Zeichen der Nähe Gottes mitten unter uns Menschen

Predigt von Bischof Dr. Heiner Koch zur Weihe der Leipziger Propsteikirche am 9. Mai 2015

Bischof Dr. Heiner Koch


















Verehrter Herr Nuntius,
lieber Bischof Joachim,
sehr geehrter Herr Ministerpräsident,
verehrter Herr Oberbürgermeister,
liebe Schwestern und Brüder,
liebe Gäste,
liebe Mitfeiernden nah und fern!

In diesen Tagen feiern wir die erste urkundliche Erwähnung der Stadt Leipzig vor genau 1000 Jahren, ausgerechnet in einer die Kirche betreffenden Todesnachricht: Bischof Thitmar von Merseburg erwähnt in seiner Chronik, dass am 20. Dezember 1015 Bischof Eido „in der Burg Leipzig Christus seine treue Seele zurückgab“.
 
Wenn das nicht passt:
genau 1000 Jahre nach dieser Nachricht vom Tod des katholischen Bischofs in Leipzig weihen wir im Herzen dieser Stadt ihre neue katholische Propsteikirche.
Nur wenige Meter vom jetzigen Standort entfernt wurde 1847 die erste katholische Trinitatiskirche dieser Stadt geweiht.
Im 2. Weltkrieg wurde sie durch Bomben zerstört.

Es folgten fast 30 Jahre Auseinandersetzung mit den Machthabern der DDR über einen Neubau und schließlich die Verdrängung eines solchen Kirchbaus aus dem Stadtzentrum, Zeichen für die Bedeutung, die man der katholischen Kirche in dieser Stadt nur noch zubilligte.
Doch bereits kurz nach ihrer Fertigstellung zeigten sich erhebliche Schäden dieser Kirche wie der Gesellschaft, die sie umgab. 25 Jahre nach der Friedlichen Revolution kehrt das Gotteshaus nun zurück in das Herz Leipzigs.
 
Wir haben in dieser Stunde zu danken:
Gott, der die Propsteigemeinde auf dem Weg ihrer Geschichte geführt hat und ihr die Kraft gab, dieses Gotteshaus an diesem Platz zu errichten.
Ich danke meinem Vorgänger, Bischof Joachim Reinelt für den Startschuss dieses Bauvorhabens.
Ich danke der Gemeinde St. Trinitatis und denen, die in ihr Verantwortung trugen und tragen: Propst Lothar Vierhock und Propst Gregor Giele stehen für viele.
Ich danke denen, die mit ihrem Gebet und mit ihren Geldern diesen Bau ermöglichten: den Kirchensteuerzahlern und den deutschen Diözesen, dem Bonifatiuswerk und den vielen Spendern, die uns hier in Sachsen nicht allein ließen.

Ich danke den evangelischen Schwestern und Brüdern für ihr so glaubwürdiges Miteinander in vielen Jahrzehnten. Die Glocken der evangelischen Nikolai- und der Thomaskirche sind mit den Glocken unserer Trinitatiskirche abgestimmt. Ich freue mich schon sehr darauf, wenn sie zum ersten Mal zusammen ihre Stimmen in der Stadt Leipzig erheben.

Ich danke der Stadt Leipzig, ihren Verantwortlichen und ihren Bürgerinnen und Bürgern für ihre Solidarität. Ich danke den Architekten, den Künstlern, den Bauleuten.
Vergelt´s Gott ihnen allen!

Diese Kirche ist ein Haus der Gemeinschaft der Christen. Sie ist ein Bild für die hiesige Propsteigemeinde.
Jeder Stein dieser Kirche ist wichtig und jede und jeder fehlt uns, der nicht da ist, nicht mit uns lebt, feiert und Verantwortung trägt.
„Der Tempel Gottes ist heilig, und der seid ihr“, schreibt der Apostel Paulus an die Gemeinde in Korinth (1 Kor 3,17). Wir alle gehören zusammen und wir brauchen einander.
Gut, dass es diese Trinitatisgemeinde hier in Leipzig gibt, so lebhaft, so bunt, so vielsprachig. Ohne Sie, die Gläubigen, wäre der Neubau eine tote Hülle. Durch sie wird der Bau zu einem lebendigen Ort des Glaubens und der Gemeinschaft.
 
Miteinander sind wir als Volk Gottes unterwegs durch die Geschichte dieser Zeit,
sein heiliges Volk, seine von ihm immer wieder neu geheiligte Kirche der Sünder und der Gnade.

Vor allem aber wurde dieses Gotteshaus hier erbaut als Zeichen der Nähe Gottes mitten unter uns Menschen.
Für diese Nähe steht Jesus Christus, für ihn legt dieser Bau Zeugnis ab:
Gott bleibt bei den Kindern und Jugendlichen dieser Stadt,
bei den Männern und Frauen, bei den Jungen und den Alten, bei den Kranken, Behinderten und Leidenden,
bei den Flüchtlingen und bei denen, die keine Hoffnung mehr haben,
bei den Glücklichen und bei den Trauernden.
Er, der nicht vom Kreuz herabstieg und die beiden Mitgekreuzigten dort nicht allein hängen ließ, er blieb auch bei Zachäus, wie das Evangelium uns heute verkündet,
so klein wie dieser war und solch ein Außenseiter wie viele Menschen in unserer Gesellschaft, die wie er oft nicht durchkommen, denen der Blick verwehrt ist, die draußen am Rande stehen.
 
