"Weg der Erinnerung" – Jugendliche auf den Spuren jüdischen Lebens in Dresden

Eindrücke vom 8. November

"Weg der Erinnerung" am 8. November 2015 in Dresden
Auf dem "Weg der Erinnerung" am 8. November 2015 in Dresden

Dresden, 10.11.2015: Etwa 180 Fahrradfahrer, vorwiegend Jugendliche, fuhren am 8. November 2015 durch Dresden, um an sechs Stationen des jüdischen Lebens und Leidens während des Nationalsozialismus zu gedenken. In diesem Jahr stand der „Weg der Erinnerung“ unter dem Thema: „Leben als Bürger zweiter Klasse – die Nürnberger Gesetze von 1935“. Schülerinnen und Schüler von drei Dresdner Gymnasien und die Jugendgruppe der katholischen Pfarrei Herz Jesu hatten die Stationen erarbeitet und gestaltet. Dazu haben sie sich mit den Facetten der Auswirkungen der „Nürnberger Gesetze“ beschäftigt. Betroffen waren alle Bereiche des öffentlichen Lebens: der Verlust politischer Ämter und Rechte, Berufsverbote, Veränderungen in Schule und Unterricht. Dazu kamen schwerwiegende Eingriffe ins Familien- und Privatleben.

So beschäftigte sich die Jugendgruppe aus Dresden-Johannstadt mit Peter Heilbut (geb . 1920), dem ältesten der drei Kinder von Clara und Kurt Heilbut. Im „Rassenlehre-Unterricht“ wurde er von seinem Lehrer als „Anschauungsobjekt“ vorgeführt. So erfuhr er im Alter von 13 Jahren, dass sein Vater Jude, er somit „Halbjude“ sei. Im Elternhaus hatte Religion keine Rolle gespielt. Dies stellten die Jugendlichen eindrücklich szenisch dar, indem sie „Peter“ nach und nach alle Vorurteile gegenüber Juden anhefteten. Peter Heilbut wurde 1943 wurde verhaftet, war in Dresden in Gestapohaft und wurde dann ins KZ Sachsenhausen gebracht. Er überlebte. Sein Vater starb 1943 in Auschwitz.

Bei der Erarbeitung der Station meinte ein Jugendlicher: „Wenn ich heute einen dunkelhäutigen Menschen in der Straßenbahn sehe, denke ich sofort: Das ist ein Flüchtling! Gleichzeitig habe ich auch sofort viele Vorurteile parat. Dabei kann der Mensch auch ein Tourist oder Student sein. So ähnlich muss es damals gewesen sein.“ Die Parallelen zu heute wurden an vielen Stationen deutlich. Die gründliche Auseinandersetzung der Jugendlichen mit einzelnen Schicksalen von Bürgerinnen und Bürgern unserer Stadt war ein bewegender Kontrapunkt zu den menschenverachtenden Parolen, die leider seit einem Jahr auf Dresdner Straßen und Plätzen lauthals geäußert werden.

Die Radtour endete in der Neuen Synagoge, wo eine Studentin anschaulich vom heutigen jüdischen Leben in Dresden erzählte. Der „Weg der Erinnerung“ wird organisiert von der Gesellschaft für christlich-jüdische Zusammenarbeit, der Jüdischen Gemeinde, dem Evangelischen Stadtjugendpfarramt und der Katholischen Dekanatsjugendseelsorge.

Angelika Fischer



Zurück Impressum