriffen im Februar 1945 in der Hofkirche sterben sah. Sie konnte ihrer Schwester, die Feuer gefangen hatte, nicht helfen, aber sie vergisst nicht, wie diese – bereits brennend – das Loblied „Großer Gott wir loben dich“ sang.
 
Die Kirche in Deutschland, aber auch weltweit, befindet sich in Zeiten spannungsvoller Umbrüche. Kann Humor da helfen?

Auf jeden Fall. Der Humor zeigt uns, dass das, was uns unverrückbar gegeben zu sein scheint, nicht zwangsläufig so sein muss. Er gibt uns eine innere Gelassenheit, die gerade in Zeiten von Umbrüchen sehr wichtig ist. So kann sich auch Phantasie und Kreativität entfalten. Ich finde es von daher enorm wichtig, vor einer Entscheidung alle Alternativen auf den Tisch zu legen und sie in Ruhe zu bedenken. Bloß nicht zu schnell aussortieren! Humor kann hilfreich sein als eine Haltung der Weisheit, die Weite für  Alternativen und andere Gestaltungsmöglichkeiten eröffnet.

Gibt es in der Kirche etwas, was Sie nur mit Humor ertragen?

Ja. (Lachend) Mich selbst...
Wie ich schon sagte, ist Humor für mich eine Grundhaltung. Sie trägt mich und hilft mir, manches zu tragen und zu ertragen. Meine Freude ist deshalb nicht am Aschermittwoch vorbei, denn im Grunde lebe ich mein ganzes Leben als Vorbereitung auf die große Osterfreude, und die ist eine bleibende Freude. Nicht von ungefähr habe ich mir als Wahlspruch Worte des Heiligen Paulus gewählt: „Freut euch alle Zeit! Der Herr ist nahe.“ (Phil 4,4-5) Diese Zuversicht trägt auch durch dunkle Situationen hindurch. 

Ist sie nicht aber auch eine geschenkte Begabung?
 
In der Ausprägung, der Art und Weise, sie auszudrücken, spielt sicher auch die persönliche Begabung eine Rolle. Für mich ist heute aber wirklich innere Konsequenz meiner Lebensweisheit und meines  Gottvertrauens. Die Freude wächst für mich aus der Haltung der Dankbarkeit, dass mir das Leben geschenkt wurde und dass mein Leben in Ewigkeit in Gottes guten Händen ruht. „Auf dem Grund jedes Lächelns schwimmt eine Träne“, hat Charlie Chaplin einmal gesagt. Eine solche Freude ist kein Gefühl und kein Effekt einer billigen Comedy-Show, sondern eine in Reife gewachsene Glaubensentscheidung.

Hat Ihr Humor Ihnen geholfen,  im Bistum Dresden-Meißen zu landen, oder ist er – etwa wegen regionaler Humorunterschiede – manchmal auch eine Barriere?

Die Tatsache, dass ich aus einer Hochburg des Karnevals komme, war im vergangenen Jahr ganz oft der Einstieg für mich in persönliche Gespräche und öffentliche Vorstellungen. Oft bekam ich dann aber auch zu hören: „Wir sehen uns das gelegentlich mal im Fernsehen an, aber unsere Welt ist es eigentlich nicht.“ Ich kann das gut verstehen. So etwas kann man nicht künstlich imitieren. Das heißt ja auch überhaupt nicht, dass hier in Sachsen und Thüringen weniger gelacht wird oder dass die Menschen hier keinen Humor hätten.

Was mögen Sie am rheinischen Karneval?

Er gibt der Gesellschaft ein Gepräge. Er bringt Menschen miteinander in Kontakt, was gerade in  oft anonymen Großstädten sehr wichtig ist. Die Karnevalsvereine prägen das bürgerliche Leben der rheinischen Städte das ganze Jahr über. Vielen Menschen geben sie Halt und ihrem Leben eine gewisse Struktur, etwa in den Begrenzungen des Karnevalstreibens durch den 11. November und den darauffolgenden Aschermittwoch. Jemand fragte einmal: „Ist das nicht konstruiert, nur zu festgesetzten Zeiten lustig zu sein?“ Ich habe ihm darauf geantwortet: „Stellen Sie sich einmal vor, die Jecken wären das ganze Jahr so! Das wäre doch kaum zu ertragen.“
Ich liebe am Karneval auch die Möglichkeit, in andere Rollen zu schlüpfen, die helfen, manches im Leben aus ganz anderem Blickwinkel zu betrachten und vieles  kritisch zur Sprache zu bringen, was sonst nur schwer möglich wäre. In meiner Kaplanszeit bin ich zum Beispiel mehrmals  als „Unsere Haushälterin“ aufgetreten, die sehr wach und hintergründig, aber auch sehr humorvoll das ganze Pfarrleben kommentiert hat. Natürlich sehe ich auch die großen Gefahren des Karnevals. Karneval ist ein großes Geschäft, ein wirtschaftliches Megaereignis geworden.

Was ist aus der Einladung des sächsischen Ministerpräsidenten geworden, gemeinsam mit Ihnen beim Karneval aufzutreten?

In diesem Jahr hat es leider nicht geklappt, weil die möglichen Termine dafür mit meiner Visitationsreise zu den Deutschen Katholischen Gemeinden in Hongkong, Sydney und Melbourne kollidierten. In Köln habe ich in diesem Jahr nur den Großen Regimentsgottesdienst der Kölner Prinzengarde als Regimentsbischof gehalten. Am Karnevalssonntag werde ich als Ehrensenator der Großen Kölner an einer Sitzung teilnehmen  und am Rosenmontagszug auf dem Wagen des Festkomitee-Vorsitzenden mitfahren. Am Dienstag bin ich aber pünktlich zum 75. Geburtstag unseres Domdechanten Klemens Ullmann wieder zurück in Dresden.
Die karnevalistische Begegnung  mit unserem Ministerpräsidenten wird dann ausnahmsweise erst am 9. Mai erfolgen, wenn mich die Kölner Prinzengarde an diesem Wochenende mit 250 Prinzengardisten und mit ihren Musikcorps besuchen wird. Dann werden wir auch gemeinsam dem Ministerpräsidenten unsere Aufwartung machen. Übrigens habe ich dann für einen Abend auch Pfarrer unseres Bistums in die Bütt vor die Kölner Gardisten gebeten, damit diese leibhaft erfahren können, wie froh und humorvoll wir hier in Sachsen und Ostthüringen leben.




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