Doch das ist die Botschaft Jesu Christi:
Gott übersieht keinen von uns, er entdeckt uns, er ruft uns bei unserem Namen, so wie er Zachäus rief, in dessen Haus er einkehrte wie in dieses Gotteshaus hier,
mitten in das pulsierende Leben dieser lebendigen Stadt Leipzig.
Propsteikirche St. Trinitatis, Heilige Dreifaltigkeit, so der Name dieser Kirche, den schon ihre Vorläufer in langer Tradition trugen, ein zaghafter Versuch, in Begriffen die Unbegreiflichkeit Gottes zu umschreiben, der Liebe in Fülle ist, die in unser Herz einkehren will.

Für diese Botschaft von Gott, der ein Herz für jeden Menschen hat und der uns alle trägt, für diesen Gott steht diese Kirche und steht diese Gemeinde, die Gott hier mitten in Leipzig die Ehre gibt.
Die Fassade ist errichtet aus Rochlitzer Porphyr, einem schon seit vielen Jahrhunderten in dieser Region bei Bauten verwendeten heimischen Naturstein
und damit Zeichen für die sächsische Heimat.
 
Diese Steine unserer Heimat sollen eine Bitte, ja eine Einladung an jeden Menschen hier in Leipzig sein:
Komm, mach dich mit uns auf den Weg, Gott in dieser Stadt und in deinem Leben zu entdecken!
Wir sind keine Kirche der Fertigen, die meinen, Gott begriffen zu haben, ihn im Griff zu haben.
Wir suchen ihn immer wieder neu, wir fragen nach ihm, wir helfen einander, ihn immer wieder neu zu entdecken, sind auf dem Weg in das Geheimnis seiner Liebe, die wie schon jede menschliche Liebe letztlich unbegreifliches Geheimnis bleibt.
Wir sind auch dankbar für Sie, die Ungetauften, die Sie mit Ihren Lebenserfahrungen, mit Ihrem Suchen und Ihrem Fragen für uns ein Reichtum sind, lebens- und glaubensbedeutsam.
Ich bitte Sie, gehen Sie mit uns mit! Wahrscheinlich sind wir einander viel näher, als wir es ahnen.
Vielleicht werden wir dann miteinander auf dem Weg erfahren, dass nicht nur wie die österlichen Jünger auf dem Weg nach Emmaus wir nach Gott fragen, sondern dass schon viel früher Gott nach uns fragt.
 
Nicht nur, dass wir Gott suchen, sondern dass er fragend nach uns sucht, so wie er Zachäus gesucht und gefunden hat.

Vielleicht werden wir miteinander diesen Gott entdecken, der schon im Paradies nach dem Menschen fragte: „Wo bist du?“ (Gen 3,9)
Hoffentlich werden wir miteinander das Licht des Auferstandenen wahrnehmen und uns von ihm aufklären lassen.
Für diese Hoffnung steht die Mystik dieser Propsteikirche, für diese Botschaft vom Licht Gottes, das die Welt erhellt, in das wir gerade am heutigen Tag hineingenommen, gleichsam eingeweiht werden sollen.

Wir haben eine Mitte, die uns trägt und manchmal erträgt, die uns zusammenhält, nach vorn bringt und Kraft gibt:
Jesus Christus, der hier gegenwärtig ist in den Sakramenten:
im Zeichen des Wassers in der Taufe,
im heiligen Öl, mit dem die Firmlinge und die Kranken gesalbt werden und das hier in einer in die Kirchenwand eingelassenen Vitrine aufbewahrt wird, 
in Brot und Wein in der Feier der Eucharistie, für die der Altar steht,
und im Sakrament der Versöhnung mit Gott und miteinander, auf das der Beichtstuhl weist.
Gott ist hier gegenwärtig im Wort der Heiligen Schrift, für das der Ambo steht und unsere Kirchenfenster, die die Worte der Heiligen Schrift zum Strahlen bringen.
Und er ist zugegen in unserer Gemeinschaft, die sich um diesen Altar so eindrucksvoll versammelt hat.
Gott ist da im Zeichen des Kreuzes, das wie alle heiligen Orte dieser Kirche in ihrer Farbkomposition von der Lebenskraft der Liebe Gottes spricht, die auch zum Leiden mit und für die Menschen bereit ist.
Er ist da für jeden Einzelnen, der diese Kirche betritt, betend oder fragend, hoffend, trauernd, verzweifelt oder dankbar.
 
Immer wieder, wenn ich diese Kirche während ihres Baus besuchte, entdecke ich Neues.
Aber schon jetzt gibt es für mich ein Lieblingsstück in dieser Kirche: die kleine Glocke, die lange, bevor sie zum ersten Mal läutet, schon so viel Wirbel in der Presse ausgelöst hat, weil sie in ihrer Kleinheit nicht in den Turm zu passen schien, weil sie den ganzen Turm durcheinander wirbelt.
Diese kleinste und doch älteste Glocke unseres Glockenturms, die schon in der ersten Propsteikirche hing, ist der Heiligen Familie gewidmet, was mich als Familienbischof natürlich sehr freut.
Aber wenn sie noch keinen Namen hätte, so würde ich ihr den Namen Zachäus geben.
 
Sie kündet von der Erfahrung, die dem kleinen, am Rande stehenden Zachäus verkündet wurde und die hoffentlich viele Menschen hier in der Propsteikirche, in dieser unserer Stadt und überhaupt in ganz Deutschland auf dem Weg zum 100. Deutschen Katholikentag in Leipzig im kommenden Jahr erfahren werden:

Dass da ein Gott ist, der in die Herzen der Menschen einkehren will.

Ist diese Botschaft nicht das schönste Geschenk für die Menschen in Leipzig,
deren Stadt sich in diesen Tagen ihrer tausendjährigen Geschichte erinnert und die in eine gottgesegnete Zukunft aufbricht?

Dresden, den 09.05.2015

+ Heiner Koch
Bischof von Dresden-Meißen



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