Frommer Grenzverkehr

Jedes Jahr am 13. Januar pilgern hunderte Deutsche und Tschechen morgens um 4 Uhr gemeinsam in die Wallfahrtskirche im tschechischen Filipov


                                         Filipov (Philippsdorf)/Tschechien, 13. Januar 2015


3.30 Uhr, deutsch-tschechische Grenze. Im sächsischen Neugersdorf fährt eine Patrouille der Bundespolizei im VW-Bus Streife durch die Dunkelheit. 4 Grad zeigt das Außenthermometer. Ein kalter Wind weht über die Grenze. Und die Besatzung des Einsatzwagens staunt nicht schlecht: auf der schmalen Straße zum benachbarten Philippsdorf, dem heutigen Filipov in Tschechien, herrscht zur nächtlichen Stunden reger Grenzverkehr. Zwei Wanderer mit Pilgerstäben in der Hand streifen durchs Scheinwerferlicht. Reisebusse rollen heran. Pkw mit deutschen und tschechischen Nummernschildern folgen.

13. Januar 2015: Gottesdienst zum Jahrestag der Muttergotteserscheinung in Philippsdorf. Fotos: M. BaudischDas gibt es hier tatsächlich nur einmal im Jahr. Und zwar jeweils am 13. Januar. Denn dann pilgern Deutsche und Tschechen in Erinnerung eines denkwürdigen Ereignisses morgens um 4 Uhr gemeinsam zur Basilika nach Böhmen.

Der Marienwallfahrtsort hat seinen Ursprung einer Wunderheilung im Jahr 1866 zu verdanken. Damals lebte hier Magdalena Kade (1835-1905). Als Jugendliche schwer erkrankt, soll ihr zu Jahresbeginn 1866 morgens um 4 Uhr am Krankenbett die Gottesmutter erschienen sein. Magdalena Kade berichtete später, die Frau im Lichtglanz habe zu ihr gesagt „Mein Kind, von jetzt an heilt’s“. Daraufhin sei sie von allen Krankheiten genesen.

Marienerscheinung 1926 von Papst Pius XI. anerkannt

Bereits 1873 wurde eine erste Kapelle an der Stelle dieser wundersamen Heilung errichtet; 1885 folgte der Bau einer Kirche, die 1926 auf päpstlichen Beschluss hin zur Basilika erhoben wurde. In der Blütezeit des Pilgerortes trafen Wallfahrten mit bis zu 6.000 Menschen in dem Ort ein, der schon bald als „böhmisches Lourdes“ Bekanntheit erlangte.

Und auch heute wieder, 149 Jahre nach der morgendlichen Erscheinung, ist die Wallfahrtskirche dicht gefüllt. Etwa 700 Gläubige drängen sich in den Bänken und Gängen. Seit der Vorabendmesse war die Basilika ununterbrochen zum Gebet geöffnet. Bischof Jan Baxant aus Leitmeritz ist angereist. Er will mit einem feierlichen Pontifikalamt das Jubiläumsjahr zum 150. Jahrestag der Erscheinung eröffnen.

Je näher der Gottesdienst heranrückt, umso heller wird Schritt für Schritt die Deckenbeleuchtung geschaltet. In warmem, cremefarbenem Beige, in hellem Grau und Weiß erstrahlt das Kirchenschiff. Auf Tschechisch und Deutsch erklingt das Wallfahrtslied. „Mein Kind, von jetzt an heilt's! Singt Ave Maria“ – schallt es durch den neoromanischen Bau. In der kühlen Kirche bilden sich weiße Atemwölkchen vor den Lippen. 

Kälte kriecht durch jedes Knopfloch

Bischof Baxant, Priester und Ministranten - unter deren Gewändern zeichnen sich dicke Pullover ab - schreiten in langer Reihe durch den Mittelgang des Kirchenschiffs an den Ort, an dem Magdalena Kade das Wunder widerfahren sein soll, und an dem sich heute eine Kapelle befindet. Punkt vier Uhr eröffnet der Bischof von Leitmeritz hier die Messfeier. Anschließend zieht die Prozession zum Hauptaltar mit seiner hoch über den Köpfen aufgerichteten Marienstatue.

4.35 Uhr. Trotz fester Schuhsohlen und dicker Socken kriecht die Kälte allmählich die Beine hoch. Die Gläubigen ziehen die Köpfe tiefer in die Krägen ihrer warmen Winterjacken ein. Auf Tschechisch, aber auch mit Lesung, Evangelium und kurzer Predigt auf Deutsch wird die Heilige Messe gefeiert. „Was für den Menschen nicht möglich und begreifbar ist, ist für Gott möglich“, sagt der Bischof. Es ist 5.48 Uhr, als Jan Baxant zum Abschluss des Gottesdienstes sich nochmals eigens in ihrer Muttersprache an die deutschen Gäste wendet und für ihre Beteiligung dankt.

6.02 Uhr. Der Gottesdienst ist vorüber. Die Gläubigen strömen aus der Kirche in den frühen Morgen. Filipov liegt noch im Dunkeln. Doch gegenüber, im Gastraum des „Hotel Waldstein“, brennt schon längst das Licht.


Text/Fotos: Michael Baudisch


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